Ohne Raubkunst

Gurlitt-Sammlung: Kunstmuseum Bern tritt Erbe an

Ausland
24.11.2014 14:53
Vergangene Woche ist es bereits durchgesickert, am Montag folgte bei einer Pressekonferenz in Berlin die Bestätigung: Das Kunstmuseum Bern tritt das umstrittene Erbe des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt an. Bilder, die unter NS-Raubkunstverdacht stehen, sollen jedoch zunächst für die Klärung ihrer Herkunft in Deutschland bleiben. Die Kosten für etwaige Restitutionen werden von Deutschland getragen.

Die Vereinbarung wurde von der deutschen Kulturstaatsministerin Monika Grütters, dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback und dem Stiftungsratspräsident des Museums, Christoph Schäublin, unter regem Medieninteresse unterzeichnet. Schäublin sagte, die Entscheidung sei dem Stiftungsrat nicht leicht gefallen, und betonte ebenso wie Grütters, dass man nun erst am Anfang eines langen Prozesses stehe.

"Transparenz ist geboten"
Jedenfalls hieß es am Montag von allen Seiten: "Transparenz ist geboten." Daher sollen der gesamte Nachlass und die Geschäftsbücher ab dem Nachmittag auf der Lost-Art-Website eingestellt und zugänglich gemacht werden. Und die rund 240 Arbeiten, die nach bisheriger Erkenntnis der Provenienzforschung der Münchner Taskforce mit hoher Wahrscheinlichkeit Raubkunst sind, sollen auch in Ausstellungen präsentiert werden können, um den möglichen Anspruchstellern den Zugang zu erleichtern. "Hier geht es um Rückgabe", hielt Grütters fest.

Drei Bilder von Max Liebermann, Henri Matisse und Carl Spitzweg, deren Herkunft von der Taskforce bereits geklärt wurde, sollen sofort restituiert werden, so Grütters. Das entspricht auch dem Wunsch des Kunstmuseums Bern: "Es gelten die Washingtoner Prinzipien", so Schäublin. "Über die Schwelle des Kunstmuseums Bern kommen keine Werke, die als Raubkunst einzustufen sind. Sie kommen nicht einmal auf Schweizer Boden."

Museum errichtet nun Forschugsstelle für Raubkunst
Die Taskforce soll der Vereinbarung zufolge ihre Tätigkeit wie bisher fortführen und auch die in Gurlitts Salzburger Wohnung gefundenen Werke nach dem gleichen Muster behandeln. Das Museum wiederum hat sich verpflichtet, die Errichtung einer eigenen Forschungsstelle für Raubkunst einzurichten. Im Falle von "entarteter" Kunst sollen zudem Leihanfragen von deutschen, österreichischen und polnischen Museen von den künftigen Eigentümern prioritär behandelt werden.

Alle Beteiligten zeigten sich bei der Pressekonferenz erleichtert und überzeugt, nach einem halben Jahr nun eine gute Lösung gefunden zu haben. Einzig Bausback hielt fest, dass er auch für den Fall von weiteren Kunstfunden ein vorgegebenes Prozedere möchte. "Wir dürfen uns heute zwar freuen, Lösungen für künftige Fälle muss der Gesetzgeber aber erst noch finden." Vor allem den Verjährungsparagrafen will Bausback in Restitutionsfragen nicht mehr angewandt sehen.

Das Berner Kunstmuseum betonte die Verantwortung, die mit dieser Lösung nun einhergeht. "Triumphgefühle wären völlig unangebracht, angesichts der Geschichte, die auf der Sammlung lastet." Ein "Gefühl verhaltener Vorfreude" bestehe aber natürlich, denn die Sammlung lasse sich hervorragend in jene des Museums integrieren und stelle - auch wenn bei Weitem nicht alle Werke hochkarätig seien - insgesamt auf jeden Fall einen Gewinn dar.

Schweizer Juden begrüßen Vereinbarung
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund und die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz lobten ausdrücklich die am Montag in Berlin bekannt gegebenen Absprachen zum Umgang mit Raubkunst. Sie begrüßten in einer gemeinsamen Erklärung die Zusicherung des Museums, "gemeinsam mit den deutschen Behörden auf vorbildliche Weise sicherzustellen, dass durch die Nazis geraubte, beschlagnahmte oder unter Zwang verkaufte Kunstwerke identifziert und an ihre ursprünglichen Eigentümer oder anderen Erben zurückgegeben werden".

Wenn eine Rückgabe einzelner Kunstwerke nicht möglich sei, sollten diese in Ausstellungen mit einer entsprechenden Beschreibung als Raubkunst gezeigt werden. Man hoffe, dass ein solches Vorgehen auch im Falle einer "Anfechtung des Testaments von Cornelius Gurlitt sichergestellt und ohne Verzögerung umgesetzt wird".

Über 1.500 teils wertvolle Werke
Der inzwischen gestorbene Cornelius Gurlitt, Sohn des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, hatte das Berner Museum als Alleinerben eingesetzt. Seine Sammlung umfasst mehr als 1.500 Bilder, darunter wertvolle Werke etwa von Matisse, Picasso, Renoir und Monet. Unklar ist, ob es vor der weiteren Aufarbeitung der Sammlung noch zu einem juristischen Tauziehen kommen könnte: Eine Cousine Gurlitts, Uta Werner, ficht das Erbe nämlich an.

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