Vor Antrag bei UNO

Arabische Welt erstmals geeint für Staat Palästina

Ausland
16.09.2011 12:18
Für das seit Jahrzehnten erfolglose Streben der Palästinenser nach einem eigenen Staat ist der revolutionäre Sturm, der seit Jahresbeginn über der arabischen Welt tost, günstig. Wenn Präsident Mahmoud Abbas nächste Woche vor der UNO-Vollversammlung eine Abstimmung über die Anerkennung eines arabischen Staates Palästina in den Grenzen von 1967 fordert, werden die arabischen Länder mehr oder weniger geschlossen hinter ihm stehen. Das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Beim Thema Palästina galt in den vergangenen Jahren stets das arabische Sprichwort: "Die Araber haben sich darauf geeinigt, sich nicht zu einigen." Syrien etwa schwang meist blumige Reden über den "legitimen Widerstand gegen Israel", schürte aber gleichzeitig den Zwist zwischen den gemäßigten und den radikalen Palästinensergruppen.

Die Ägypter wiederum boten sich unter Präsident Hosni Mubarak zwar immer wieder als Vermittler im Nahost-Konflikt an, bei vielen westlichen Diplomaten verfestigte sich dabei jedoch der Eindruck, dass sie dies vor allem wegen der Entwicklungshilfe taten - und um von Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land abzulenken. Saudi-Arabien schließlich startete 2002 eine arabische Friedensinitiative - und hielt zuletzt deutlichen Abstand zum Nahost-Konflikt.

Analyse: Feindseligere Haltung zu Israel vorteilhaft
Doch die vergangenen neun Monate haben den arabischen Herrschern eindrücklich vor Augen geführt, dass eine Politik, die den Willen der Mehrheit der Bevölkerung ignoriert, höchst riskant sein kann. Seitdem buhlen sogar Könige - wie Mohammed VI. in Marokko oder Abdullah II. in Jordanien - bei ihren Untertanen um Sympathiepunkte.

Was wäre da günstiger, als sich gegen den Staat Israel zu stellen, dessen Besatzungspolitik den Arabern von Marrakesch bis Damaskus ohnehin verhasst ist? In einer aktuellen Analyse der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden in Washington heißt es dazu: "Die arabischen Regime im neuen Nahen Osten werden mehr Rücksicht auf die Ansichten ihrer jeweiligen Bevölkerung nehmen und damit eine feindseligere Haltung als bisher zu Israel einnehmen müssen."

Amman: "Unverständlich und nicht zu rechtfertigen"
"Es ist unverständlich und nicht zu rechtfertigen, dass Israel und die USA Strafmaßnahmen gegen die Palästinenser ins Auge fassen, falls die Palästinenserführung ihren Plan in die Tat umsetzen und internationale Anerkennung für einen unabhängigen Staat suchen sollte", kommentierte denn auch die regimefreundliche englischsprachige Tageszeitung "Jordan Times" am Donnerstag in Amman.

Als die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton diese Woche in Kairo erklärte, die Europäer seien zwar auch für einen palästinensischen Staat, sie bevorzugten jedoch eine Lösung des Nahost-Konfliktes durch Verhandlungen, erntete sie bei der Arabischen Liga allgemeine Verständnislosigkeit.

Jahrelange Verhandlungen nur Ablenkungsmanöver?
Denn sowohl die Palästinenser als auch die anderen Araber sind inzwischen davon überzeugt, dass Israel die Verhandlungen in den vergangenen Jahren nur als Hinhaltetaktik und Ablenkungsmanöver geführt habe. Ziel sei es demnach immer gewesen, ungestört Siedlungen in den besetzen Gebieten vergrößern zu können.

In den zurückliegenden 15 Jahren ist nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B'tselem die Zahl der Siedler im Westjordanland (ohne Ostjerusalem) von 140.000 auf 300.000 gestiegen. Deshalb hatten die Araber zuletzt auch einen Siedlungsbaustopp als Beweis für die Ernsthaftigkeit des israelischen Verhandlungspartners eingefordert. Doch dieses Versprechen konnte den Israelis nicht einmal deren stärkster Verbündeter USA abtrotzen.

Kairo: "Camp-David-Abkommen ist nicht sakrosankt"
Die nunmehrigen Versuche Israels und der USA, die Palästinenser durch massiven Druck von ihrem Antrag auf eine UNO-Vollmitgliedschaft abzubringen, rufen in der arabischen Welt jedenfalls Empörung hervor. Der Premier der ägyptischen Übergangsregierung, Essam Sharaf, stellte sogar erstmals den 1979 mit Israel geschlossenen Friedensvertrag in Frage. "Das Camp-David-Abkommen ist nicht sakrosankt", sagte Sharaf am Donnerstag im türkischen Staatsfernsehen.

In Jordanien verbrannten Hunderte Demonstranten in Amman israelische Flaggen und verlangten in Sprechchören den Abbruch der diplomatischen Beziehungen sowie die Aufkündigung des jordanisch-israelischen Friedensvertrages von 1994. Ägypten und Jordanien sind nach wie vor die einzigen arabischen Staaten, die diplomatische Beziehungen mit Israel unterhalten Die israelische Regierung hat ihren Botschafter in Erwartung von Ausschreitungen vorsichtshalber vorübergehend abgezogen.

USA und Israel blocken und drohen Palästinensern
Indes sagte US-Regierungssprecher Jay Carney am Donnerstag in Washington, eine Anerkennung durch die Vereinten Nationen bringe "die Palästinenser einem eigenen Staat nicht näher. Wir glauben, dass dies ihrem Ziel sogar zuwiderläuft." Der palästinensische Plan sei "nicht im Interesse des Friedensprozesses in Nahost". Nötig seien "direkte Verhandlungen mit den Israelis".

Für die Palästinenser ist die internationale Anerkennung ihrer Eigenstaatlichkeit Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Nahost-Friedensprozesses. Israel wiederum hat gedroht, im Falle eines Antrags auf Anerkennung eines Palästinenserstaates bei der UNO sämtliche Verträge mit den Palästinensern zu annullieren. Und die USA drohen, ihre jährliche Finanzhilfe von 450 Millionen Dollar zu streichen.

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