Er ging von uns

Die “Krone” in tiefer Trauer um Christoph Wikus

Sport
02.05.2016 15:05

Christoph Wikus, der seinen Worten literarisch anmutende Urkraft gab und dem es immer nur ums WIR ging, ist im 69. Lebensjahr verstorben. Er war von 2003 bis 2013 Sportchef der Kronen Zeitung. Sein Nachfolger Robert Sommer über den Mann, der den "Krone"-Sport auf immer prägen wird.

Christoph Wikus ist nicht mehr. Das Unfassbare macht sprachlos. Die Urkraft, die er Worten durch präzise, geschickte und fast literarisch anmutende Aneinanderreihungen stets gegeben hat, hilft über die quälende Leere ein wenig hinweg.

"Was soll man über den Menschen Jo Gartner schreiben?", formulierte unser Chris nach dem Unfall des befreundeten Motorsportlers in Le Mans 1986. "Über den toten Jo Gartner? Was soll man schreiben? Wahrscheinlich hat noch keiner gewagt, einen Toten runterzumachen. Schlechte Charakterzüge haben nur Lebende; alle Toten waren als Lebende Engel. . . Wie vermittelt man, dass es diesmal echt ist, wahr? Vielleicht, indem man zugibt, dass er auch Fehler hatte."

Also suchten wir jetzt auch Fehler bei Christoph. Aber fanden keine. Außer man empfindet Loyalität als solche, als lächerliche Sensibilität im täglichen journalistischen Überlebenskampf - unser Wikus konnte und wollte niemanden schlechtmachen, er war als stellvertretender Sportchef dem Übervater Michael Kuhn genauso treu wie dann als dessen Nachfolger seinen Mitarbeitern. Ein Jahrzehnt führte er die größte Redaktion der "Krone", und es ging ihm dabei immer ums Wir.

Selbstdarstellung war ihm genauso fremd wie ein freies Wochenende - er verbrachte es ohnehin immer mit uns, seiner zweiten Familie. Verbundenheit als Fehler? Auch in einer verhaberten Wiener Gesellschaft, in der Politiker, Sportler und Künstler mit Bussis und Du-Worten nur so herumschleudern, suchte Christoph stets die Distanz. Er war anders. Kein Nähe-Zeiger. Kein Bier-Kumpel. Kein Promi-Anschmieger. Sondern einfach Christoph. Authentisch.

Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Ferne konnte er allerdings auch so viel Wärme geben: Sein Augenzwinkern, sein manchmal süffisant wirkendes Lächeln, sein Kopfnicken in der Redaktion konnten einem Kollegen mehr Herzlichkeit vermitteln als das traditionelle Abgeklatsche und Verbrüdern in einem der vielen In-Lokale.

Selbstbestimmt zu leben, ein Fehler? Diese Haltung schenkte ihm ein erfülltes Dasein, das zwar im 69. Lebensjahr zu Ende ging - aber Glück ist keine Frage von Quantität, wenn man jede Sekunde auskosten kann.

Christoph. Chris. Wir hätten noch so viel von dir lernen können. Du warst der beste Journalist, weil du anders warst als wir.

Das Planen, was bist du nur für ein großartiger Manager gewesen! Das hast du beim Basketball als Spieler und Trainer gelernt: jeden Zug vorausschauen. Vordenken. Nichts dem Zufall überlassen. Wenn ich nur an unsere vielen Ausgaben bei der Heim-EURO 2008 denke, dein Meisterwerk! Ich hätte noch so viele Fragen gehabt, für jetzt, für Frankreich, zu diesem und zu jenem.

Alles, was du geplant hast, traf auch so ein - weil du Stärken und Schwächen von Menschen wie kein anderer ausloten, abwägen und zu einem Erfolg bündeln konntest. Nur der Tod hielt sich nicht an dein Konzept.

Vielleicht war es dein einziger Fehler, dieses verdammte Ende nicht kontrolliert und verhindert zu haben. Nun stehen wir alle da in diesem Nichts: Deine Frau, deine erwachsenen Kinder, deine Enkelkinder, deine Freunde, und wir, deine zweite Familie. Verzweifelt. Der Tod ließ sich sogar von dir nicht wegplanen.

Aber alles, was du uns gelehrt hast, lebt in dieser Tageszeitung weiter. Tag für Tag. Das sind keine Worthülsen, das ist Wortgewalt: Der Sportteil in der "Krone" wird auf ewig deine Handschrift tragen.

Also können wir auch den Tod von deiner Fehler-Liste streichen. Wir werden ihn gemeinsam besiegen. Versprochen!

Ein Herr ohne Fehl und Tadel, ein Ehrenmann, ist von uns gegangen. Lasst uns nicht zu lange trauern, sondern in seinem Sinne weiterarbeiten. "Mit dem Rennfahrer habe ich kein Mitleid", schrieb Wikus damals über Jo Gartner. "Auch deswegen, weil er selbst Mitleid ihm gegenüber nie haben wollte."

Das gilt jetzt auch für unseren Christoph.

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(Bild: KMM)



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