F91-Held im Gespräch

“So viele Millionen – der Herr Mateschitz tut mir leid”

Sport
28.07.2012 17:00
Ein Luxemburger Bademeister kickt die Salzburger Bullen aus der Champions League: Düdelingen-Torjäger Aurelién Joachim spricht mit Conny Bischofberger über Wuchteln, Helden und den Fußballhimmel.

Es war eine der größten Blamagen des österreichischen Fußballs: Ein Amateurverein namens F91 Düdelingen zwingt den millionenschweren FC Red Bull Salzburg in die Knie. "Jetzt haben wir in Österreich 10.000 Fans", freut sich Aurelién Joachim, dessen Tore den Bullen europaweit Spott und Hohn einbrachten – und sie aus der Champions League kickten. "Red Null", "Dead Bull".

Er "chille" gerade auf seiner Couch, erzählt der luxemburgische Kicker, als wir ihn zu Hause, im Städtchen Belvaux westlich von Düdelingen, erreichen. Der Mann ist Bademeister und musste für das Spiel gegen Maribor kommende Woche Sonderurlaub beantragen. "Den gibt mir meine Chefin aber gerne, denn sie ist sehr stolz auf uns." Im Interview erzählt Joachim die Geschichte eines Triumphes, mit dem keiner gerechnet hatte.

"Krone": Bereit für eine Ösi-Einstiegsfrage?
Aurelién Joachim: Mais oui.

"Krone": Wissen Sie, was eine Wuchtel ist?
Joachim: Keine Ahnung. Da könnte mir vielleicht meine Freundin helfen, sie ist Deutsche. Was Leckeres zum Essen vielleicht? Für mich klingt's wie Fliegenklatsche oder so was.

"Krone": Die Wuchtel ist in Österreich der Ball.
Joachim: Oh.

"Krone": Was verbinden Sie mit Österreich?
Joachim: Die Berge. Skifahren in Ischgl. Und das Wiener Schnitzel.

"Krone": Und was wussten Sie über Red Bull Salzburg?
Joachim: Nicht viel. Als klar war, dass wir gegen die spielen, haben wir ein bisschen auf die Homepage von Red Bull geschaut. Das flößt einem schon Respekt ein, weil das sind halt Profis.

"Krone": War da so ein Gefühl, dass Düdelingen eh chancenlos ist?
Joachim: Nein, denn im Fußball ist alles möglich. Vor dem Spiel haben wir gelacht und gesagt: So, jetzt packen wir die Bullen bei den Hörnern! Wir hatten ja nichts zu verlieren, deshalb war der Druck auf die Salzburger viel größer.

"Krone": Und wie haben Sie Red Bull dann sogar die Flügel gestutzt?
Joachim: Wir haben gespielt wie die Profis. Salzburg war die bessere Mannschaft, aber wir haben das mit Teamgeist wettgemacht.

"Krone": Hat da das Glück über das Geld gesiegt?
Joachim: Natürlich gehört da auch Glück dazu. Das Match endete 4:3 für Salzburg, das darf man ja nicht vergessen. Aber durch mein Tor zum 0:1 daheim mussten die Bullen Abschied nehmen von der Champions League. Ich dachte mir: Vielleicht geht da ja noch was. Und beim Spiel am Dienstag ist mir durch den Fehler von Maierhofer, der die Torchance vergeben hat, dann das 2:2 gelungen.

"Krone": Schadenfreude?
Joachim: Wir sind glücklich, aber an der Blamage von Red Bull Salzburg tragen wir keine Schuld. Dieses Spiel zeigt einfach, dass Geld noch keine gute Mannschaft macht. So viele Millionen - der Herr Mateschitz tut mir leid. Aber so ist Fußball.

"Krone": "Der österreichische Milliardär muss nach einem neuen Zaubertrank suchen, um seinen Spielern Flügel zu verleihen", schrieb die luxemburgische Tageszeitung "Le Quotidien".
Joachim: Der Werbespruch ist mir natürlich bekannt. Aber Red Bull trinke ich nicht. Auch kein Cola. Das Zeug hat viel zu viel Zucker. Wasser ist für einen Sportler viel besser.

"Krone": Spott und Häme muss auch Ihr Klub ertragen. Ärgern Sie sich über Bezeichnungen wie "Fußballzwerg", "Nobodys" oder "Hobbymannschaft"?
Joachim: Das sagen nur jene, die uns nicht kennen. Wir sind zwar Amateure, aber wir trainieren fünf Mal die Woche hart, und das nach Dienstschluss. Wir haben alle unsere Berufe.

"Krone": Wie viel verdienen Sie als Bademeister?
Joachim: 1.000 Euro. Ich warte auf einen Job als Sportlehrer. Das habe ich studiert. Mein Traum wäre es aber, bald Profispieler zu werden.

"Krone": Würden Sie ein Angebot von Red Bull Salzburg annehmen?
Joachim: Sehr gerne sogar. Ich würde sofort Ja sagen.

"Krone": Gibt's denn schon Angebote?
Joachim: Ich hatte Kontakt mit einigen Beratern. Aber bisher noch kein konkretes Angebot. Dafür wächst der "Düdelingen Fanclub Österreich" stündlich. Nicht einmal ein Viertel von ihm würde in unser Stadion passen. Aber vielleicht kommen einige Fans zu unserem nächsten Spiel.

"Krone": Sind Sie jetzt so etwas wie ein luxemburgischer Nationalheld?
Joachim: Held – ich weiß nicht, ob man das Held nennen kann. Aber es ist schön, wenn sich das ganze Land mit einer Mannschaft freut. Auch weil ich als Fußballer weiß, dass es schnell andersrum sein kann. Deshalb bin ich mit der Schadenfreude sehr, sehr vorsichtig, denn es könnte uns das Gleiche wie Red Bull schon sehr bald wieder selber passieren.

"Krone": Aber noch schweben Sie im Fußballhimmel?
Joachim: Irgendwo zwischen dem siebenten und achten. Vor allem unser Trainer Didier Philippe. Der hatte ja noch nicht so viel Erfahrung als Trainer (lacht). Schade ist nur, dass wir gar nicht richtig feiern konnten. Denn wir sind sofort nach dem Spiel mit dem Bus heim nach Luxemburg gefahren. Acht Stunden. Wir waren so was von k. o., wir hatten wirklich alles gegeben.

"Krone": Was ändert sich nach so einem Sieg?
Joachim: Düdelingen – in Luxemburg heißt es ja Diddeling und auf Französisch Dudelange – ist auf jeden Fall in Europa bekannt geworden. Für Luxemburg ist das eine gute Werbung. Alle, die bisher geglaubt haben, unser Land hätte im Fußball nichts zu melden, müssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass es Düdelingen gibt.

"Krone": Unser Schwimmstar Markus Rogan hat zu Olympia gesagt: "Ich weiß nicht, ob ich Gold schaffe, aber es gibt ja immer wieder Überraschungen im Sport, siehe Düdelingen."
Joachim: Ja, wir sind so was wie ein Synonym für einen Sieg geworden, der aus heiterem Himmel kommt. Ist doch schön! Vielleicht schaffen wir jetzt auch noch eine Sensation gegen NK Maribor.

"Krone": So unter dem Motto "Alles ist möglich"?
Joachim: Ja, denn im Fußball weiß man nie, was passieren kann. Alles geht unglaublich schnell. Schnell nach oben und auch ganz schnell wieder nach unten.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

(Bild: KMM)



Kostenlose Spiele