"Neuer Messias"

Italiens Premier Renzi triumphiert bei EU-Wahl

Ausland
26.05.2014 13:42
Einen Triumph ohnegleichen in der republikanischen Geschichte Italiens feiert Premier Matteo Renzi, dessen Demokratische Partei (PD) bei der EU-Wahl am Sonntag einen Erdrutschsieg eingefahren hat. 80 Tage nach seinem Amtsantritt bestand Renzi seinen ersten Stimmungstest als Regierungschef mit einer überwältigenden Mehrheit, die sogar seine rosigsten Vorstellungen übertraf. Die Partei des 39-Jährigen eroberte 40,8 Prozent der Stimmen - so ein Ergebnis war bisher keiner anderen italienischen Einzelgruppierung seit den 1980er-Jahren gelungen.

Nicht einmal Renzis Vorgänger Silvio Berlusconi hatte am Höhepunkt seines politischen Erfolgs ein derartiges Wahlergebnis zustande gebracht. "Renzi steht jetzt in Italien ganz allein an der Macht. Seine PD hat einen Prozentsatz von Stimmen erobert, die keine Partei, weder bei EU- noch bei Parlamentswahlen, jemals erreicht hat", kommentierte die Turiner Tageszeitung "La Stampa".

Renzi hat den Höhenflug der Euroskepsis in Italien gestoppt und der populistischen "Fünf Sterne"-Bewegung eine bittere Niederlage beschert. Die Gruppierung um den Starkomiker Beppe Grillo, die gehofft hatte, zur stärksten Einzelpartei aufzusteigen, musste sich mit lediglich 21,1 Prozent der Stimmen begnügen. Renzi punktete bei den Italienern mit seinem ambitionierten Reformprogramm im wirtschaftlichen und politischen Bereich, seiner jugendlichen Dynamik und der jüngst beschlossenen Steuersenkung für Niedrigverdiener, die Italienern mit einem Monatseinkommen unter 1.500 Euro pro Monat zusätzliche 80 Euro am Lohnzettel beschert hat.

"Die Italiener haben die Angst besiegt"
Renzi dankte den Italienern am Montag für den unerwarteten Wahltriumph: "Im Duell zwischen Wut und Hoffnung hat die Hoffnung gesiegt", erklärte er bei einer Pressekonferenz in Rom. "Die Italiener haben die Angst besiegt. Jetzt schlägt die Stunde Italiens, das den EU-Vorsitz im Juli übernimmt und einen neuen Kurs in Europa in die Wege leiten kann", so der seit Februar amtierende Premier.

Nach dem Wahlsieg werde sich seine Regierung gleich wieder an die Arbeit machen, um Reformen in Italien durchzusetzen. Die überwältigende Mehrheit, die seine PD bei den EU-Wahlen errungen habe, sei eine "riesige Chance" für Italien, um noch zügiger politische und wirtschaftliche Reformen im Parlament durchzusetzen.

Auflockerung des rigiden EU-Sparkurses als Ziel
"Italien hat einen neuen Messias. Mit einem Volksbeschluss dieser Art muss man den Begriff Populismus überdenken, der bisher auf Berlusconi angewendet wurde. Renzi ist ein großer populistischer Regierungschef. Die Italiener suchten einen Leader und haben Renzi gewählt", kommentierte der Starjournalist Marco Travaglio das Wahlergebnis. Der nunmehrige Erfolg Renzis verleiht Italien kurz vor Beginn seines EU-Vorsitzes mehr Autorität, um in Brüssel auf eine Lockerung der strikten Sparkurs-Regeln zu drängen, damit Italien bei Maßnahmen und Investitionen für Beschäftigung und Wachstum mehr Spielraum erhält.

Renzis PD präsentierte sich im Wahlkampf als zuverlässige, europaorientierte Partei und eroberte damit die Stimmen der verunsicherten Italiener, die zwar noch schwer unter den Folgen der Wirtschaftskrise leiden, dem Populismus Grillos und seine Forderungen nach einem Referendum über einen Euro-Austritt Italiens aber eine Absage erteilten. "Wir sind für ein neues Modell Europas, das auf sozialer Fairness basiert. Wir wollen die EU reformieren, aber nicht auf populistische Weise wie andere Gruppierungen", erklärte der Premier kürzlich.

"Italien hat nun Europa eine große Hoffnung gegeben"
Der 39-Jährige rief am Montag Brüssel zu mehr Solidarität auf. "Kein EU-Land, nicht einmal Deutschland, wird mit den großen Mächten der Welt konkurrieren können, wenn wir in Europa nicht enger zusammenrücken. Wir müssen zusammen die schwierige Lage Europas bewältigen. Italien hat mit dem Wahlergebnis dieser EU-Wahlen Europa eine große Hoffnung gegeben. In Italien hätte es mehr als in anderen Ländern zu einem Erfolg der euroskeptischen Populisten kommen können - dies ist jedoch nicht eingetreten", erklärte der Regierungschef.

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