Ein Jahr im Amt

Franziskus: “Der Papst ist ein normaler Mensch”

Ausland
05.03.2014 09:20
"Der Papst ist ein normaler Mensch", zieht Franziskus im Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" eine Bilanz seines ersten Jahres als oberster Hirte der römisch-katholischen Kirche. Er warnt vor der Gefahr einer Idealisierung seiner Figur. "Ich mag keine ideologischen Interpretationen, eine gewisse Mythologie von Papst Franziskus", betonte er. Seinen emeritierten Vorgänger Benedikt XVI. bezeichnete er als weisen "Großvater", der künftig wieder mehr unter die Leute kommen soll.

"Den Papst wie eine Art Superman, eine Art Star darzustellen, scheint mir beleidigend. Ein Papst ist ein Mensch, der lacht, weint, ruhig schläft und wie jeder andere Freunde hat, eine normale Person", erklärte Franziskus, der am 13. März 2013 zum Pontifex ernannt wurde. Er dementierte, dass er nachts den Vatikan verlasse, um den Armen Essen zu bringen. "Das ist mir nie eingefallen", versicherte er.

"Im Seminar hat mir ein Mädchen den Kopf verdreht"
"Corriere"-Chefredakteur Ferruccio De Bortoli befragte den Papst auch zu seiner Jugend. Dabei wollte der Journalist wissen, ob sich Franziskus jemals verliebt habe. "Im Buch 'Der Jesuit' erzähle ich, dass ich mit 17 Jahren eine Freundin hatte. Davon spreche ich auch in 'Il Cielo e la Terra' (Der Himmel und die Erde), dem Buch, das ich mit dem argentinischen Rabbiner Abraham Skorka geschrieben habe. Im Seminar hat mir ein Mädchen eine Woche lang den Kopf verdreht. Das waren Jugendangelegenheiten. Ich habe darüber mit meinem Beichtvater gesprochen", erklärte der Pontifex.

Heimweh nach seiner argentinischer Heimat habe er nicht. "Ich würde gern meine kranke Schwester besuchen, die letzte von uns fünf Geschwistern. Ich würde sie gern sehen, doch das rechtfertigt keine Reise nach Argentinien. Ich rufe sie an, das genügt. Ich glaube nicht, dass ich vor 2016 nach Lateinamerika reisen werde, weil ich bereits in Rio war. Ich muss jetzt ins Heilige Land, nach Asien und nach Afrika fahren", so Franziskus.

"Der emeritierte Papst ist keine Statue im Museum"
Seine Beziehungen zu Benedikt XVI. seien exzellent. Er bitte ihn gelegentlich um Ratschläge. "Der emeritierte Papst ist keine Statue im Museum, er ist eine Institution", so Franziskus. "Benedikt ist der erste emeritierte Papst, und vielleicht wird es andere geben. Das wissen wir nicht. Er ist diskret, bescheiden, er will nicht stören. Wir haben zusammen gesprochen und zusammen beschlossen, dass er Menschen sehen, rausgehen und am Leben der Kirche teilnehmen soll."

Benedikts Weisheit bezeichnete der Papst als "Geschenk Gottes". "Es gibt Leute, die wollten, dass sich Benedikt in eine Benediktinerabtei weit vom Vatikan entfernt zurückzieht. Ich habe dabei an Großeltern gedacht, die mit ihrer Weisheit und ihren Ratschlägen der Familie Kraft geben und es nicht verdienen, in einem Altersheim zu landen", betonte der Papst.

Zu seinen Reformplänen sagte Franziskus, dass er vor seinem Amtsantritt keine Pläne zur Kirchenreform hatte. "Ich habe mein Pontifikat begonnen, indem ich versucht habe, das umzusetzen, was bei der Debatte unter Kardinälen in den verschiedenen Kongregationen aufgetaucht war. Bei meiner Handlungsweise erwarte ich mir, dass mich der Herr inspiriert", erklärte der 76-Jährige.

Missbrauchsskandale: "Kirche tat mehr als jeder andere"
Franziskus sprach auch über die Missbrauchsskandale, die die Kirche erschüttert haben. "Missbrauchsfälle sind fürchterlich, weil sie tiefste Wunden hinterlassen. Benedikt XVI. war sehr mutig und hat einen Weg geöffnet. Die Kirche hat auf diesem Gebiet viel getan, vielleicht mehr als jeder andere. Die Statistiken über das Phänomen der Gewalt gegen Kinder sind beeindruckend, sie bezeugen aber, dass sich die große Mehrheit dieser Missbrauchsfälle im Familien- oder Nachbarkreis ereignet. Die katholische Kirche ist vielleicht die einzige öffentliche Institution, die sich mit Transparenz und Verantwortungsbewusstsein bewegt hat. Niemand anderer hat mehr getan. Doch die Kirche ist die einzige, die attackiert wird", kommentierte Franziskus.

Zum Thema Sterbehilfe meinte der Papst: "Die traditionelle Kirchendoktrin behauptet, dass niemand gezwungen ist, außerordentliche Mittel einzusetzen, wenn man weiß, dass ein Mensch in der Endphase ist. Ich habe stets Palliativbehandlungen empfohlen. In spezifischen Fällen muss man auf den Rat von Experten zurückgreifen."

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