Eisiges Naturwunder

Patagonien: Kreuzfahrt ans Ende der Welt

Reisen & Urlaub
27.09.2014 17:00
Am südlichsten Zipfel Amerikas muss sich der Mensch immer noch der Natur beugen. Eine Kreuzfahrt zum Kap Hoorn ist eine Begegnung mit Pinguinen, urzeitlichem Eis, wildem Wetter und sanfter Landschaft.

Erst ist es nur ein Grummeln, dann ein Donnergrollen, das die endlose Stille beben lässt. Mit einem Krach löst sich ein gigantischer Eisbrocken aus dem Pia-Gletscher und fällt platschend ins Meer. Hier, am südlichen Zipfel Patagoniens, "leben" die Gletscher. "Sie sind wie Flüsse, sie fließen", erklärt unser Guide Francesco. Nur eben sehr, sehr langsam. Und mit jedem Brocken, der in den Fluten vergeht, stirbt ein Stück ewiges Eis.

Leuchtende Eisriesen lockten Entdecker an
Schon legendäre Entdecker wie Charles Darwin und Robert FitzRoy blickten voller Ehrfurcht auf die leuchtend blauen Eisriesen in der "Allee der Gletscher". Die Abenteurer von heute tun dies ebenso andächtig – wenn auch um einiges luxuriöser. Mit einem Glas "Whiskey on the Rocks", in dem frisches Gletschereis klirrt, beobachten sie in wohlig warmer Funktionskleidung das furiose Spektakel, das Mutter Natur zu bieten hat.

Mit Zodiac-Booten geht es zurück an Bord. Große Kreuzfahrtschiffe können hier nur vorbeitreiben. Vor den Gefahren des Massentourismus schützt sich die unwirtliche Natur immer noch selbst. Nur kleine Cruiser wie das Expeditionsschiff "Stella Australis" können die engen Buchten anfahren und ihre Gäste mit Schlauchbooten mitten hinein in die unberührte Landschaft bringen.

Menschen aus aller Welt, von Neuseeland bis Japan, von Australien bis Kanada, haben sich auf dem gemütlichen Schiff versammelt, um dieses einzigartige Abenteuer zu erleben. An Bord fehlt es an nichts – die freundliche Besatzung verwöhnt mit kulinarischen Genüssen, allabendlich bereiten fachkundige Guides auf die "Expeditionen" an Land vor.

Und der vielleicht schönste Luxus in unserer interaktiven Zeit – für die vier Tage unserer Fahrt gibt es kein Handy, kein Internet, nicht einmal einen Fernseher. Wer "fernsehen" will, der muss nur aus dem großen Fenster der Kabine blicken

Vier Jahreszeiten binnen weniger Stunden
Der Zivilisation haben wir in Punta Arenas den Rücken gekehrt. Das überschaubare Städtchen im Süden Chiles war einst ein florierender Hafen. Aus aller Welt trafen hier Schiffe ein, die zwischen Atlantik und Pazifik die Magellan-Straße querten. Mit der Eröffnung des Panamakanals verlor Punta Arenas an Bedeutung. Heute tummeln sich hier wenige Touristen, die sich in den zahlreichen Outdoor-Shops mit wetterfester Kleidung eindecken.

Denn schon hier zeigt sich, welche Kapriolen der Himmel schlagen kann. "In Patagonien haben wir vier Jahreszeiten, alle innerhalb weniger Stunden", lacht der Taxifahrer fröhlich, der mich zum Schiff bringt. Mit ihm lacht die Sonne um die Wette – und trotzdem breitet sich über dem Hafen ein Regenbogen aus. "Der Wind ist so stark, dass er Regen auch aus weiter Ferne bis hierher treibt, deswegen haben wir oft bei strahlendem Wetter Regenbögen", erklärt er das bunte Phänomen.

Der Wind als ständiger Begleiter
Der Wind wird auf dieser Reise unser ständiger Begleiter sein. Er und das Eis haben Patagonien, diesem Landstrich, der sich über das südliche Chile und Argentinien zieht, sein Aussehen verliehen. "Das Eis ist ein wahrer Künstler", bestätigt auch Francesco beim ersten Landgang in der Ainsworth-Bucht.

Glatt geschliffene Granitsteine liegen wie große Murmeln am Strand, poliert von Eis, Meer und Wind. Einst war ganz Patagonien in eine drei Kilometer dicke Eisdecke gepackt. Nach dem Ende der letzten Eiszeit, vor zirka 12.000 Jahren, gewann das Land langsam Oberhand – erst kamen Moose, Gräser, Bäume, dann Tiere und schließlich der Mensch.

Ureinwohner bald nur mehr im Museum
Von den Ureinwohnern, den Yamanas, finden wir die letzten Spuren tags darauf in der malerischen Wulaia-Bucht. Im einzigen Gebäude weit und breit, der alten Poststation, hat "Australis" ein kleines Museum über sie eingerichtet. Fast nackt trotzten die Yamanas den kalten Temperaturen – dick eingecremt in Seelöwen-Fett, bewegten sie sich hauptsächlich in ihren Kanus fort.

Die Natur konnten sie überleben, nicht die weißen Siedler, die sie fast restlos ausrotteten. Eine einzige Yamana-Frau hat bis heute überlebt. Und irgendwann wird man auch ihre Geschichte nur noch im Museum finden… Die alte Poststation ist hier übrigens noch "in Betrieb" – wie früher kann man in einem Fass seinen Brief deponieren und dafür einen herausfischen, um ihn wie einst mit in die Zivilisation zu nehmen und an seinen Empfänger zu schicken.

Die Menschen sind auf dieser Reise nicht das Highlight, sondern die Tiere. Allen voran die putzigen Magellan-Pinguine, die sich ein paar Wochen im Jahr auf den Tucker-Inseln zum Brüten und Mausern einnisten. Fröhlich watscheln sie über den Strand und lassen sich von den seltsamen Gestalten in den quietschorangen Schwimmwesten nicht aus der Ruhe bringen.

Kap Hoorn: Starke Winde, stählernes Denkmal
Schließlich nimmt unser Schiff Kurs ans Ende der Welt – zumindest an den letzten Zipfel, bevor die endlose Weite der Antarktis vor einem liegt: das sagenumwobene Kap Hoorn. Herman Melville, Jules Verne, Edgar Allen Poe und viele mehr haben diesen launischen Winkel der Erde in ihren wilden Geschichten verewigt – und dass sie nicht übertrieben haben, bekommen wir in der Nacht zu spüren. Die Wellen lassen das kleine Schiff tanzen, auf und ab, hin und her. Alles, was nicht festgemacht wurde, kugelt durch die Kabine (inklusive mir), die Wellen schwappen mit voller Wucht an die Fensterscheiben.

Doch irgendwann taucht in den frühen Morgenstunden das Kap vor uns auf. Und das Wetter hält kurz inne, um uns den Landgang zu ermöglichen. Der Regen hämmert uns waagrecht ins Gesicht – aber hartnäckig kämpfen wir uns bis zum Wahrzeichen des Kap Hoorns vor – dem futuristischen Albatros, der hier seit 1992 Stürmen bis zu 200 km/h standhält. Er erinnert an die rund 800 Schiffe und mehr als 10.000 Seeleute, die in den gnadenlosen Wellen für immer verschwanden. "Sie fliegen heute auf meinen Schwingen in die Ewigkeit", steht auf dem stählernen Denkmal geschrieben.

Nach vier unglaublichen Tagen legt die "Stella Australis" in Ushuaia an. Im Hafen hört man Hämmern, das Brummen der Autos, knatternde Maschinen, und unbarmherzig piepst das Handy in der Tasche. Um wie viel schöner ist es doch, wenn das Grollen des Eises die Stille durchbricht... Die kurze Kreuzfahrt verbindet man am besten mit einer Südamerika-Rundreise.

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