"South Park"

Ein Saftsack sucht den “Stab der Wahrheit”

Spiele
04.03.2014 11:24
Rollenspiele sind in der Regel vieles, nur eines nicht: komisch. Wenn tapfere Krieger gegen Oger und andere Abscheulichkeiten in die Schlacht ziehen, um ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren, bleibt der Humor schnell auf der Strecke. Dass es auch anders geht, beweisen ausgerechnet zwei Menschen, von denen man es wahrscheinlich am wenigsten erwartet hätte: Matt Stone und Trey Parker, die Schöpfer der Animations-Erfolgsserie "South Park". Mit "South Park: Der Stab der Wahrheit" bringen sie jetzt das wahrscheinlich unkonventionellste Rollenspiel aller Zeiten auf Konsolen und PC.

Die Grenze zwischen gutem Geschmack und derbem Fäkalhumor war bei "South Park" stets äußerst dünn. "Der Stab der Wahrheit" macht in diesem Punkt keine Ausnahme und steht somit voll in der Tradition der 1997 erstmals ausgestrahlten Animationsserie, die auch nach fast 20 Jahren immer noch aneckt und provoziert, ohne dabei jedoch an Gesellschaftskritik zu sparen. Die Stilmittel, derer sich die Macher dabei bedienen, sind sicher nicht jedermanns Sache, und so gilt für das Spiel, was auch schon für die Serie galt: Wer mit dem Humor nichts anzufangen weiß, ist hier fehl am Platz.

Profis am Werk
Ist diese Grundvoraussetzung erfüllt, steht dem Spaß jedoch nichts mehr im Wege. Denn entgegen ersten Befürchtungen, ist "South Park: Der Stab der Wahrheit" ein waschechtes Rollenspiel geworden, das nahezu sämtliche Elemente beinhaltet, die Gamer an diesem Genre so lieben - wenngleich die Darstellung und Inszenierung der Ereignisse doch teils drastisch von dem bisher Gewohnten abweicht. Überraschend ist dies nicht, zeichnet für die Entwicklung doch niemand Geringeres verantwortlich als US-Entwickler Obsidian Entertainment, der mit Titeln wie "Star Wars: Knights of the Old Republic II", "Neverwinter Nights 2" oder "Fallout: New Vegas" bereits mehrfach sein Händchen für gute Rollenspiele unter Beweis gestellt hat.

Ungewöhnliche Aufmachung, klassisches Gameplay
Vom ungewöhnlichen Setting und seinen Charakteren einmal abgesehen, steht "South Park: Der Stab der Wahrheit" seinen "seriösen" Vorgängern in kaum etwas nach. Wie es sich für ein Rollenspiel gehört, stehen zu Beginn verschiedene Klassen zur Auswahl: der Kämpfer, der Magier, der Dieb - und der Jude. Allesamt bringen sie unterschiedliche Talente und Fertigkeiten mit, letztgenannter etwa die Zauber "Davids Schleuder", "Beschneidung" oder "Ägyptische Plage".

Benötigt werden diese und andere komische Talente, um sich als Neuankömmling im kleinen Städtchen South Park gegen diverse Bedrohungen zu behaupten: mongolische Horden, die ein China-Restaurant in Beschlag genommen haben, Ex-US-Vizepräsident Al Gore, wilde Kreaturen wie die Penismaus oder Außerirdische, denen es erfolgreich gelingt, mehrere Analsonden zu verpflanzen.

Keine Analsonden für Konsoleros
In der Konsolenversion des Spiels für den europäischen Markt ist davon übrigens nichts zu sehen: Publisher Ubisoft entschied sich, insgesamt sieben Szenen von je etwa 20 Sekunden, darunter auch ein Abtreibungs-Minispiel, herauszuschneiden. Ersetzt wurden die Abschnitte durch eine Textbeschreibung, die das nicht Gesehene jedoch noch immer sehr anschaulich umschreibt. Auf dem PC sind die Szenen aus unerfindlichen Gründen dagegen sehr wohl enthalten.

Skurrile Ausrüstungsgegenstände
Als alles umschließende Rahmenhandlung dient den Entwicklern ein Live-Action-Rollenspiel, in das sich der Neue – genannt "Saftsack" – zusammen mit Cartman, Kenny und den anderen Charakteren der Serie stürzt. Menschen und Elfen, unter der Führung von Stan und Kyle, stehen sich dabei im Kampf um den namensgebenden Stab der Wahrheit gegenüber, denn wer den Stab kontrolliert, kontrolliert auch das Universum.

Gekämpft wird mit allem, was sich an Requisiten im Haushalt so finden lässt: Pizza-Kartons dienen als Rüstung, ein Vibrator als Nahkampfwaffe. Doch es gibt auch klassische Ausrüstungsgegenstände und Waffen wie Bögen, Armbrüste oder Schwerter, die – ebenfalls klassisch – mit steigender Stufe nicht nur größeren Schaden anrichten, sondern zusätzlich über magische Fähigkeiten verfügen. Freie Sockelplätze an ihnen erlauben zudem das nachträgliche Hinzufügen bestimmter Boni – nur dass die Sockel hier nicht mit Edelsteinen besetzt werden, sondern mit Stickern.

Natürlich gibt es auch allerhand "Tränke": Kekse zur Stärkung, Energydrinks zur Auffüllung des Mana-Vorrats oder gefüllte Tacos, mit denen sich gefallene Kameraden wiederbeleben lassen. Denn gekämpft wird immer zu zweit, wobei sich der Begleiter austauschen lässt, um je nach Anforderung von den individuellen Fertigkeiten anderer Wegbegleiter Gebrauch zu machen.

Niedlich aussehende, aber fordernde Kämpfe
Die Kämpfe selbst sind rundenbasiert, wobei sich jede Runde in eine Vorbereitungs- und die eigentliche Angriffsphase unterteilt. Während der Vorbereitung können beispielsweise negative Statuseffekte entfernt oder Gesundheit bzw. Mana aufgefrischt werden. Beim Angriff wiederum können Saftsack und seine Begleiter auf sowohl Nah- und Fernwaffen als auch klassenspezifischen, ausbaubare Fähigkeiten und Zauber wie den Drachenfurz oder die Furzgranate zurückgreifen.

Sofern man sich zuvor in einer der zahlreichen Nebenquests bei der Bevölkerung verdient gemacht hat, stehen mit etwas Glück auch Beschwörungszauber zur Verfügung. Einmal pro Tag – abends müssen die spielenden Kinder schließlich wieder ins Bett – darf man dann einen mächtigen Verbündeten wie das Weihnachtstrümmerl Mr. Hankey zur Hilfe rufen. Spätestens nach einigen Stunden, wenn der Schwierigkeitsgrad deutlich anzieht, können sich diese Verbündeten als äußerst nützlich erweisen.

Ladepausen stören Spielfluss
Akustisch untermalt wird das Ganze von orchestralen Klängen, die unmittelbar dem "Herrn der Ringe" entlehnt zu sein scheinen. In optischer Hinsicht gibt sich das Spiel hingegen - wie von der Serie gewohnt - minimalistisch. Trotz aller grafischen Zurückhaltung ist es den Entwicklern aber nicht gelungen, eine unterbrechungsfreie Spielwelt zu erschaffen: Beim Wechseln von einem der kurzen Spielabschnitte in den nächsten wird der Spielfluss leider immer wieder durch Ladepausen unterbrochen. Das sowie der etwas schleppende Anfang des Spiels und einige unsaubere Spielmechaniken sind jedoch die einzigen Punkte, die wir an "South Park: Der Stab der Wahrheit" zu kritisieren haben.

Fazit: Wer "South Park" mag, wird "Der Stab der Wahrheit" lieben. Doch auch Rollenspieler, die bislang nur wenig mit der Serie am Hut hatten, kommen auf ihre Kosten. Das Spiel mag das Genre-Rad zwar nicht neu erfinden, interpretiert es jedoch erfrischend originell neu. Wir jedenfalls gestehen, uns inmitten von Drachenfürzen, Penismäusen und Analsondern prächtig amüsiert zu haben - für uns daher schon jetzt ein heißer Anwärter auf den Titel "Lustigstes Spiel des Jahres".

Plattform: Xbox 360 (getestet), PS3, PC
Publisher: Ubisoft
krone.at-Wertung: 8/10

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