Schaden im Talk:

“Die Helfer werden jetzt müde!”

Salzburg
11.10.2015 19:38
Salzburg hat bislang 75.000 Flüchtlinge betreut und zur Grenze nach Deutschland geleitet - das entspricht der Hälfte der Einwohnerzahl der Stadt. Bürgermeister Heinz Schaden fordert im Interview eine internationale Lösung der gewaltigen Völkerwanderung.

"Krone": Herr Bürgermeister Heinz Schaden, kaum jemand ist so nah an den aktuellen Geschehnissen wie Sie. Eine kurze Beurteilung der Lage.
Schaden: Ich will es klar und ohne Herumreden ausdrücken: Wir haben seit sechs Wochen Ausnahmezustand und wann wir zu normalen Verhältnissen am Bahnhof oder vor der Grenze in Freilassing zurückkehren werden, ist derzeit völlig ungewiss.

"Krone": Der Flüchtlingsstrom ist demnach schwankend?
Schaden: Ich würde das jetzt schon als Völkerwanderung bezeichnen, am Samstag haben wir seit Mitternacht 250 Menschen über die Grenze gebracht, um dieses Wort zu verwenden, aber in den nächsten Stunden kann alles anders sein.

"Krone": Da sind wir schon bei der CSU und beim bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer.
Schaden: Ich halte das ja eher für eine rhetorische Drohung, doch scheint mir die Kritik an der so genannten ’offenen Politik’ stärker zu werden.

"Krone": Wenn es passiert, was ist dann?
Schaden: Wenn Bayern oder die Bundesrepublik Deutschland die Grenze sperren, dann kann es auch keinen Zuzug mehr nach Salzburg geben. Dann muss die Völkerwanderung an den EU-Außengrenzen so oder so gestoppt werden.

"Krone": Das bedeutet eine Einbeziehung der Türkei?
Schaden: Nicht nur, da müssen wir den Libanon oder Ägypten mitnehmen. Es ist keine Frage, dass der türkische Präsident Erdogan eine Schlüsselfigur ist. Er hat zwei Millionen syrische Flüchtlinge im Land."

"Krone": Das geht in Richtung eines Beitritts zur EU?
Schaden: Nein, da sind wir viel zu weit entfernt, Stichwort Freiheit der Medien. Aber eine pragmatische Zusammenarbeit, die muss es wohl geben, sonst haben wir noch sehr lange diesen Ausnahmezustand. Auch das UN-Flüchtlingshilfswerk muss da eingebunden werden."

"Krone": Die Hilfsbereitschaft in Salzburg schein unerschöpflich.
Schaden: Da gibt es schon Signale, die man nicht übersehen darf. Die Leute werden einfach müde, vor allem natürlich die Freiwilligen, die ja nebenbei noch einen Zivilberuf ausüben.

"Krone": Kann Bayern überhaupt allein handeln?
Schaden: Nehmen wir einmal an, die Deutschen schicken Flüchtlinge zurück. Da müssten sie in das Land gebracht werden, in dem sie zum ersten Mal das Territorium der EU betreten haben, also Griechenland, Kroatien oder Ungarn. Das ist selbstverständlich logistisch nicht umsetzbar.

"Krone": Wie geht sich das alles finanziell aus?
Schaden: Die Stadt hat bis zu 200 Leute im Einsatz, die Kosten für Überstunden muss der Magistrat tragen. Dazu kommt der Einsatz des Materials, die Ausrüstung, die Verpflegung und die Mittel für die medizinische Versorgung. Und schließlich muss auch an den Wochenenden gereinigt werden. Diese Kosten wird ganz klar die Stadt tragen.

"Krone": Wann werden die Container in Wals und die Sporthalle Riedenburg bezogen?
Schaden: Das Land sieht die Sporthalle als einsturzgefährdet, da gibt es eine genaue Begehung mit der Baubehörde. In Wals müssen angeblich noch logistische Arbeiten erledigt werden.

"Krone": Wie viele Flüchtlinge hat Salzburg schon versorgt?
Schaden: 75.000 wurden betreut und durchgeleitet.

"Krone": Ein persönliches Erlebnis.
Schaden: An der Grenze habe ich mit Flüchtlingen Fußball gespielt. Die haben nur geahnt, dass ich ein Offizieller bin.

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