Skepsis in China

Flug MH370: “Detektivarbeit” mit Satellitensignal

Ausland
25.03.2014 15:21
Die komplizierte Analyse der Satellitendaten, die auf einen Absturz der Boeing 777 der Malaysia Airlines im Indischen Ozean hindeutet, stößt in China auf Skepsis. Experten sehen noch keinen schlüssigen Beweis, zumal keine Wrackteile gefunden worden sind. Außerdem fühlt sich Chinas Regierung offenbar überrumpelt durch die rasche Verkündung der tragischen Schlussfolgerungen Malaysias.

Was lässt die Ermittler so sicher sein, dass sie die letzte Spur der Boeing 777 auch tatsächlich gefunden haben? Die Hauptarbeit leistete das britische Unternehmen Inmarsat, das einen weltweiten Mobilfunkdienst über Satelliten betreibt. Nach dem Abschalten der Kommunikationsgeräte an Bord sendete das verschwundene Flugzeug nur noch ein stündliches Signal an den Satelliten - nach dem Motto: "Ich bin hier", während der Satellit ein "Habe dich gesehen" zurückfunkte.

Nur ein "Ping" spricht für den Absturz der Maschine
Anhand dieses "Ping" wurden in der ersten Phase zwei mögliche Korridore nach Norden und nach Süden ermittelt. Das Signal braucht 0,12 Sekunden zum Satelliten in 37.000 Kilometern Höhe über dem Äquator, wie David Stupples, britischer Elektronikprofessor der City University in London, der amtlichen chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua erklärte. Von einer weiter nördlich oder südlich gelegenen Position braucht es entsprechend länger.

"Wir haben die Differenz der Geschwindigkeit benutzt, mit der das Signal vom Flugzeug die feste Position des Satelliten im All erreicht", erklärt Inmarsat-Vizepräsident Chris McLaughlin der britischen Zeitung "Telegraph". Mithilfe des "Doppler-Effekts": "Stellen sie sich vor, wie das Pfeifen eines Zuges lauter wird, wenn er auf sie zukommt, und wieder leiser, wenn er sich weg bewegt."

In der zweiten Phase seien die Signale mit denen anderer Flugzeuge vom Typ Boeing 777 der Malaysia Airlines auf beiden Korridoren verglichen worden. Das identifizierte "Muster" sei noch von anderen Wissenschaftlern gegengeprüft worden. Auch seien die Annahmen über Geschwindigkeit und Verhalten der Maschine mit dem US-Flugzeugbauer Boeing abgeglichen worden. Durch die genaue Eingrenzung sei schließlich die Südroute "als die passendste" ermittelt worden, wie McLaughlin in einem "Telegraph"-Video am Ende - wenn auch etwas ungenau - sagt.

"Völlig ungewöhnliche Suche für uns"
Das Blatt zitiert ihn jedoch an anderer Stelle mit den Worten, die Experten könnten "definitiv sagen, dass das Flugzeug ohne Zweifel die südliche Route genommen habe". McLaughlin räumt aber ein, dass die Suche für sein Unternehmen "völlig ungewöhnlich" gewesen sei. "Es war das erste Mal, das wir gebeten wurden, zu versuchen, etwas anhand eines einzelnen Signals zu finden." Die letzte Spur muss demnach vom Indischen Ozean westlich von Australien gekommen sein. "Wir wussten, dass das Flugzeug seinen Treibstoff vor dem nächsten automatisierten "Ping" aufgebraucht haben musste", sagt McLaughlin.

"Gibt es irgendwelche anderen Beweise?"
Zwar sprach die Staatsagentur Xinhua in einem Bericht aus London von einem "bemerkenswerten Stück hochtechnologischer Detektivarbeit", doch sind Experten in China keineswegs überzeugt. Ohne Trümmerteile seien die Schlussfolgerungen "ein bisschen blind" gezogen worden, heißt es in den Staatsmedien. Es brauche "lange Zeit", um die Ergebnisse zu verifizieren, sagt Luftfahrtexperte Wu Peixin der "China Daily". "Gibt es irgendwelche anderen Beweise?"

Die Geschwindigkeit der Ermittlungen stößt bei Professor Stupples auf Bewunderung. Andere Forschungseinrichtungen hätten wahrscheinlich "drei bis sechs Monate" dafür gebraucht, zitiert ihn Xinhua. Der Pekinger Regierung und den Experten geht es aber alles viel zu schnell. Noch am späten Montagabend wurde Malaysias Botschafter Datuk Iskandar Bin Sarudin ins Außenministerium bestellt. Er bekam die Verärgerung zu spüren, dass Peking zuvor nicht informiert worden war, dass Premier Razak die Ergebnisse verkündet und jede Hoffnung für die 239 Menschen an Bord aufgegeben hat - darunter 153 Chinesen.

In diplomatisch ungewöhnlicher Sprache "forderte" Vizeaußenminister Xie Hangsheng "alle Informationen und Beweise" für die Absturztheorie: "Wir fordern von der malaysischen Seite, die genaue Grundlage zu erklären, auf der sie zu diesem Urteil gekommen ist." Am Dienstag dann schickte China einen erfahrenen Krisenmanager nach Malaysia - ein weiteres Zeichen für die Unzufriedenheit Pekings.

Ermittlungen laufen weiter
Der malaysische Polizeichef Khalid Abu Bakar kündigte unterdessen am Dienstag an, die Ermittlungen zur Ursache des rätselhaften Flugs würden weitergehen. Er ermittle unter anderem wegen Sabotage und Entführung und checkt, ob Besatzungsmitglieder oder Passagiere psychische Probleme hatten. Regierungschef Najib hatte vor zehn Tagen gesagt, es sehe so aus, als seien die Kommunikationssysteme an Bord absichtlich ausgeschaltet worden. Ein technisches Problem wie etwa Druckverlust oder Kabelschwelbrand, der die Piloten mit giftigen Gasen außer Gefecht gesetzt haben könnte, werde auch nicht ausgeschlossen.

Nach der neuen Analyse endete Flug MH370 am 8. März zwischen 1.11 Uhr MEZ und 2.15 Uhr MEZ. Um 1.11 Uhr wurde das letzte volle Signal der Maschine aufgefangen, um 2.15 Uhr erhielt die Bodenstation auf eine automatische Log-on-Anfrage hin keine Antwort mehr. Das entspricht einer Gesamtflugzeit von siebeneinhalb bis achteinhalb Stunden. Genau solange habe auch der Treibstoff an Bord gereicht, sagte der malaysische Verkehrsminister Hishammuddin Hussein am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Da die Region sehr abgelegen und die See sehr rau sei meinte er noch: "Dass dort jemand 17 oder 18 Tage überlebt hat, ist extrem unwahrscheinlich."

Angehörige der Passagiere aufgebracht und wütend
Die Angehörigen und Freunde der Passagiere sind von der Informationspolitik rund um den Flug MH370 empört und brachten dies am Dienstag auch deutlich zum Ausdruck. Sie durchbrachen in Peking eine Polizeiabsperrung vor der malaysischen Botschaft. "Wir wollen die Wahrheit", stand auf einem ihrer Plakate. In einer Erklärung erhoben sie schwere Vorwürfe: "Malaysia Airlines, die malaysische Regierung und das malaysische Militär haben mit Nachdruck und wiederholt versucht, die Wahrheit zu verstecken und zu vertuschen", heißt es darin. "Die Rettungsaktion wurde in die Irre geführt und verzögert." Und: "Wenn unsere Familienmitglieder an Bord deshalb ihr Leben verloren haben, dann sind die malaysische Fluggesellschaft, Regierung und das Militär die wahren Mörder unserer Familienmitglieder."

Vor der malaysischen Botschaft in Peking forderten ebenfalls verzweifelte Angehörige Antworten. "Bringt unsere Verwandten zurück", schrien etwa 200 Hinterbliebene, die zuvor mit geballten Fäusten und Tränen in den Augen Arm in Arm von einem Hotel der chinesischen Hauptstadt zur Botschaft marschiert waren. Dabei beschimpften sie die malaysischen Behörden als "Mörder". Als einige Demonstranten auf anwesende Journalisten losgingen, kam es zu einem Handgemenge mit dem Sicherheitspersonal der Botschaft.

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