"Schande"-Rufe

Israel: Wirbel bei Schulz-Rede in der Knesset

Ausland
12.02.2014 17:19
Eine Rede von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz im israelischen Parlament in Jerusalem hat am Mittwoch Tumulte und Beschimpfungen durch rechte Abgeordnete ausgelöst. Mandatare der Siedlerpartei von Wirtschaftsminister Naftali Bennett verließen unter "Schande"-Rufen die Knesset und bezichtigten Schulz der Lüge. Auch Premier Benjamin Netanyahu übte Kritik an den Aussagen des Deutschen.

Schulz, der sich seit Sonntag in der Region aufhält, hatte während seiner Rede gesagt, ein junger Palästinenser habe ihm erzählt, Israelis hätten im Westjordanland einen etwa viermal höheren Anspruch auf Trinkwasser als Palästinenser. Ob das stimme, fragte der EU-Politiker in der Knesset. Daraufhin schrie ihn der Abgeordnete Moti Jogev, ein Parteifreund Bennetts, an: "Schämen Sie sich, Sie unterstützen jemanden, der gegen Juden hetzt."

Außerdem erklärte Schulz, dass die israelische Blockade des Gazastreifens dort Extremisten in die Hände spielen könne, was wiederum eine Gefährdung der Sicherheit Israels zur Folge haben könne. Der EU-Parlamentspräsident führte aus, auch die Palästinenser wollten "in Frieden leben und unbegrenzte Bewegungsfreiheit haben". Dies werde ihnen in Gaza verwehrt.

"Ich akzeptiere keine Lügen von einem Deutschen"
Nach seinem Abgang aus dem Parlament bezichtigte Bennett Schulz auf seiner Facebook-Seite, die Unwahrheit gesagt zu haben. "Ich fordere den Präsidenten des Europäischen Parlaments auf, sich von seinen beiden lügnerischen Äußerungen zu distanzieren", schrieb Bennett. "Ich akzeptiere keine Lügen von einem Deutschen", wurde der Minister zitiert. Schulz müsse sich entschuldigen.

Ein enger Mitarbeiter Bennetts sagte israelischen Medien, sein Parteichef habe nicht wegen Kritik an der israelischen Politik den Saal verlassen. Diese halte er für legitim, auch wenn er sie überhaupt nicht teile. Bennett sei wegen zwei Aussagen von Schulz, die er für "himmelschreiende Lügen" halte, hinausgegangen. Neben falschen Wasserdaten habe der EU-Parlamentspräsident die Restriktionen für Gaza angesprochen - ohne zugleich die unaufhörlichen Raketenangriffe zu erwähnen, denen Israel von dort ausgesetzt sei.

Netanyahu wirft Schulz "selektive Wahrnehmung" vor
Auch Regierungschef Netanyahu warf Schulz eine einseitige Sicht auf den Nahost-Konflikt vor. Dieser verharmlose demnach die Bedrohungen, denen Israel ausgesetzt sei, und erliege "wie so viele Europäer einer selektiven Wahrnehmung". Weiters meinte Netanyahu, Schulz hätte sich vor der Rede über die tatsächlichen Verhältnisse informieren müssen.

Schulz: "Muss auch konfliktträchtige Dinge vortragen"
Schulz verteidigte sich gegen die teils heftige Kritik. Er könne "nicht nur die Dinge sagen, die allen gefallen", sondern müsse "auch die konfliktträchtigen Dinge vortragen", erklärte er der Zeitung "Die Welt". Als Parlamentspräsident sei er verpflichtet, die Position der Europaabgeordneten darzulegen. Die wütende Reaktion einiger Parlamentarier in Jerusalem habe ihn "überrascht und betroffen" gemacht, sagte Schulz weiter, "denn ich habe eine proisraelische Rede gehalten".

Schulz hob hervor, dass "am Ende meiner Rede auch Abgeordnete aus mehreren Fraktionen stehend Beifall geklatscht" hätten, darunter Regierungsmitglieder. Für die Möglichkeit, auf Deutsch in der Knesset sprechen zu können, sei er dankbar - und habe dies auch gleich zu Beginn seiner Rede klargestellt. Tatsächlich hatte Schulz gesagt, ihm sei bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit sei, an diesem Ort auf Deutsch sprechen zu dürfen.

Übergroße Empfindlichkeit in Israel gegenüber Kritik?
Kurz vor seiner Knesset-Rede hatte Schulz noch eine bisweilen übergroße Empfindlichkeit in Israel gegenüber Kritik aus Europa beklagt. "Gegenseitige Kritik ist in Demokratien ganz normal", entgegnete er auf Vorhaltungen israelischer Journalisten. Sie hatten Europa vorgeworfen, Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik zu kritisieren, Menschenrechtsverbrechen wie in Syrien aber nur am Rande zu erwähnen. "Die EU steht zu ihren besonderen Beziehungen zu Israel, aber das bedeutet nicht, dass sie mit jeder Entscheidung der israelischen Regierung einverstanden sein muss", betonte Schulz.

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