Besuch im Iran

Das Land der großen Hoffnungen

Steiermark
05.02.2016 05:10

Die viertgrößten Erdölreserven der Welt, 80 Millionen Einwohner, weitere 220 Millionen Menschen in den benachbarten Märkten: Beim Thema Iran leuchten nach der Einigung im Atomstreit und der Aufhebung der Sanktionen die Dollarzeichen in den Augen. Auch steirische Firmen versuchen hier Fuß zu fassen. Sie treffen dabei auf eine Gesellschaft, die alles andere als einheitlich ist. Ein Besuch in einem Land zwischen Kopftuch und Internet-Start-Ups, zwischen alten Fabriken und coolen Sneakers.

Wohin das Auge blickt Frauen. Alle jung, alle geschminkt, viele mit Nike- und Adidas-Schuhen- und alle mit Kopftuch. Die Produktionshallen von Crouse, Irans größtem Autozulieferer, in Teheran erstaunen. Von den knapp 10.000 Mitarbeitern sind mehr als 70 Prozent weiblich. "Sie sind gut ausgebildet, arbeiten sorgfältiger und präziser", erklärt der technische Vizepräsident Ali Pourebrahim. Abgesehen von den Kopftüchern könnte Crouse in jeder westlichen Großstadt stehen. Das Verwaltungsgebäude ein moderner Glaspalast, die smarten Manager mit perfektem Englisch, das Unternehmen eine Erfolgsgeschichte.

Ein Tag davor: Eine steirische Wirtschaftsdelegation besucht ein Motorenwerk und zwei Busfabriken in Tabriz. Hier ein ganz anderes Bild: veraltete Maschinen, augenscheinlich wenig Auslastung, Rückständigkeit. Die neunjährigen Wirtschaftssanktionen haben einige Industriebetriebe an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. "Wenn man hier den Anschluss an westliche Standards finden will, müsste man die Fabriken von Grund auf neu errichten", meint ein Kenner der Automotiv-Branche.

Zwischen Basar und Social Media
Tabriz und Teheran, das sind zwei Welten. Auf der einen Seite eine Provinzstadt mit 1,4 Millionen Einwohnern, die auf österreichische Besucher eher trist wirkt. Der ersehnte Aufbruch ist hier noch nicht angekommen. Trotz einer stolzen Geschichte und einem Basar, der seit 2010 zum Unesco-Weltkulturerbe zählt: Die touristischen Hoffnungen einiger Lokalpolitiker wirken realitätsfern. Westliche Kleidung ist selten zu sehen, die Konterfeis der Ayatollahs Khomeini und Khamenei sind es dafür umso öfter.

Die Hauptstadt Teheran ist wesentlich dynamischer - wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich. Zumindest im reichen Norden der Stadt sind Frauen am Steuer von Autos keine Seltenheit, das verpflichtende Kopftuch rutscht dabei oft weit nach hinten. Junge Pärchen trauen sich öffentlich Händchen zu halten. Die Sperre mancher Internet-Seiten wird umgangen, Social Media boomt. Die Partys in den privaten Wohnungen gelten als legendär.

Der iranische Silicon Valley
Viele junge Menschen sind im Iran gut ausgebildet. Nun sollen mehr von ihnen den Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit finden. Etwas außerhalb von Teheran steht beispielsweise der Technologie-Park Pardis, der sich selbstbewusst als Irans Silicon Valley bezeichnet. Die Pläne sind groß: Tausende Firmen sollen sich ansiedeln.

Von einer rasanten Entwicklung berichtet auch Novin Andishan. Er fördert mit dem Investmentfonds Sarava junge Firmen in der IT-Branche. "Vor vier Jahren war Irans Internet-Sektor quasi nicht existent", sagt Andishan. Mittlerweile kann er auf Erfolgsgeschichten wie das Amazon-Pendant "digikala" verweisen. Und jetzt soll es erst richtig losgehen: Jährlich verdoppeln sich die Daten-Übertragungsraten im Land.

Geschichte wird geschrieben
Einige Gesprächspartner vermitteln den Eindruck, dass die Entwicklung in Richtung moderne Gesellschaft im Iran nicht aufzuhalten bist. Können sie sich auch irren? Frauen bleiben benachteiligt, dürfen zum Beispiel die beliebten Volleyballspiele nicht besuchen. Oberste politische Instanz sind weiterhin die religiösen Führer und konservativen Kräfte. Zwar sind im Vorfeld der Parlamentswahlen Ende Februar kaum Sicherheitskräfte auf der Straße zu sehen, aus den Kandidatenlisten wurden aber zahlreiche liberale Personen entfernt. Entscheidend werden vor allem die Präsidentenwahlen 2017 und die Frage, ob der gemäßigte Hassan Rohani wieder gewinnt.

Darauf wollen die Europäer nicht warten. Der "Run" auf den Hoffnungsmarkt Iran hat voll eingesetzt. "Wir brauchen 250 Milliarden Dollar zusätzliche Investitionen", heißt es etwa bei der Wirtschaftskammer Teheran. Doch die lokalen Politiker treten selbstbewusst auf. Ein Ausverkauf an das Ausland soll verhindert werden, Partnerschaften werden bevorzugt. "Ich kann steirischen Unternehmen nur raten, sich diesen Markt zumindest anzuschauen", empfiehlt Industriellenvereinigung-Generalsekretär Thomas Krautzer. Anzutreffen ist jedenfalls ein Land, in dem nun Geschichte geschrieben wird. Die Frage ist, welche.

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