Jeder 10. unter 18

Immer mehr Kinder unter Migranten auf Sizilien

Ausland
06.05.2015 09:37
Während Italien mit einer Flüchtlingswelle ohnegleichen konfrontiert ist, wächst die Sorge wegen der großen Zahl von minderjährigen Flüchtlingen, die ohne Begleitung von Erwachsenen eintreffen. Bereits zehn Prozent aller Flüchtlinge auf Sizilien sind unter 18 Jahre alt, viele haben ohne Freunde und Angehörige die gefährliche Reise über das Mittelmeer unternommen. Ihre Zukunft ist ungewiss.

Seit Oktober 2013 sind 4.500 unbegleitete Minderjährige auf Sizilien eingetroffen. Viele von ihnen landen in Flüchtlingseinrichtungen für Jugendliche, wo sie bis zu eineinhalb Jahre verbringen müssen, bis sie identifiziert werden und Asylrecht erhalten. Andere tauchen einfach unter und versuchen auf eigene Faust, Freunde oder Angehörige in anderen europäischen Ländern zu erreichen, und sind dabei großen Gefahren ausgeliefert.

Viele Jugendliche tauchen unter
Simonetta Cascio leitet in Syrakus den Verband ARCI, der sich in der Stadt an der Ostküste Siziliens massiv mit der Flüchtlingsproblematik auseinandersetzt. Das Schicksal minderjähriger Flüchtlinge liegt der ehrenamtlichen Helferin, die sich hauptberuflich mit der Resozialisierung von Gefangenen befasst, besonders am Herzen. Flüchtlingskinder werden vorübergehend Familien oder Einrichtungen anvertraut, verschwinden jedoch nicht selten nach wenigen Tagen.

"Die Gefahren für minderjährige Migranten sind besonders groß", sagt Cascio. Vor allem Jugendliche aus Ägypten, Somalia und Eritrea tauchen häufig unter. Sie suchen sofort nach Schwarzarbeit, um ihren Schleppern das Geld für die Reise nach Italien zurückzahlen zu können. Die italienischen Behörden befürchten, dass viele minderjährige Mädchen auf dem Strich landen.

Wer in den Jugendeinrichtungen für Flüchtlinge bleibt, muss sich auf eine lange Wartezeit gefasst machen, bis er internationalen Schutz erhält. Minderjährige Flüchtlinge genießen in Italien zwar automatisch den Schutz, den die 1989 verabschiedete UNO-Konvention für Kinderrechte vorsieht. Bis sie identifiziert werden und Asylstatus erhalten, kann es aber lange dauern. "Das hat verheerende Folgen, vor allem für Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren. Die meisten wollen eine Schule besuchen und in Frieden leben. In den Flüchtlingseinrichtungen vergeht für sie auf nutzlose Weise lange Zeit, ohne dass sie wirklich etwas für ihre Zukunft tun können. Das generiert Frust", so Cascio.

Frauen und Mädchen häufig Opfer von Zuhältern
In den vergangenen Monaten hat sich die Lage der Minderjährigen auf der Flucht weiter verschlechtert. Die Reise nach Europa ist länger und gefährlicher geworden. Die Migranten müssen meist mehrere Tage lang im Mittelmeer ausharren, bis sie gerettet werden. "Vor allem die Lage der Frauen ist dramatisch. Bei uns sind minderjährige Mädchen eingetroffen, die vergewaltigt wurden und schwanger sind. Sie bitten uns, ihnen zur Abtreibung zu verhelfen. Frauen sind unter den Flüchtlingen besonders schutzbedürftig. Oft sind sie Opfer von Zuhältern, die sie in Europa zur Prostitution zwingen", berichtet Cascio.

Die Betreuung von unbegleiteten Kindern wurde in den vergangenen Jahren verbessert. So wird für minderjährige Flüchtlinge eine Person eingesetzt, die sich um die Fürsorge und um die Zusammenführung mit Familienangehörigen kümmert. "Wir sorgen dafür, dass Kinder zu ihren Verwandten in Italien oder in anderen Ländern finden. Damit haben wir die Zahl der untergetauchten Minderjährigen reduzieren können", so Cascio.

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