Präsentation in "GQ"

Unfallopfer mit neuem Gesicht endlich glücklich

Ausland
29.07.2014 13:30
Vom entstellten Unfallopfer zum Covermodel: Richard Lee Norris beweist im "GQ"-Magazin, wie erfolgreich die umfangreichste Gesichtstransplantation der Welt verlaufen ist. Endlich werde er nicht mehr angestarrt, so der 39-Jährige, der für den Rest seines Lebens Angst vor einer Abstoßung haben muss. Alle Gefahren, Operationen und Untersuchungen nehme Norris aber bewundernswert hin, so einer seiner Ärzte. Schließlich könnten auch verwundete Soldaten und andere entstellte Personen von den Erkenntnissen aus der Mega-OP profitieren.

Seit 1997 versteckte sich Richard Lee Norris vor der Welt. Der damals 22-Jährige kam betrunken nach Hause, stritt mit seiner Mutter und hantierte mit seiner Schrotflinte. Es löste sich ein Schuss, der Norris' Leben für immer verändern sollte: Der junge Mann verlor das halbe Gesicht.

Erst nach 15 Jahren kam eine revolutionäre Operation: 150 Ärzte und Krankenschwestern implantierten ihm im März 2012 in 36 Stunden ein vollständiges Gesicht - vom Haaransatz bis zum Hals, mit Ober- und Unterkiefer, Nase, Zähnen und Zunge.

Norris' Überlebenschancen standen 50:50. Dass die bis heute umfangreichste Gesichtstransplantation erfolgreich war, kann nun jeder bewundern: Norris ist neues Covermodel des Männermagazins "GQ".

15-jährige Leidensgeschichte
Im zugehörigen Artikel erzählen Norris, seine Mutter und die Ärzte vom langen Weg des 39-Jährigen. Vor der Transplantation hatte Norris 15 Jahre lang sowohl mit der Grausamkeit von Fremden bei seinem Anblick zu kämpfen, die zu Drogenproblemen und Selbstmordversuchen führte, als auch mit zahlreichen Operationen. Irgendwann sei allerdings der Punkt erreicht gewesen, an dem ihm mit herkömmlichen Methoden nicht mehr zu helfen war, so Norris in "GQ". So hätten die Ärzte etwa keine Möglichkeit, Augenlider oder Lippen nachzubilden, weshalb ihm schließlich eine Gesichtstransplantation als letzte Möglichkeit angeboten worden sei.

Dass sich das University of Maryland Medical Center daran versuchen konnte, lag an der Subventionierung durch das Office of Naval Research, einer Einrichtung für Forschung der US-Streitkräfte. Schließlich könnten die Erkenntnisse auch zahlreichen im Kampf verwundeten Soldaten zugutekommen.

Medikamente bergen auch Gefahren
Auf Norris lastet demnach besondere Verantwortung. Da der Körper des Empfängers das Gesicht immer als Fremdkörper wahrnimmt und abzustoßen versucht, muss Norris für den Rest seines Lebens Medikamente einnehmen. Diese schwächen aber zugleich sein Immunsystem, was ihn für viele Krankheiten anfällig macht. Zudem darf er sich keinen Sonnenbrand holen und keine Verletzungen riskieren sowie weder Alkohol trinken noch rauchen. Ausnahmen bestätigen laut "GQ" allerdings die Regel, Norris halte sich nicht sklavisch an diese Vorgaben, auch wenn eine Abstoßung höchstwahrscheinlich tödlich wäre.

Doch Norris nehme alle Strapazen mit bewundernswertem Engagement hin, erklärte einer der Operateure, Eduardo Rodriguez gegenüber "GQ". Der 39-Jährige habe trotz der Gefahren der OP nie an sich gedacht, sondern daran, die Medizin voranzubringen - für verwundete Soldaten und andere Menschen mit enstellten Gesichtern. "Er ist ein bemerkenswerter Mann", so Rodriguez.

Empfänger "demütig" gegenüber Spender
Dass er das Risiko auf sich genommen habe, sei seine Entscheidung gewesen, erklärt Norris' Mutter Sandra. "Wir haben Richard angesehen und ihm gesagt, dass wir ihn so lieben, wie er war, und dass es uns nicht wichtig war (wie er aussah; Anm.), aber es war sein Leben. Das war es, was er wollte, und wir haben ihn unterstützt." Er fühle sich "demütig", dass die Spende des 21-jährigen Joshua Aversano - er war überfahren worden - sein Leben verändert habe, so Norris.

Er könne nun endlich wieder unter Leute gehen, auch wenn die volle Genesung noch Zeit brauchen wird. Schließlich muss sich der 39-Jährige erst daran gewöhnen, zu essen und mit Zunge und Zähnen zu sprechen. Zudem sind noch einige weitere Operationen nötig, um etwa überschüssiges Gewebe an den Augenlidern zu entfernen.

Jeden Morgen Angst vor Abstoßung
Norris' größte Angst ist nun verständlicherweise, dass sein Körper das fremde Gesicht doch noch abstößt: "Jeden Tag wache ich mit der Angst auf: Ist dies der Tag? Der Tag, an dem ich einen Zustand der Abstoßung bekomme, der so schlimm ist, dass die Ärzte nichts mehr daran ändern können?"

Auch Rodriguez ist sich der Gefahr bewusst. Und selbst wenn alles gutgehe, lebe ein transplantiertes Gesicht wohl nicht länger als 20, 30 Jahre. Doch der Arzt hat vorerst ein niedrigeres Ziel gesteckt: "Ich würde gern die Zehn-Jahres-Marke mit Richard erreichen. Natürlich können wir nichts versprechen, aber zehn Jahre wären toll."

"Jetzt schenkt mir niemand mehr Beachtung"
Doch Norris erklärt, er versuche, sich von den Ängsten nicht zu sehr in Beschlag nehmen zu lassen. Schließlich sei er bei den Ärzten in sehr guten Händen und dankbar für die ständigen Kontrollen als "Laborratte". Nicht zu vergessen: Er kann nun endlich nach draußen gehen, ohne gedemütigt zu werden. "Als ich entstellt war, war ich erstaunt, dass manche Leute nicht in Telefonmasten gelaufen sind oder sich das Genick gebrochen haben, weil sie mich so angestarrt haben. Jetzt schenkt mir niemand mehr Beachtung." Und das sei schließlich das Ziel all der Mühen gewesen, so Norris glücklich.

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