"Ikone entworfen"

EZB-Neubau in Frankfurt: Protzbau für den Euro

Ausland
16.08.2014 17:00
Mit einem milliardenschwere Tempel aus Stahl und Glas in Frankfurt schuf der Wiener Stararchitekt Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au sich und den EU-Bankern ein Denkmal.

Ein Hauch von Döner Kebab liegt in der drückend schwülen Großstadtluft, von der nahen Container-Verladestelle bläst eine Diesellok, die mit der Last der tonnenschweren Container kämpft, eine Rußwolke vorbei. Wer sich vom Regionalbahnhof kommend dem Frankfurter Stadtteil Ostend nähert, um einen Blick auf die atemberaubende Skyline der deutschen Finanzmetropole zu werfen, wird von einer ungewöhnlichen Geruchskulisse in Empfang genommen.

Ungewöhnlich nicht für einen Arbeiterbezirk, wohl aber für den neuen Standort der europäischen Zentralbank. Denn seit bald zehn Jahren sind die Verschubarbeiter, Imbissstubenbesitzer und Langzeitarbeitslosen in dem, was die Deutschen Kiez und wir Grätzel nennen, nicht mehr unter sich. Mitten im Vorstadtbezirk, abseits der anderen riesigen Finanztürme von "Mainhatten", entsteht eines der ambitioniertesten und auch umstrittensten Architekturprojekte Europas: der neue Protzpalast für den Euro – oder wie es offiziell heißt: das Hauptquartier der Europäischen Zentralbank.

Hüter des EU-Geldes bauen sich ein Denkmal für die Ewigkeit
Rettungsschirme hin, Währungskrisen her. Wenn es darum geht zu repräsentieren, sind die Taschen der Brüsseler Bürokraten plötzlich wieder gefüllt. Mit den beiden aus insgesamt 45 Stockwerken bestehenden Doppeltürmen aus Glas und Stahl (Gesamthöhe inklusive Antenne: 201 Meter) wollen sich die Hüter des EU-Geldes ein Denkmal für die Ewigkeit setzen.

Derzeit werden in den Wänden noch Hunderte Kilometer an Glasfaserkabeln verlegt und die Büros Etage nach Etage mit Klimageräten und mit in Steingrau gehaltenem Mobiliar ausgestattet. Doch wenn die ersten Finanzexperten Ende des Jahres in das 1,2 Milliarden Euro teure Gebäude einziehen, dann haben sich nicht nur EZB-Chef Mario Draghi und seine sechs Direktoren den Eintrag in die Geschichtsbücher gesichert, sondern auch ein 71-jähriger Wiener. Wolf D. Prix, seines Zeichens Stararchitekt und Gründer des Architekturbüros Coop Himmelb(l)au.

Stararchitekt pendelt zwischen den Kontinenten
Was hat "der Herr Professor" nicht schon alles gebaut. Die BMW-Welt in München verschaffte ihm einst international den Durchbruch. Seither pendelt er zwischen Ländern und Kontinenten. Er baut Messezentren der Superlative in China, Konzerthäuser in Dänemark, und die Amerikaner lieben seinen Stil sowieso. Aber die "vertikale Stadt" in Frankfurt soll sein spätes Meisterstück sein.

"Ich war in Mexiko am Strand, als der Anruf kam, dass wir den Wettbewerb gewonnen haben", erinnert sich der graumelierte Zigarrenliebhaber jüngst in einem Interview an ein lange herbeigesehntes Telefonat im Jahr 2004.

Distanz zu anderen Banken soll Unabhängigkeit demonstrieren
Seit dem ersten Spatenstich wurde beim Bau des 184.000-Quadratmeter-Riesen nichts dem Zufall überlassen. Das begann schon bei der Wahl des Standortes. Denn die Lage am nördlichen Ufer des Mains war natürlich Teil des Gesamtkonzepts. Weit weg von den anderen Bankenniederlassungen sollte die EZB residieren und damit Distanz und die nötige Unabhängigkeit demonstrieren. Als Fundament dient eine historische Großmarkthalle, was wohl auch als Symbol verstanden werden soll. "Das Spannendste ist aber der Raum zwischen den Türmen, das Atrium", erklärt der österreichische Baukünstler. Die Querverbindungen sollen die Wege von einem Büro zum anderen möglichst kurz und barrierefrei halten.

Nach außen hin sollen die Glasfassaden "zerrissen und verkeilt" wirken und quasi die hochkomplexen Abläufe im Finanzwesen widerspiegeln. Böse Zungen hingegen meinen, der derzeit noch von Baukränen umringte Wolkenkratzer mit seinem schrägen Dach wirke dadurch so fragil, wie sich die Gemeinschaftswährung auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise gezeigt habe. Doch Kritiker lassen Prix schon lange kalt. Er weiß, dass er einer der meistgefragten Architekten der Welt ist, und versucht sich schon gar nicht bescheiden zu geben. Er fährt einen silberfarbenen Porsche, und zu den geschätzten 1,2 Milliarden Euro Baukosten äußert er sich aus Prinzip nicht. Schließlich sei das alles ja nicht nur eine Frage des Budgets: "Das Ziel war es, eine Ikone zu entwerfen." Und zumindest das dürfte ihm zweifelsfrei gelungen sein.

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