Umstrittene Reform

Druck aus China: Spanien pfeift Richter zurück

Ausland
12.02.2014 18:37
Die spanische Justiz wird zahlreiche Fälle internationaler Menschenrechtsverletzungen, die sie derzeit noch verfolgt, bald zu den Akten legen müssen. Das Abgeordnetenhaus nahm am Dienstagabend einen von der Regierung unter Premier Mariano Rajoy (Bild) eingebrachten Entwurf für eine Gesetzesreform zur Einschränkung des Prinzips der universellen Rechtsprechung an. Die linksgerichtete Opposition warf der Regierung vor, sich "dem Druck mächtiger Länder" zu beugen. Gemeint ist vor allem China.

Die Reform soll nach Vorstellung der konservativen Regierung schon in etwa zwei Monaten in Kraft treten. Dann wird die spanische Justiz nur noch ermitteln dürfen, wenn Täter und Opfer Spanier beziehungsweise in Spanien lebende Ausländer sind. Denn erst am Montag hatte ein Richter am Nationalen Gerichtshof in Madrid unter dem Vorwurf des Völkermordes in Tibet in den 1980er und 1990er-Jahren Haftbefehle für den früheren chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin (87), Ex-Premier Li Peng (85) und drei weitere ehemalige Führer des asiatischen Landes erlassen.

China drohte Spanien mit Konsequenzen
Peking hatte Madrid schon vor Monaten deutlich gemacht, dass die Ermittlungen der spanischen Justiz eine ernsthafte Gefahr für die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern darstellten. Und Ärger mit dem Wirtschaftsgiganten ist das Letzte, das Spanien mit seiner kriselnden Wirtschaft und einer Arbeitslosenquote von 26 Prozent derzeit brauchen kann. China ist ein erfolgversprechender Absatzmarkt für spanische Produkte, 600 spanische Firmen, darunter die Großbank Santander, sind in dem fernöstlichen Riesenreich aktiv.

Rajoys konservative Volkspartei bestritt am Mittwoch jedoch den Vorwurf, dem Druck Pekings nachgegeben zu haben. "Es ging uns darum, die Befugnisse der Richter klarer einzugrenzen", sagte der Abgeordnete José Miguel Castillo. "Das bisherige System hatte falsche Erwartungen geweckt." Es seien Fälle aufgegriffen worden, bei denen keine Aussicht bestanden habe, jemanden vor Gericht zu stellen.

Die Reform könnte nun zur Folge haben, dass die spanische Justiz auch andere Ermittlungen zu internationalen Menschenrechtsvergehen einstellen muss. Dazu gehören Verfahren wegen des Verdachts des Völkermords in Ruanda und der Westsahara, wegen eines israelischen Angriffs auf eine Flotte von Hilfsschiffen für den Gazastreifen oder Ermittlungen gegen Wachmänner in NS-Konzentrationslagern, in denen auch Spanier inhaftiert waren.

"Weltgerichtshof Madrid" vor dem Ende
Die spanischen Richter hatten bisher als Vorreiter im weltweiten Kampf gegen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverstößen gegolten. Richter Baltasar Garzon etwa ließ 1998 den chilenischen Ex-Diktator Augusto Pinochet in London festnehmen und hätte beinahe dessen Auslieferung erreicht. Auch gegen frühere Militärherrscher in anderen Ländern wurde in Spanien ermittelt. Zuweilen war - scherzhaft - von einem "Weltgerichtshof Madrid" die Rede.

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