TV-Legende wird 80

Alfred Biolek: Der Star, der sein Leben vergaß

Adabei
05.07.2014 17:00
Vor vier Jahren kannte Alfred Biolek sein Leben nicht mehr, totale Amnesie nach einem schweren Sturz: "Und jetzt werd ich 80!" Ein Blick auf das bewegte Leben der TV-Legende.

"Ich bin in Köln eine Treppe runtergestürzt. Eigentlich wollte ich schön langsam runtergehen. Ich war im dritten Stock bei Freunden zum Essen eingeladen. Dann bin ich ausgerutscht, im zweiten Stock ungefähr und einfach runtergefallen", erzählt Alfred Biolek in einem Interview für den ARD. Tage später erwacht er im Krankenhaus, er ist 76 und kann sich an nichts mehr erinnern. "Das wird nicht mehr so richtig", fürchten die Freunde. "Da liegt man dann den ganzen Tag im Bett, hat nichts zu tun, außer dass man mal eine Stunde im Park spazieren geht oder irgendwelche Übungen machen muss. Aber sonst liegt man nur da."

Keine schöne Zeit für einen, der immer in Bewegung ist, immer nach vorne schaut. Jetzt muss er seine Welt wiederfinden. Die Beziehung zu dem jungen hübschen Konstantin zerbricht, die Produktionsfirma geht in Konkurs. Dafür hat er Freundschaft erfahren, die ganz große Freundschaft, die einen nie im Stich lässt, die einem aufhilft, wenn man ausrutscht. Hilfsbedürftig heißt dieser schreckliche Zustand. Hilfsbedürftig, er der große Entertainer, der Erfolgsmensch, der beste Gastgeber Berlins, auf dessen großem, berühmtem Holztisch immer die Kerzen brennen. Für Wim Wenders oder Gerhard Schröder oder all die anderen Promis, die einfach mal vorbeischauten auf ein Gläschen und eine Pasta mit rohem Thunfisch.

Freund Scott half ihm wieder ins Leben
Scott, sein bester Freund, kommt jeden Tag zu ihm ins Krankenhaus. Liest aus seiner Biografie vor, erzählt ihm von seiner glitzernden Vergangenheit. Davon, wie er die Keszler-Zwillinge interviewte. Im Liegen! Eine links, eine rechts, in seiner Show "Bio's Bahnhof", die zur großen (unerreichten) Vorlage für unzählige Unterhaltungsformate wurde. Oder wie Sammy Davis Junior vor laufender Kamera ihm einen Orden verlieh: "Das ist der wunderbarste Show-Mix, den ich je erlebt habe." Ja, das war schon legendär. Oder wie er Alice Schwarzer hinter den Herd holte und sie in seiner Kochshow "Alfredissimo" die Mayonnaise vergurkte. "Nein, für mich als Mayo-Laie schaut die perfekt aus!" Der Charmeur!

Oder wie Joschka Fischer, damals noch dick, eindeutig besser aß als kochte und seine Suppe auch dementsprechend schmeckte (abzulesen an Bios Gesichtsausdruck). Das war lustig, einfach mmhh! Obwohl nur er das so schön kann. Er, der nie spitze Pfeile schoss und trotzdem alle Antworten bekam mit seinen Fragen aus Zuckerwatte. "Boulevard Bio" nannte er sein Format der sensiblen Unterhaltung, wo sogar die ganz starken Männer wie Helmut Kohl ("Sobald ich nicht arbeiten muss, schlafe ich. Ja, ich könnte hier auf der Stelle einschlafen!") ihre kleinen Schwächen zugaben.

"Dann bin ich ja prominent"
Immer noch hört Biolek einfach nur Worte, Geschichten, die auch einem anderen gehören könnten. "Was, das hab ich alles gemacht? Das bin ich? Dann bin ich ja prominent!", sagt er erstaunt. Alles hat er vergessen, auch die Kindheit in Mähren. Das Paradies, wie er sie in seiner Biografie beschreibt, umgeben von Liebe, in dem behaglichen Haus, in dem seine Mutter so gerne Gesellschaften gab, mit schön gedeckten Tischen und vielen Freunden.

Bis sie vertrieben wurden, deportiert. Da war er zehn. "Wir wurden in einen Viehwaggon geladen. Da sind wir gestanden, es war so eng, wir konnten uns nicht hinsetzen. Aber das dauerte nicht so lang. Einen Tag und eine Nacht vielleicht." Später kehrten sie noch einmal nach Freistadt zurück. Sie haben überlebt, aber man hat ihnen alles genommen, das Haus, die schönen Möbel. "Guck mal, Mutter, unser Klavier!" Da stand es hinter einer Glasscheibe in der Auslage.

Biolek will nach vorne schauen
Jetzt heilt ihn Scott mit seiner Liebe, stützt ihn, gibt nicht auf. Das muss einfach wieder werden! Er bringt Alfreds Kochbücher in die Klinik und kocht für ihn, streng bio natürlich. Er trägt einen Klapptisch auf das Dach des Krankenhauses, legt ein Leintuch darüber, bringt Silberbesteck mit und Kerzen. Und da essen sie wie die Könige mit Blick auf den Kölner Dom, weißen Spargelsalat und Pasta mit rohem Thunfisch.

"Das, was Scott tat, hat mich wieder auf die Beine gebracht. Ohne Scotts Hilfe hätte ich vielleicht nach meinem Unfall nicht weiterleben können", erzählt er der Zeitschrift "Focus". Räuspert sich, knetet ein bisschen verlegen seine Hände. Er spricht nicht gern über diese schwere Zeit. "Das ist vorbei", sagt er nur schlicht. So hat er es immer gemacht, das hat er von der Mutter gelernt. Nach vorne schauen und weitermachen. Auch damals, als der Regisseur Rosa von Praunheim im TV verkündetet: "Biolek ist stockschwul." "Das hat mir einen ordentlichen Schlag versetzt. Irgendwo da im Rücken. Aber da war auch immer eine Verspanntheit, und die war dann weg. Ja, und jetzt werd' ich 80, ha ha!"

Keine TV-Shows mehr
Leg doch mal die Füße hoch, Biolek! Nein, er hat noch viele Pläne, nur kein Fernsehen mag er mehr machen. "Ich freue mich über jeden Tag und bin dankbar dafür. Nur Kochen ist mir zu anstrengend geworden. Ich geh' jetzt ins Restaurant." Und Scott, der heißt jetzt Biolek im Nachnamen. Er hat ihn richtig altmodisch adoptiert, nicht geheiratet. Aus Dankbarkeit für ein Gefühl tiefer Verbundenheit und Freundschaft. Viel tiefer als das, was man sonst so banal "Beziehung" nennt.

Stationen einer TV-Legende:
1974–1976:
Produzent der Rudi-Carrell-Show "Am laufenden Band"'
1978–1982: "Bio's Bahnhof "
1991–2003: "Boulevard Bio"
2000: Er wird als erster Deutscher zum UN-Sonderbotschafter für Weltbevölkerung ernannt.
2005: Alfred Biolek Stiftung – "Hilfe für Afrika"

Biolek hat außerdem zahlreiche Kochbücher veröffentlicht, zuletzt sogar eine Koch-App, über die all seine Gerichte bequem am iPhone empfangen werden können.

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(Bild: kmm)



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