Fisch unter Fischen

Malediven: Abenteuer ober und unter Wasser

Reisen & Urlaub
04.04.2015 17:00
Zwölf dicke Bücher hab ich auf meinen Kindle geladen. Gelesen hab ich kein einziges – die wahren Abenteuer spielen sich auf den Malediven nämlich nicht im Kopf ab…

Es wird ganz schwarz unter mir. Ein Schatten, ein großer mächtiger Schatten schiebt sich unter mich und schwebt wie ein großer Mantel, als gäbe es mich gar nicht. Lele, unser Schnorchelguide, wachelt aufgeregt mit den Händen: MANTAROCHEN! Es dauert einige Sekunden, bis ich begreife, dass der schwebende Riese wirklich auf Tuchfühlung mit mir segelt. Da, ein zweiter Schatten – diesmal direkt neben mir, auf Augenhöhe. Wie uns Lele später erzählt, ist das Exemplar knappe drei Meter groß. Sanft und friedlich hebt und senkt er die Flossen und schwimmt synchron mit mir. Und sein kluges großes Auge mit weißem Rand sieht mich direkt an. Als würde er mit mir kommunizieren.

Bevor wir zu unserer Tagestour an das Tor des Ari-Atolls zum Indischen Ozean aufgebrochen sind, hat uns Lele wenig Hoffnung gemacht: "Die Mantarochen kommen seit Wochen nicht. Wir brauchen Glück, um einen zu sehen. Der gigantische Planktonfresser ist nämlich genauso scheu wie ungefährlich." Wir haben dieses Glück, das wir uns so gewünscht hatten: Nach einer Stunde sind es acht der wunderbaren Tiere, die sich zu uns gesellt haben. Und einer wollte es genau wissen, er hat unsere kleine Gruppe von drei neugierigen, ihm unbekannten Flossenwesen mit den großen Brillen auf der Nase gut 20 Minuten begleitet. Ganz furchtlos ist er unter uns getaucht, um plötzlich, nur wenige Zentimeter von uns entfernt, wieder aufzutauchen. Es war, als ob seine Flosse uns zum Abschluss gewinkt hätte, aber ich gebe zu, bei solchen Abenteuern geht gern die Phantasie mit einem durch.

Auf der Rückfahrt auf unserem Dhoni (dem typischen Boot der wunderbaren Inselwelt der Malediven) sprechen wir nicht viel. Das Auftauchen aus der dunklen Planktonwelt der Mantarochen in die Farbenpracht des Ari-Atolls nimmt einem förmlich die Luft. 40 Minuten tuckert das Dhoni vorbei an Inseln und schippert uns wieder heim. Heim ist sprichwörtlich gemeint, denn es dauert nur ein paar Minuten, um sich auf Athuruga zu fühlen, als wäre man Teil dieser klitzekleinen Erhebung im Meer. 150 Gäste sind hier das Maximum, und auch die verteilen sich angenehm auf die Beach-Bungalows auf der Insel selbst und die nobleren, aber auch sterileren Häuser, die auf Stelzen im Wasser stehen.

Schlicht nichts
Unsere Freunde hatten recht, als sie uns auf die Urlaubswoche vorbereitet hatten: "Kick off your shoes, also wirf sie sofort in das Köfferchen, wenn du in Male ankommst. Hier, im Paradies, geht man bloßfüßig. Nimm nicht mehr als zwei kurze Hosen, zwei T-Shirts und zwei Kleider mit. Alles wird über Nacht gewaschen und liegt gebügelt des Morgens wieder im Zimmer." Wir haben alles berücksichtigt, nur dass auch Bücher überflüssig sind, wollte uns Leseratten nicht wirklich einleuchten. Der Tag ist lang, und was tut man, um ja nicht in den Langeweilemodus zu verfallen? Ich weiß es jetzt – schlicht nichts.

Sonnenaufgang, Frühstück, Fische...
Abenteuer eins: Sonnenaufgang! Abenteuer zwei: herrliche Früchte zum Frühstück, frische Säfte und einfach alles, was man sich so vorstellt, wenn man ans Paradies denkt. Abenteuer drei: erster Schnorchelgang am Außenriff. Die Unterwasserwelt zeigt sich zu jeder Tageszeit von einer anderen Seite. Ganz schnell stellt man fest – Fische, die vormittags kommen, sind ganz andere als am Nachmittag. Und die wiederum machen in der Abenddämmerung Platz für die Nachtschwärmer. Auch wenn die Korallen, wie leider fast überall auf der Welt, ihre Farben längst verloren haben, die bunten Schuppengefährten machen diese traurige Tatsache wieder wett. Fisch unter Fischen zu sein, das ist das Gefühl, das ich hatte. Du treibst langsam mit den Schwärmen bunter Flossler, du hörst ihr emsiges Knabbern an den Korallen, und du lachst, wenn sie sich gegenseitig wie im Spiel jagen.

Mittagessen, Schildkröten und Sonnenuntergang
Abenteuer vier: Mittagessen im Sand mit Blick auf die Inselwelt. "Delfine", ruft plötzlich ein Kellner. Und wirklich, eine ganze Familie springt in die Luft und schlägt fröhliche Salti direkt vor unserer Nase. Ein Schauspiel, das sie nicht oft geben. Abenteuer fünf: unsere Hausturtles, wie wir sie nennen. Die riesigen Schildkröten mit dem Blick, als würde all das Leid der Welt auf ihrem Panzer lasten, sind nicht scheu. Sie haben sich längst daran gewöhnt, Menschen an ihrer Seite zu haben. Solange wir respektieren, dass sie hier wirklich zu Hause sind und wir nur Gast im Paradies.

Wenn das nicht genug Abenteuer sind, um einen Tag auszufüllen, dann ist da noch Willi. Der große Reiher stolziert wie ein Soldat am Strand auf und ab, auf der Suche nach Fischen. Manchmal, wenn du so daliegst und vor Glück seufzend aufs Wasser starrst und wieder einmal den Sinn für das Unglaubliche schärfst, kommt er und setzt sich kurz zu dir. Und schließlich, Abenteuer sechs: der Sonnenuntergang. Und schau an, ich hab wieder einmal keine Zeile gelesen – und bin nur glücklich! Als Gast einer Himmels-, verzeihen Sie, Weltgegend, für die wir alles dran setzen sollten, dass sie uns noch lange erhalten bleibt.

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