"Dumme" Sanktionen

Deutscher Altkanzler Schmidt verteidigt Putin-Kurs

Ausland
26.03.2014 18:05
Russlands Präsident Wladimir Putin steht im Zuge der Krim-Annexion am internationalen Pranger: Einer, der das Vorgehen des Kremlchefs auf der Schwarzmeer-Halbinsel allerdings gut nachvollziehen kann, ist der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt. Die von der EU und den USA beschlossenen Sanktionen bezeichnete der 95-Jährige hingegen am Mittwoch als "dummes Zeug". Putin ist unterdessen in seiner Heimat beliebt wie seit Jahren nicht, wie aus einer aktuellen Umfrage hervorgeht.

Das Vorgehen von Putin sei "durchaus verständlich", sagte Schmidt der Wochenzeitung "Die Zeit", deren Herausgeber er ist. Zugleich kritisierte er das Verhalten des Westens im Krim-Konflikt scharf. Weiter gehende wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland würden ihr Ziel verfehlen. Auch sie hätten vor allem symbolische Bedeutung, treffen nach Schmidts Einschätzung "den Westen genauso wie die Russen".

Situation "gefährlich, weil Westen sich furchtbar aufregt"
Schmidt nannte die Situation in der Ukraine "gefährlich, weil der Westen sich furchtbar aufregt". Dies führe dazu, "dass diese Aufregung des Westens natürlich für entsprechende Aufregung in der russischen öffentlichen Meinung und Politik sorgt". Zugleich lobte der 95-Jährige die vorsichtige Politik von Kanzlerin Angela Merkel.

Für falsch hält der deutsche Altkanzler auch den Beschluss des Westens, die Zusammenarbeit mit Russland im Rahmen der G-8 einzustellen. "Es wäre ideal, sich jetzt zusammenzusetzen. Es wäre jedenfalls dem Frieden bekömmlicher als das Androhen von Sanktionen", so Schmidt. "Die G-8 ist in Wirklichkeit nicht so wichtig wie die G-20. Aus der G-20 hat man die Russen bisher nicht rauskomplimentiert."

Über eine mögliche Invasion Russlands auch im Osten der Ukraine wollte Schmidt unterdessen nicht spekulieren. "Ich halte es für denkbar, aber ich halte es für einen Fehler, wenn der Westen so tut, als ob das zwangsläufig der nächste Schritt sei", sagte Schmidt. "Das führt dazu, dass er möglicherweise auf russischer Seite den Appetit anregt."

Putin-Befürworter im Aufwind
Mit Schmidts Wortmeldungen würden nun jedenfalls diejenigen Unterstützung bekommen, die in der Debatte um Verständnis für Moskau werben, schreibt etwa der "Spiegel". So hatte sich in Deutschland zuvor auch Ex-Kanzler und Schmidts Parteifreund Gerhard Schröder ähnlich geäußert und Europa eine Mitschuld an der Krim-Krise gegeben.

Keine Sorgen um mangelnde Unterstützung muss sich der Kremlchef in seiner Heimat machen. Putin ist bei den Russen derzeit so beliebt wie seit Jahren nicht. Vier von fünf Bürgern unterstützen den politischen Kurs ihres Staatschefs, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage des Instituts Lewada ergab.

"Rekordunterstützung" für Putin in Russland
Denis Wolkow vom Lewada-Zentrum sprach von einer "Rekordunterstützung", seitdem die russischen Truppen 2008 in den Konflikt um die von Georgien abtrünnige Region Südossetien eingegriffen hatten. Damals lag Putins Popularität in Russland bei 88 Prozent.

Der Experte machte die jüngst erfolgte Annexion der Krim durch Russland und die Olympischen Winterspiele für den Schub verantwortlich. Die prestigeträchtigen Spiele hatten in Sotschi am Schwarzen Meer stattgefunden. Wolkow sprach von einem wachsenden "Patriotismus", der durch diese Ereignisse ausgelöst worden sei.

Russland hatte sich die Krim in den vergangenen Tagen einverleibt, nachdem die dortigen Bewohner in einem Referendum für die Angliederung an Russland gestimmt hatten.

Klitschko warnt vor feindseliger Haltung gegenüber Russen
Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Vitali Klitschko hat indes vor Hass zwischen den Menschen in der Ukraine und Russland gewarnt. "Wir müssen einen Unterschied machen zwischen der russischen Politik und der russischen Bevölkerung. Es darf zwischen den Völkern der Ukraine und Russlands kein Hass geschürt werden", schrieb Klitschko in einem Gastbeitrag für die "Bild"-Zeitung (Donnerstagsausgabe).

Die russische Bevölkerung werde "mit reiner Propaganda gegen die Ukraine aufgehetzt". Die meisten wüssten nicht, "was wirklich in der Ukraine passiert" sei. Klitschko reagierte indirekt auf aggressive Äußerungen der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko (siehe Story in der Infobox). "Ich halte es für gefährlich, wenn Einzelne jetzt sagen, dass die Russen 'fertig gemacht' werden müssten, notfalls mit Waffen", erklärte der Präsidentschaftskandidat. Dies sei "unverantwortlich und besorgniserregend".

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