Brutal verfolgt

Irak: “Emos” als neues Feindbild radikaler Schiiten

Ausland
11.03.2012 10:40
Im Irak sollen Dutzende Jugendliche gesteinigt oder totgeprügelt worden sein, weil sie Anhänger der aus den USA importierten Jugendkulturbewegung "Emo" sind (im Bild zwei "Emos" in der Stadt Najaf). Verantwortlich dafür seien schiitische Schlägertrupps, die sich "Brigaden des Zorns" nennen, schrieb die italienische Tageszeitung "Corriere della Sera" am Sonntag.

Offizielle Stellen in Bagdad wiesen einen entsprechenden Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zurück, doch Ärzte und Menschenrechtsaktivisten bestätigten ihn. Demnach seien allein in den vergangenen drei Wochen in zwei Spitäler der irakischen Hauptstadt mindestens 14 Leichen von Jugendlichen eingeliefert worden, die Spuren brutaler Gewalt aufwiesen. Sie hatten tiefe Wunden, wie sie durch Steine oder Stöcke hervorgerufen werden.

Das "Vergehen" der Opfer: Sie hörten "Emo"-Musik, kleideten sich im "Emo"-Stil und trugen entsprechende Frisuren. Schiitische Radikale hatten in Flugblättern an die "obszönen" Burschen und Mädchen die Warnung gerichtet, innerhalb von vier Tagen ihre "schmutzigen Gewohnheiten" aufzugeben. Andernfalls werde sie die Strafe Gottes durch die Hand der Mujaheddin ereilen. Zudem soll es "schwarze Listen" geben, auf denen die Namen der "sündigen" Teenager verzeichnet sind.

Vergleich mit "Satanisten"
Die "Emo"-Mode hatte auch den Zorn des irakischen Innenministeriums erregt, das deren Anhänger mit "Satanisten" verglich. Beamte wurden in Schulen geschickt, um "Schuldige" ausfindig zu machen. Radikale Schiiten nahmen dies zum Anlass, um Jagd auf "Emos" zu machen. In den letzten Monaten soll es dabei Dutzende Todesopfer gegeben haben.

Das wird allerdings von den irakischen Behörden zurückgewiesen, die überhaupt die Existenz einer Mordserie am "Emos" bestreiten. Der "Corriere"-Autor wies in diesem Zusammenhang jedoch auf Erklärungen hoher schiitischer Geistlicher hin, die die Gläubigen dazu aufriefen, der Gewalt zu entsagen - was als Beweis für die Richtigkeit seiner Angaben gesehen werden könne.

"Eine Plage für die Gesellschaft"
Ein Sprecher des radikalen Schiitenführers Moqtada al-Sadr nannte die "Emos" "verrückt" und eine "Plage für die Gesellschaft" - das Problem müsse jedoch auf legalem Weg gelöst werden. Auch ein Berater des einflussreichen Ayatollah Ali al-Sistani verurteilte die Morde an den Jugendlichen und verglich sie mit "Terrorakten".

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