Nach Turbulenzen

Faymann und Mitterlehner demonstrieren Einigkeit

Österreich
02.09.2014 14:43
Die Koalition will künftig verstärkt gemeinsame Lösungen präsentieren und weniger auf "unterschiedliche Profilierung" setzen. Das hat Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Dienstag nach seinem ersten Ministerrat in neuer Funktion gesagt. Die "Leitlinien" dafür will man laut Kanzler Werner Faymann bei einer Klausur am 26./27. September festlegen. In Sachen Steuerreform zeigten sich beide Seiten pragmatisch. Auch bei der anschließenden Sondersitzung des Nationalrats herrschte demonstrative Einigkeit.

Faymann dankte seinem neuen ÖVP-Gegenüber Mitterlehner im Pressefoyer nach der Regierungssitzung für die rasche Entscheidung über die Nachfolge des vorigen Dienstag zurückgetretenen Vizekanzlers Michael Spindelegger. Mitterlehner meinte, eine "zeitnahe" Nachfolgeentscheidung sei gerade angesichts der sich zuspitzenden Ukraine-Krise notwendig gewesen: "Da brauchen wir, was die Positionierung angeht, nicht interimistische Lösungen, sondern da brauchen wir ein voll handlungsfähiges Team."

Nun werde man "langfristige Reformprojekte mit aller Kraft angehen", kündigte Mitterlehner an. Ein Thema für dieses "Durchstarten" wird seinen Angaben zufolge die Bildungspolitik sein, wo der neue ÖVP-Chef mögliche Reformen zuerst innerhalb der Partei und dann mit dem Koalitionspartner diskutieren möchte - und zwar ohne "Tabus" und unter Berücksichtigung der Rechnungshofkritik an der "Neuen Mittelschule". Bisher habe man hier nämlich "Pattstellungen" gehabt, so Mitterlehner.

Lösung in puncto Steuerreform soll bis März stehen
Für die Steuerreform versicherten sowohl Faymann als auch Mitterlehner, bis kommenden März eine Lösung finden zu wollen. Bis dahin werde man sich nicht mit Festlegungen gegenseitig blockieren, sagte Mitterlehner: "Das haben wir schon gehabt." Und: "Es nützt uns beiden, wenn wir ein Ergebnis zustande bringen."

Äußerst pragmatisch hatte sich bereits vor dem Ministerrat die neue SP-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser gezeigt. Sie wollte sich nämlich nicht darauf festlegen, dass die Entlastung auf jeden Fall durch Vermögenssteuern gegenfinanziert werden muss. "Wesentlich ist eine Lohnsteuersenkung", sagte die frühere ÖGB-Vizechefin. Woher das Geld dafür komme, sei ihr "egal".

Gegenfinanzierung wirft derzeit viele Fragen auf
Faymann betonte diesbezüglich, man werde sich in Sachen Gegenfinanzierung nicht in tiefe Gräben eingraben. Wesentlich sei die Senkung der ungerechtfertigt hohen Steuersätze für Arbeitnehmer. "Das steht im Vordergrund", so der Bundeskanzler. Und Mitterlehner betonte, ein Steuerreformvolumen von sieben bis zehn Milliarden Euro sei schon "rein rechnerisch" nicht ausschließlich durch Vermögenssteuern zu finanzieren. Daher brauche es eine Aufgabenreform, um den nötigen Spielraum zu schaffen und danach "eventuell" noch eine Gegenfinanzierung - aber: "Über das wird man am Schluss diskutieren, nicht am Anfang."

Zuversicht für weiteren Fortgang der Regierungsarbeit
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner legt ihre neue Rolle als Koalitionskoordinatorin der ÖVP "optimistisch" an, wie sie vor der Regierungssitzung sagte. Auch generell zeigte sie sich zuversichtlich für den weiteren Fortgang der Regierungsarbeit. "Wer unseren Parteichef kennt, weiß, dass er ein gelernter Sozialpartner ist", und dies werde Mitterlehner auch als Vizekanzler und ÖVP-Chef leben. Allerdings müsse auch der Koalitionspartner in diesem Sinne agieren.

Auch während der Sondersitzung des Nationalrats herrschte dann demonstrative Einigkeit zwischen den Regierungspartnern. Faymann und Mitterlehner dankten dem zurückgetretenen Spindelegger und seinem Staatssekretär Jochen Danninger noch einmal für ihre Arbeit - und zeigten sich überzeugt, dass die neuen Regierungsmitglieder ihre neuen Funktionen auch gut meistern werden.

Gemeinsames Ziel: Vertrauen in Politik zurückgewinnen
Faymann richtete an die Abgeordneten die Bitte, dem neuen Regierungsteam die "nötige Chance einzuräumen" und die Regierung zwar "hart zu kontrollieren, aber fair zu unterstützen". Sowohl der Kanzler als auch sein Vize sprachen von einer neuen "Aufbruchsstimmung". Mitterlehner sah es als die "hervorragendste Aufgabe" für sich, aber auch "für uns alle", das Vertrauen der Österreicher in die Politik zurückzugewinnen.

Dafür sei es nötig, Lösungen in einem argumentativen Wettbewerb zu erarbeiten - und nicht einen "Wettbewerb der Grobheiten" auszutragen und alles für schlecht zu erklären. Und es gelte laut dem Vizekanzler, "da und dort das Gemeinsame über das Trennende zu stellen. Bei diesen Herausforderungen geht es nicht mehr um Lagerbildung, sondern um die Zukunft".

Viel Skepsis, vereinzelt Hoffnung bei der Opposition
Die Opposition sieht dem ausgerufenen Neustart der Koalition mit viel Skepsis entgegen, auch wenn die Grünen eine allerletzte Chance für die Regierung erkannten. Das neue Personal ist für Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig an sich nicht schlecht. Die Freiheitlichen wiederum stellten einen Misstrauensantrag gegen das neue Kabinett, das keine Merhheit mehr genießen würde und daher Neuwahlen akzeptieren sollte, so FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

Team Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur wünschte sich im Interesse der Österreicher, dass sich die Regierung wirklich erfange. Zweifel bleiben bei ihr aber. An ein politisches Ringelspiel fühlte sich NEOS-Chef Matthias Strolz erinnert. Die Regierung bewege sich zwar, komme aber nicht vom Fleck, bemängelte Strolz.

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