Neuer Prozess

Fall Peggy: Verurteilter Mörder ein “Justizopfer”?

Ausland
10.04.2014 15:31
Der Fall Peggy erschütterte ganz Deutschland: Im Mai 2001 verschwand die Neunjährige in Bayern auf dem Heimweg von der Schule. Bis heute fehlt jede Spur von dem Mädchen. Der geistig Behinderte Ulvi K. (re. im Bild) gestand - und wurde wegen Mordes verurteilt. Doch sein - später widerrufenes - Geständis sei unter massivem Druck der Polizei entstanden, erhebt der Anwalt des heute 36-Jährigen schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Sein Mandant sei kein Mörder sondern ein "Justizopfer". Jetzt wird der Fall neu aufgerollt.

Der Fall Peggy ist einer der rätselhaftesten Kriminalfälle in Deutschland. Die Schülerin kehrte im Mai 2001 im fränkischen Lichtenberg nicht von der Schule nach Hause zu ihrer Mutter zurück. Sie ist seitdem spurlos verschwunden, ihre Leiche wurde nie gefunden. In einem ersten Prozess war 2004 der ebenfalls aus Lichtenberg stammende Ulvi K. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Nach damaliger Überzeugung des Gerichts tötete Ulvi K. das Mädchen, weil dieses gedroht habe, ihrer Mutter von einer Vergewaltigung wenige Tage vorher zu berichten. Seine Haftstrafe musste der heute 36 Jahre alte Mann noch nicht antreten, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern sitzt er in der Psychiatrie.

Pannen, Falschaussagen, fehlerhafte Ermittlungen
Der nun neu aufgerollte Prozess begann am Donnerstag mit schweren Vorwürfen gegen Polizei und Staatsanwaltschaft. Der Anwalt des Angeklagten, Michael Euler, warf der Sonderkommission gravierende Pannen vor. Falschaussagen und fehlerhafte Ermittlungsergebnisse seien nicht erkannt worden, sagte er am Donnerstag vor Gericht. Für Ulvi K., den der Jurist als "Justizopfer" bezeichnete, entlastende Ergebnisse seien auf Nebenakten verteilt worden, ohne dies dem Gericht bei dem Prozess vor zehn Jahren mitzuteilen.

So bestritt Euler, dass es die als Mordmotiv vermutete Vergewaltigung überhaupt gegeben haben kann. Sowohl Peggys Mutter als auch ihre Turnlehrerin, die das Mädchen kurz nach dem mutmaßlichen Übergriff gesehen hätten, hätten nichts Auffälliges an der Neunjährigen erkannt. K. habe in den Vernehmungen zudem weder die Kleidung des Mädchens noch körperliche Auffälligkeiten richtig beschreiben können.

Verteidiger: "Mandant gut führbar wie verführbar"
Dass K. zum Mord ein später von ihm widerrufenes Geständnis ablegte, begründete der Verteidiger mit "Suggestion" durch die Polizisten. Sein Mandant sei "gut führbar wie verführbar" gewesen. Die Polizisten hätten ihn mit dem Versprechen zum falschen Geständnis gebracht, dass er dann nicht ins Gefängnis, sondern in ein Krankenhaus komme.

Auch die mögliche Falschaussage eines mittlerweile verstorbenen Belastungszeugen beschäftigt nun das Gericht: Im ersten Prozess hatte ein zeitweilig zusammen mit Ulvi K. in der Psychiatrie untergebrachter Mann ausgesagt, dieser habe ihm gegenüber den Mord gestanden. Ein als Zeuge vernommener Richter, dem gegenüber der Mann die Falschaussage zugab, bezeichnete dies als glaubwürdig.

Zweifel an für Urteil maßgeblichem Gutachten
Weiterer Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens sind Zweifel an einem für das Urteil maßgeblichen Gutachten. Der Gutachter ging damals davon aus, dass die Ermittler keine Hypothese zum Tathergang aufgestellt hatten und folglich K. keinen Tatablauf suggerieren konnten. Doch mittlerweile steht fest, dass es solch eine Tathergangshypothese gab - und diese frappierend dem widerrufenen Geständnis ähnelt.

In dem Fall tritt auch Peggys Mutter als Nebenklägerin auf. Durch ihre Anwältin ließ sie erklären, sie sei dankbar für den neuen Anlauf. "Wir hoffen, dass am Ende ohne Zweifel feststeht, was passiert ist", sagte Rechtsanwältin Ramona Hoyer. Außerdem sehe es ihre Mandantin als großes Glück, dass nach ihrer Tochter nun wieder gesucht wird - damit habe sie es besser als andere Eltern von vermissten Kindern.

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