Duftthese widerlegt

Neue Studie zeigt: Spermien können doch nicht riechen

Wissenschaft
27.02.2012 09:39
Die erfolgreiche Reise von Spermien zur weiblichen Eizelle ist ein noch immer nicht gänzlich gelöstes Rätsel. Klar ist: Nur wenige von Millionen kommen durch. Jahrelang behauptete sich die These vom "Maiglöckchen-Phänomen", der zufolge die Sammenzellen auf ihrem Schwimmweg zur Befruchtung der Eizelle von Düften geleitet werden. Damit räumt nun ein Team von Forschern in einer Studie auf: Spermien können nicht riechen, verkünden sie.

Die Forschergruppe kam zu dem Ergebnis, dass die These vom "Maiglöckchenduft" wohl nur ein Laborphänomen sei. "Spermien funktionieren nicht wie Riechzellen in der Nase", erklärt der Leiter der Studie, der Bonner Max-Planck-Wissenschaftler Timo Strünker. Es gebe auch keine Hinweise auf einen betörenden Duft von Eizellen. "Bisher hat man weder Maiglöckchenduft noch irgendeinen anderen Duftstoff im weiblichen Genitaltrakt gefunden oder nachweisen können", schreiben die Forscher im "The Embo Journal".

Befruchtung chemisch gesteuert
Dennoch sei die Befruchtung keine Zufallsbegegnung, sondern chemisch gesteuert. Bereits seit den 1980er-Jahren weiß die Wissenschaft, dass die Eizelle, beziehungsweise sie umgebende Zellen, sehr große Mengen des weiblichen Sexualhormons Progesteron in den Eileiter aussendet. Unter Laborbedingungen wurde gezeigt, dass die Spermien bereits von geringen Mengen des Gelbkörperhormons angelockt werden. Das geruchlose Sexualhormon fungiert also als Lockstoff, und Spermien folgen diesem chemischen Lockreiz zur Befruchtung der Eizelle.

Die neue Studie wurde von Wissenschaftlern des Bonner Forschungszentrums caesar (assoziiert mit der Max-Planck-Gesellschaft) in Zusammenarbeit mit Experten des Forschungszentrums Jülich erarbeitet. Die Navigation der Spermien auf ihrem riskanten Weg über Muttermund, Gebärmutter und Eileiter und vor allem bis zur reifen Eizelle ist bisher noch nicht in allen Facetten erforscht.

In einer früheren Studie (veröffentlicht im März 2011 in "Nature") hatten caesar-Forscher bereits dargelegt, dass Spermien mittels hochempfindlicher eigener Sensoren das Progesteron entdecken und so gelenkt werden. Das Progesteron aktiviert und öffnet die sogenannten CatSper-Ionenkanäle, wodurch Kalzium in die Spermien-Zelle strömt, was höchstwahrscheinlich wiederum die Steuerungsaktivität anregt. Die neuen Forschungsergebnisse zeigen, dass die Spermien mit ihren CatSper-Kanälen das chemische Milieu im Eileiter "auslesen" können und so womöglich die Eizelle aufspüren.

"Maiglöckchen-Phänomen" wohl Labor-Artefakt
Die angezweifelte Duft-These geht auf eine Studie deutscher und US-Wissenschaftler aus dem Jahr 2003 zurück (veröffentlicht im Fachjournal "Science"). Danach greift Bourgeonal, ein Bestandteil des Maiglöckchen-Duftes, in den Kalziumhaushalt der Spermien ein und lockt sie an. Danach folgen Spermien angeblich den von Eizellen ausgelegten Duftfährten.

Im Labor könne zwar Maiglöckchen-Duftwirkung beobachtet werden, erklärt Strünker. Dieser Duft imitiere unter Laborbedingungen aber lediglich die Progesteronwirkung. Dabei wirkten die Duftstoffe nur bei einer Überdosis, wie sie im menschlichen Organismus nicht vorkomme - erst bei mehr als 1.000-fach höheren Konzentrationen als Progesteron. Das "Maiglöckchen-Phänomen" beruhe daher wohl auf einem "Labor-Artefakt".

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