"Krone"-Interview

Fischer: “Ich schimpf’ den Parkinson Arschloch”

Adabei
07.09.2013 17:03
Ottfried Fischer und sein langsamer Abschied vom Fernsehen: Mit Conny Bischofberger spricht der Schauspieler und Kabarettist über die Zäsur in seinem Leben, das neue Buch, das zu seinem 60. Geburtstag erscheint, und die "Scheißkrankheit" Parkinson.

Freitag früh im Dachgeschoß des neuen HB1-Hotels in Wien-Schönbrunn. Ein etwas übernächtiger und noch nicht rasierter Ottfried Fischer steigt aus dem Lift und erklimmt einen Barhocker. "Fangt ruhig schon an", meint er und baut eine riesige Frühstückslandschaft vor sich auf: Teller mit viel Wurst, Teller mit viel Lachs, Döschen mit Leberaufstrich, Eierspeis mit Champignons, weichgekochtes Ei, Semmerl, Vollkornbrot, Butter, Marmelade, Apfelsaft, Joghurts, Fruchtsalat. Es mache ihm nichts aus, während des Essens zu reden. Und er hört auch während des gesamten Gesprächs nicht auf zu essen.

Hier oben in der lichtdurchfluteten Rooftop-Bar mit Blick auf die Gloriette hat der schwergewichtige Schauspieler letzte Nacht dem Publikum mit seiner Band "Die Heimatlosen" eingeheizt - in einer ganz neuen Rolle, als Musiker. Sein Sprechsong "Otti-Dance" ist drauf und dran, der "Wiesn-Hit 2013" beim Münchner Oktoberfest zu werden. Das Tingeln gehört zum neuen Lebensabschnitt, den die Diagnose Parkinson eingeleitet hat.

"Krone": Herr Fischer, Sie haben schon wieder diesen mürrischen Blick drauf, dass sich keiner mehr herantraut an Sie. Rücken Ihnen die Leute noch immer auf den Leib?
Ottfried Fischer: Meine Popularität ist eher noch gewachsen, seit ich nicht mehr so oft auftauche. Diesen Trick mit dem Blick hab' ich übrigens vom Fritz Eckhardt. Wenn du einen Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent hast, ist es ratsam, sich eine Mauer aufzubauen.

"Krone": Rennen da manche trotzdem dagegen?
Fischer: Immer wieder. Viele kommen und sagen: "Sie wollen bestimmt Ihre Ruhe haben, deshalb will ich Sie auch gar nicht belästigen" - und dann reden sie drauflos. Andere wieder mauscheln nur: "Ist das nicht der Ochse von Tölz?" In Sachsen hat mal einer gesagt: "Das ist doch der Rüde aus Bayern!"

"Krone": Sehnen Sie sich noch manchmal zurück in die Rolle des "Bullen von Tölz"?
Fischer: Der Benno Berghammer steht da wie ein Pfundskerl in der Weltgeschichte. Wenn der auftritt mit seiner Mama, versammeln sich alle vor dem Fernseher: Dick, dünn, jung, alt, gscheit, blöd… Sogar der ehemalige Papst, habe ich gehört. Aber als die Ruth Drexel gestorben ist, habe ich gesagt: Ohne Ruth mache ich nicht mehr weiter.

"Krone": Sie ziehen sich ja langsam ganz aus dem Fernsehgeschäft zurück. Können Sie ohne das Schauspielen leben?
Fischer: Ich glaube nicht. Ich bin in dieser Welt daheim. Aber schauspielen kann man ja überall. Das Gute ist: Ich muss jetzt keine Quoten mehr reißen.

"Krone": Ist der Bulle müde geworden?
Fischer: Müde... Wenn ich an die 270 Drehtage pro Jahr denke, dann hatte ich manchmal schon das Gefühl, ein Roboter zu sein. Das ist bis zu 14 Stunden täglich gegangen. Es mag sein, dass eine gewisse Abstumpfung stattgefunden hat. Es haben sich auch die Bücher wiederholt.

"Krone": Auch Ihren Kabarett-Stammtisch "Ottis Schlachthof" haben Sie aufgegeben. Als Grund nannten Sie Ihre Parkinson-Erkrankung. Ist es Ihnen unangenehm, darüber zu sprechen?
Fischer: Ich habe im Prinzip kein Problem mit dem Parkinson. Natürlich ist es eine Scheißkrankheit, aber ich habe nicht das Gefühl, dass sie mich total einschränkt. Ich mache noch so viele Sachen. Gestern der Auftritt hier in Wien: Das geht wunderbar, obwohl alles etwas schwieriger ist als früher. Im Grunde hat der Sender den "Schlachthof" beendet, weil er Angst hatte, dass ich irgendwann schlapp mache.

"Krone": Haben Sie die Biografie von Michael J. Fox gelesen?
Fischer: Nein, habe ich nicht. Weil die Krankheit bei ihm bestimmt anders ist als bei mir. Mit einer neuen Medikation geht es mir heute viel besser als noch vor drei Jahren. Ich bin aber auch sehr vorsichtig geworden. Mit Alkohol zum Beispiel: Ich habe das sehr eingeschränkt, und Schnaps trinke ich seit Jahren keinen mehr.

"Krone": Ist Parkinson eher Ihr Freund oder Ihr Feind?
Fischer: Er ist eine Art Kollege, der mir nicht von der Seite rückt. Ich behandle ihn so, wie es ihm gebührt. Stiefmütterlich. Ich ignoriere ihn, solange es geht, und das geht oft ziemlich lange.

"Krone": Aber irgendwann schlägt er dann zurück?
Fischer: Ja... Wobei er sich in der Öffentlichkeit eigentlich relativ gut benimmt. Nur daheim vor der Küchenzeile, da fängt er dann an, lästig zu werden.

"Krone": Was passiert da?
Fischer: Man nennt das "Freeze". Ich bin dann wie festgefroren. Wenn ich wieder sprechen kann, beschimpfe ich ihn.

"Krone": Mit welchen Worten?
Fischer: Arschloch! Also er hat kein leichtes Leben mit mir. Ich könnte es ohne ihn auch leichter haben, aber wurscht: Wem Gott gibt ein Häslein, dem gibt er auch ein Gräslein. Ich hadere nicht mit meinem Schicksal und verfalle auch nicht in Depressionen, denn das ist so nützlich, wie sich übers schlechte Wetter aufzuregen.

"Krone": Sie verspeisen hier gerade mit großem Appetit ein Riesen-Frühstück: Hadern Sie eigentlich mit Ihrem Gewicht?
Fischer: Naja... Ich will immer abnehmen, aber ich nehme sofort wieder zu. Das Glück der Dicken ist: Sie können abnehmen. Aber die Dummen bleiben dumm.

"Krone": Ihre Autobiografie trägt den Titel "Das Leben - ein Skandal". Verarbeiten Sie da das Sexvideo, das der "Bild"-Zeitung zugespielt wurde und Sie mit zwei Prostituierten zeigt?
Fischer: Die Begriffe Erotik, käufliche Liebe oder Rotlicht werden Sie in meinem Buch nicht finden. Ich habe diesen Fall nur kurz behandelt. Das Wort Skandal bezieht sich auf den Skandal, wie Menschen gejagt werden, wie ihre Würde missachtet wird. Ich bin als Kabarettist mein Leben lang gegen alles Mögliche aufgestanden, dann muss diese Haltung auch für mich selber gelten. Man hat das Recht und die Pflicht, sich zu wehren.

"Krone": Sind Sie mit Ihrer Frau, von der Sie seither getrennt leben, wieder gut?
Fischer: Ja, alles bestens inzwischen. Die Renate hat einen Freund, einen Österreicher. Und ich hab' auch eine Freundin.

"Krone": Warum war es Ihnen wichtig, Ihre Memoiren zu schreiben?
Fischer: Meine Mutter ist jetzt 87, ihr habe ich mit meinem ganz eigenen Humor oft Geschichten erzählt. Sie meinte, es wäre gut, wenn das aufgeschrieben wird. Das hab' ich getan, mit gnadenloser Ehrlichkeit. Obwohl das Buch schon im Druck ist - es erscheint Anfang Oktober - fallen mir jeden Tag neue Geschichten ein, Sätze, die ich noch hätte schreiben wollen.

"Krone": Welcher Satz wird am Ende Ihres Lebens stehen?
Fischer: Manchmal ist Schluss, obwohl man noch lange nicht fertig ist.

Seine Karriere
Geboren am 7. 11. 1953 in Ornatsöd, Bayerischer Wald. Kabarettist ("Ottis Schlachthof"), Schauspieler ("Der Bulle von Tölz", "Pfarrer Braun") und jetzt auch Musiker ("Otti Dance" - CD erscheint am 13. September). 2010 macht er seine Parkinson-Erkrankung öffentlich. Privat ist Ottfried Fischer mit einer Gastronomin liiert. Aus der Ehe mit Renate hat er zwei Töchter: Lara (22) und Nina-Marie (17). Zum 60. Geburtstag erscheint seine Autobiografie: "Das Leben - ein Skandal", Langen Müller Verlag. Am 13. November findet die Premiere von Ottfried Fischer und den Heimatlosen ("Wandogo-Filosofi") in der Wiener Volksoper statt.

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(Bild: kmm)



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