12 Monate bedingt

Grazer Gericht spricht Olivers Vater schuldig

Österreich
26.09.2012 17:01
Der Vater des fünfjährigen Oliver ist am Mittwoch in Graz wegen schwerer Nötigung und Kindesentziehung - nicht, wie angeklagt, wegen Freiheitsentziehung - zu zwölf Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Die Anwältin der Mutter unterstellte ihm, dass er das Kind aus "reinen Machtgelüsten" haben wolle, während seine Verteidigerin beteuerte, er wolle "nur das Beste für das Kind". Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Das Gericht habe ein "gerechtes und angemessenes" Urteil gefällt und damit gezeigt, dass "Gewalt nicht bagatellisiert werden darf", erklärte Britta Schönhart, Anwältin der Mutter, am Nachmittag. Auch Marion W. sah die Verurteilung ihres Ex-Partners als gerechtfertigt an. Ein Freispruch "wäre ein Freibrief für alle Männer in Europa, sich ihre Kinder zu holen", so die Mutter. Die Sorgen um ihren kleinen Sohn wurden durch das Urteil nicht geschmälert, zumal nachgewiesen sei, dass "der Vater kriminelle Energie hat".

Ein geteiltes Sorgerecht könne sie sich nicht vorstellen, ebenso wenig, dass sie nach Dänemark ziehen könnte, um bei ihrem Kind zu sein. Nun will sie den Rechtsspruch des dänischen Gerichts bezüglich Rückführung und Sorgerecht in nächster Instanz bekämpfen.

Vater "erschüttert" über den Schuldspruch
Auch wenn es ihm im Gerichtssaal nicht anzusehen war, sei der 41-Jährige über den Schuldspruch des Gerichts "erschüttert", wie sein Sprecher Janus Bang gegenüber der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau erklärte. "Wir fechten das Urteil an Ort und Stelle an, weil wir zutiefst schockiert sind. Thomas soll dafür bestraft werden, dass er von seinem Obsorgerecht Gebrauch gemacht hat", so der Sprecher.

Am zweiten Prozesstag in der "Causa Oliver" am Grazer Straflandesgericht war der Däne ein zweites Mal zu Wort gekommen und hatte erneut versichert, zum Wohle des Sohnes gehandelt zu haben. "Die wichtigste Bezugsperson für ihn war sein Vater", begründete er seine Tat im April, als er Oliver seiner Mutter vor dem Kindergarten in Graz entrissen und nach Dänemark gebracht hatte. Zudem würde er niemals wollen, dass das Kind den Kontakt zur Mutter verliere, erklärte der Vater vor Gericht. Staatsanwältin Gertraud Pichler sprach hingegen von einem "Akt der Selbstjustiz" seitens des 41-Jährigen.

"Spätfolgen bis ins Erwachsenenalter" möglich
Zuvor waren ein von der Mutter bestellter Psychologe und Marion W. selbst angehört worden. So attestierte der Experte dem Kleinen eine schwere Traumatisierung. Der Psychologe war aber nicht als Gutachter, sondern als Zeuge geladen, den die Mutter beantragt hatte. "Für mich steht außer Zweifel, dass das Kind durch die Aktion schwerst traumatisiert wurde", gab der Experte an. Er hielt "Spätfolgen bis ins Erwachsenenalter" für möglich. Auf Befragung der Anwältin des angeklagten Thomas S., ob er das Kind je persönlich gesehen hatte, musste der Zeuge verneinen. Er habe seine Diagnose auf der Basis zweier Videos erstellt, die das Kind in Österreich und in Dänemark zeigen.

"Sehe die zwei Gesichter jede Nacht"
Marion W. beschrieb die Ereignisse vom 3. April vor dem Kindergarten, wo sie nach ihren Angaben von einem Mann gegen ihr Auto gepresst wurde, damit der Vater das Kind ungehindert in sein Fahrzeug bringen konnte. "Ich habe versucht zu schreien, aber es ist kein Ton gekommen", schilderte die 41-jährige Grazerin ihre anfängliche Schockstarre.

"Ich sehe die zwei Gesichter jede Nacht, den Herrn S. und den Unbekannten", beschrieb Marion W. ihre Situation. Ihrer Meinung nach war sie aus Dänemark legal ausgereist, hatte sie doch damals das Sorgerecht für den Kleinen. Ihr Ex-Partner habe acht Mal erfolglos versucht, einen Haftbefehl gegen sie zu erwirken.

"Er hat das Kind traumatisiert"
Die Frage von Richter Günter Sprinzel, ob sie sich mit Olivers Vater noch einen gemeinsamen Weg für den Buben vorstellen könnte, verneinte die Mutter und sagte: "Er hat das Kind traumatisiert."

Erst letzte Woche war dem Dänen in seiner Heimat das Sorgerecht für Oliver zugesprochen worden. Das Gericht schlussfolgerte, dass die Mutter mit ihrer Rückkehr nach Österreich im Jahr 2010 eine Kindesentziehung begangen hätte und nicht der 41-jährige Vater, der nun in Graz vor Gericht stand.

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