krone.at-Interview

Bjelica: “Austria & Rapid taugen nur für Serie B”

Sport
26.01.2015 07:48
Er hatte die Wiener Austria als Coach zum ersten Mal überhaupt in die Champions League geführt und dort mit dem Underdog sogar gute Figur gemacht, doch nur wenige Wochen später war er nur zu einer weiteren Fußnote am Favoritner Trainerfriedhof verkommen – jetzt jährt sich der Rauswurf von Nenad Bjelica in Kürze zum ersten Mal. krone.at nahm das zum Anlass, den inzwischen beim italienischen Zweitliga-Topklub AC Spezia engagierten Coach zu besuchen, nicht ohne dem 43-Jährigen einige brisante Sager zum Niveau der österreichischen Bundesliga, zu seinem Ex-Vorgesetzten Thomas Parits und zu seiner Stellung in Italien zu entlocken.

krone.at: Na, Herr Bjelica, vermissen Sie Österreich nach Ihren ersten Monaten hier in Italien schon? Wenigstens die österreichischen Journalisten?
Nenad Bjelica: (lacht) Aber nein! Ich hab' zwar mit den Journalisten in Österreich überhaupt keine Probleme gehabt – egal, ob das in Vorarlberg war oder in Kärnten oder in Wien –, aber wirklich "vermissen" tu ich nur mein Haus in Klagenfurt, meine Freunde dort und meine Familie...

krone.at: Gibt's keine Pläne, dass die Familie nachkommt?
Bjelica: Naja, es ist so, dass unser älterer Sohn heuer die Matura macht und wir ihn nicht kurz davor aus der gewohnten Umgebung herausreißen wollen. Der Kleine ist jetzt elf Jahre alt und lernt intensiv Italienisch, damit die ganze Familie, wenn ich im Sommer noch in Italien bin, nach Italien kommen kann...

krone.at: Wenn Sie im Sommer noch in Italien sind?
Bjelica: (lacht) Ach, in Italien weiß man ja nie, da kann es schnell gehen! Jetzt momentan haben wir hier eine sehr gute Atmosphäre, eine sehr gute Stimmung in Stadt und Verein. Aber das war während des Herbsts nicht immer so – und wenn du in Italien zweimal in Folge verlierst, bist du bei normalen Vereinen schon angezählt.

krone.at: Von der Austria, dem damals regierenden österreichischen Meister und Champions-League-Starter, zum namenlosen Serie-B-Klub Spezia in Italien – können Sie verstehen, wenn das mancher als "Abstieg" sieht?
Bjelica:(schüttelt energisch den Kopf) Das kann nur einer sagen, der über dieses Geschäft nicht viel weiß. Man muss wissen, dass der österreichische Fußball in den Augen der Italiener praktisch nicht existiert. Als ich hierhergekommen bin, waren sie skeptisch – so wie wenn ein Trainer aus Aserbaidschan nach Österreich kommen würde. So haben sie mich gesehen! Italien hat eine der fünf stärksten Ligen der Welt und ich bin mir sicher, dass 90 Prozent aller Trainer in Italien gerne bei Spezia wären. Für mich ist das überhaupt kein Abstieg!

krone.at: Lassen Sie uns das mit dem "Abstieg" auch vor dem Hintergrund des geschwundenen internationalen Ansehens des italienischen Fußballs betrachten: Dessen Stellung ist nicht mehr die, die er mal hatte, oder?
Bjelica: Ja, absolut! Der italienische Fußball ist sicher hinter den spanischen, den englischen und den deutschen Fußball zurückgefallen, vielleicht auf das Niveau des französischen. Absolute Topstars, wie früher Zidane, kommen nicht mehr nach Italien, die gehen jetzt nach England, Deutschland oder Spanien. Ja, der italienische Fußball steckt in einer Krise – aber es ist noch immer eine Auszeichnung für einen Ausländer, in Italien als Trainer arbeiten zu können. Allein in der Serie B sind von den 22 Coaches derzeit nur zwei keine Italiener...

krone.at: Und in der Serie A gibt es mit dem Franzosen Rudi Garcia bei AS Rom, dem Spanier Rafael Benitez bei Napoli und dem Serben Sinisa Mihajlovic bei Sampdoria auch nur drei...
Bjelica: Eben, damit ist alles gesagt! Wenn man sieht, dass von 42 Teams nur fünf ausländische Trainer haben, dann ist es viel wert, hier eine Chance zu bekommen.

krone.at: Der italienische Fußball hat den Ruf, sehr taktikorientiert zu sein: Wie unterscheidet sich die Arbeit für einen Coach vor diesem Hintergrund? Zumindest was die Einheimischen anbelangt, müsste man doch von einem deutlich höheren Niveau der Spieler in taktischer Hinsicht ausgehen können als etwa in Österreich, oder?
Bjelica: Absolut! Es wird hier sehr, sehr viel Wert auf alles Taktische gelegt. Die erste Frage, die man mir bei meiner Vorstellungs-Pressekonferenz gestellt hat, war zum Beispiel gleich die, wie ich das Spiel taktisch anlegen werde. Dabei muss ich immer wieder betonen, dass Taktik nur ein Teil des Fußballs ist – ich glaube nicht, dass man nur wegen der Taktik ein Spiel gewinnen kann. Inzwischen vertrauen sie mir schon ein bisschen mehr und löchern mich nicht mehr so mit Taktikfragen. Zugegeben, anfangs musste ich mich etwas anstrengen, da ich in Österreich taktisch nicht so gefordert war. Hier ist es wirklich von Spiel zu Spiel anders und ich denke, dass ich mich in diesem Bereich in den vergangenen Monaten sehr weiterentwickelt habe.

krone.at: Mal nachgehakt: Kann man das konkret benennen, in welchen Bereichen sie sich entwickelt haben, inwiefern sie sich womöglich verändert haben bzw. mussten?
Bjelica: Meine Art und Weise zu arbeiten hat sich zu genau null Prozent geändert. Ich arbeite genauso, wie ich beim WAC oder bei der Austria gearbeitet habe.

krone.at: Aber?
Bjelica: Die beste Lehre, die ich aus meiner Austria-Zeit gezogen habe, ist, dass man authentisch bleiben muss. In Wien bin ich leider in der einen oder anderen Angelegenheit nicht authentisch gewesen – und das ist einer der Gründe, warum nicht alles perfekt gelaufen ist. Hier bin ich authentisch, immer zu 100 Prozent – obwohl es auch hier Versuche gegeben hat, mich zu verändern.

krone.at: Wollen Sie konkret sagen, in welcher Hinsicht Sie sich verbiegen ließen bei der Austria?
Bjelica: Zum Beispiel habe ich mich lange gegen einen Mentaltrainer gewehrt - und am Ende erst nachgegeben. Nicht, dass der Mentaltrainer schlecht gewesen wäre, nur ich war dann nicht mehr authentisch. Immerhin habe ich das Mentaltraining vorher immer selber gemacht, das war eine meiner Stärken – und so war meine Stärke weg. Überhaupt haben die Leute bei der Austria vom ersten Tag an versucht, mich so zu machen wie Peter Stöger. Ich hab' mich lange gewehrt, aber irgendwann doch ein bisschen nachgelassen – das war ein Fehler. Stöger ist ein super Trainer, keine Frage, er hat seine Art, wie er ein Team führt und er war damit erfolgreich...

krone.at: Aber?
Bjelica: Aber ich war auch erfolgreich mit meiner Art und Weise! Man hat nicht akzeptieren wollen, dass es einen Unterschied ausmacht, dass wir nicht nur in der Liga aufgetreten sind, wie in der Meistersaison, sondern auch in der CL – dass man das international gezeigte Potenzial in der Liga nicht immer ausspielen kann, ist eigentlich normal, man muss ja heuer nur auf Dortmund schauen. Aber für die Leute bei der Austria war das nicht normal. Überleg' mal, heute spielst du in Porto in einem Superstadion vor 33.000 Zuschauern und übermorgen musst du in Grödig antreten, vor 500 Leuten – das ist für jeden Spieler schwierig, auch wenn er ein Superprofi ist. Aber man wollte das vonseiten der Austria-Führung nicht verstehen und da hat absolut die Unterstützung für mich gefehlt. Absolut!

krone.at: Da Sie gerade einen Vergleich zwischen einem anderen Fußballland und Österreich angestellt haben, wie stufen Sie nach Ihren ersten Monaten in Italien das Niveau der Serie B ein – im Vergleich zu Österttp://www.krone.at/Themen/Red_Bull_Salzburg-Thema-7346" onclick="sto_oc(this)">Red Bull Salzburg problemlos recht weit vorne in der Serie A mitspielen könnte. Die Salzburger bewegen sich für mich auf jeden Fall auf einem anderen Niveau als die anderen österreichischen Klubs, sie könnten sicherlich auch in der deutschen Bundesliga spielen. Drei, vier andere Vereine, wie die Austria, Rapid und vielleicht Sturm, taugen für die Serie B, haben Serie-B-Niveau...

krone.at: Nur Serie B?
Bjelica: Ja, ich glaube nicht, dass sie sich in der Serie A durchsetzen könnten. Und bei allen anderen Klubs befürchte ich, dass sie nicht einmal für die Serie B taugen würden... (sinniert kurz)... Das ist meine Einschätzung. Überleg' mal! Hier in der Serie B spielen Leute, die sehr viel Geld verdienen. Geld, das man etwa bei der Austria gar nicht verdienen kann. Auch bei Vereinen, die gegen den Abstieg spielen. Ein Beispiel...

krone.at: Gerne!
Bjelica: Im ersten Pokalspiel der Saison mussten wir gegen Lecce ran, die sind sogar in der Serie C – bei denen waren fünf, sechs Leute dabei, die vor einem Jahr noch in der Serie A aktiv waren. Okay, die sind 33 und älter, aber sie haben Qualität – und verdienen bis zu 300.000 Euro, das bekommst du bei der Austria nicht. Mit der Mannschaft könnte Lecce als italienischer Drittligist in der österreichischen Bundesliga mitspielen!

krone.at: Demnächst jährt es sich, dass man bei der Austria "die Nerven verloren" und Sie aus Angst vor dem Verpassen eines Europacup-Startplatzes gefeuert hat. Ärgert Sie das knapp ein Jahr später noch?
Bjelica: Nein! Man analysiert natürlich, was geschehen ist – aber ich schaue gerne auf die Austria-Zeit zurück. Für mich sind viele Dinge sehr positiv gewesen, immerhin bin ich der einzige Trainer, der mit dem Klub die CL erreicht und dort fünf Punkte geholt hat. Eigentlich haben wir damals eine bessere Situation und weniger Unterstützung gehabt als der jetzige Trainer, der bei weniger Erfolg mehr Unterstützung bekommt. Aber gut, vielleicht hat die Austria-Führung auch dazugelernt und sich entschieden, klarer hinter dem Trainer zu stehen.

krone.at: Und das hat bei Ihnen gefehlt?
Bjelica: Ja, diese Unterstützung habe ich in fast keinem Bereich gehabt. Ob das der Kampf gegen die Schiedsrichter war, ob das der Kampf um Neuzugänge wegen unserer Verletzungen war, ob das bei Problemen mit Spielern war oder ob das zwei Wochen nach dem Einzug in die CL-Gruppenphase bei der Kritik von einigen Aufsichtsratsmitgliedern war – ich habe keine Unterstützung bekommen. So machst du deinen Trainer in den Augen der Spieler einfach ganz schwach. Ich sage dir ganz ehrlich, ich habe die CL-Spiele überhaupt nicht genossen, innerlich habe ich wegen des Misstrauens immer Bauchweh gehabt.

krone.at: Bauchweh?
Bjelica: Ja, weil es keine Anerkennung dafür gab, das 1. Mal in der Klubgeschichte in die CL gekommen zu sein.

krone.at: Interessanterweise haben Sie den Namen Ihres sportlichen Vorgesetzten zu Austria-Zeiten bisher nicht in den Mund genommen – Thomas Parits. Wie würden Sie ihn im Rückblick beurteilen?
Bjelica: Thomas Parits ist ein guter Mann, ein guter Mensch. Aber von seiner Seite hat die Unterstützung für meine Arbeit einfach gefehlt, er hat sich nie richtig hinter mich gestellt. Von seiner Position her, was die Trainerfrage betrifft, war er schwach: Es gab mehr Unterstützung für Spieler als für mich. Nein, seine Arbeitsmethoden sind nicht so, wie ich mir das vorstelle. Und trotzdem: Ich bin sehr dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat, bei der Austria Trainer zu sein. Aber wenn er mehr an mich geglaubt hätte, dann wären wir auch erfolgreicher gewesen. In den Geschichtsbüchern wird allerdings auch so immer stehen, dass Nenad Bjelica die Austria unter Sportdirektor Thomas Parits in die CL gebracht hat.

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(Bild: KMM)



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