Reisereportage

Japan: Die Geräuschprinzessin und der Wackeldackel

Reisen & Urlaub
09.08.2014 17:00
Auf Rundreise durch das ferne Japan. Das Land fasziniert durch seine uralte Kultur. Die Japaner sind mit ihren teils skurrilen Eigenarten jedoch nicht minder faszinierend.

Heimgekehrt von der ersten Japanreise seines Lebens, braucht man als Europäer Zeit zum Durchschnaufen. Alles in Japan ist für uns neu, exotisch, skurril, fremd. Japan ist eben ganz anders als Österreich. Unsere daheim oft auf Autopilot geschalteten Gehirne und Sinne bekommen im fernen Nippon richtig was zu tun!

Elf Tage waren wir mit einer Reisegruppe unterwegs. Hin und zurück ging es per Direktflug mit der AUA über Wien und Tokio (Narita-Airport). Die Stationen: Tokio, Hiroshima, Kyoto und wieder Tokio. Dazwischen thront unvergesslich der Fuji-san (bei uns in einer falschen Übersetzung als Fujiyama berühmt). Einen Zwischenstopp gab es in einem "Onsen" – einer japanischen Therme.

Höflich ja, teuer nein
Die hervorstechendste Eigenschaft der Japaner ist: Sie finden immer einen Grund, sich vor einem zu verbeugen. Der Europäer, der sich dieser Gepflogenheit hingibt, kommt sich binnen kürzester Zeit vor wie ein Wackeldackel. Und wer eine Ahnung davon bekommen will, wie sich die Queen fühlt, der braucht nur in einem japanischen Geschäft einzukaufen! Die Japaner sind extrem höfliche und freundliche Leute. Diese Freundlichkeit ist keineswegs nur gut gelernt, roboterhaft und ohne echte Herzlichkeit, wie es mitunter heißt.

Während die Vorstellung vom höflichen Japaner stimmt (von wenigen "Grantlern" abgesehen), entpuppt sich diese als falsch: Japan ist teuer! Der Yen hat in den vergangenen Jahren mehr als 40 Prozent an Wert verloren. Man kann gut und günstig essen und trinken – zu österreichischen Preisen oder billiger. Und es gibt keineswegs nur rohen Fisch oder Algen. In einem Lokal entdeckten wir gar Wiener Schnitzel – aber wir wollten keine unhöflichen Europäer sein und Japans Küche verschmähen. Die wird ja spektakulär präsentiert: Mit Speisen-Attrappen, täuschend echt wirkenden Kunstwerken, die in Auslagen von Lokalen zu bewundern sind.

"Ahhhhs" und "Ohhhhs" garantiert
Kunstwerke nicht profaner Art kann man in den Schreinen (shintoistisch) und Tempeln (buddhistisch) bestaunen. Was dort glänzt, ist oft wirklich Gold – wie im Schrein- und Tempelbezirk Nikko zirka eine Fahrtstunde mit dem Bus von Tokio entfernt. In den Schreinen wird man Zeuge einer recht praktischen Tradition: Man kann Zettel kaufen, mit kurzen Botschaften, die einem die Zukunft vorhersagen. Fällt diese Voraussage jedoch nicht gut aus, kann man den Zettel im Schrein zurücklassen. Und schon geht man wieder einer rosigen Zukunft entgegen!

Beim Anblick des gewaltigen Buddhas in Kamakura (zwischen Tokio und Hiroshima) entfahren einem unwillkürlich einige "Ohhhhs". Sieht man dann den "Daibutsu", die größte bronzene Buddhastatue der Welt in Nara, kommen zu den "Ohhhhs" garantiert noch einige "Ahhhhs" dazu.

Eine der vielleicht schönsten Tempelanlagen ist der Dashoin-Tempel auf der heiligen Insel Miyajima (bei Hiroshima) mit seinen comicartigen Figuren und verwunschenen Pfaden. Neben dem weltbekannten roten Tor im Wasser vor dem Itsukushima-Schrein hat Miyajima noch eine weitere unvergessliche Attraktion: unzählige frei laufende heilige Rehe. Die Tiere mischen sich ohne Scheu unter die Touristen – und stibitzen schon einmal die Jause oder den Stadtplan aus dem offenen Rucksack. Auch der eine oder andere Yen-Schein muss dran glauben.

Tradition und Moderne in Tokio
Japans Städte sind ein Kapitel für sich. Der Großraum Tokio gilt mit seinen rund 37 Millionen Einwohnern als größte Metropolregion der Erde. Japan hat aktuell 127 Millionen Einwohner, auf einer Fläche, die nur knapp größer ist als Deutschland mit 82 Millionen Einwohnern. Japan ist stark bewaldet und von Gebirgen durchzogen – der Lebensraum ist sehr eng. Wie eng, sieht man auf der Hauptinsel Honshu, wenn man mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen von Kyoto nach Tokio fährt. Auf der knapp 500 Kilometer langen Strecke donnert man mit bis zu 300 km/h durch ein einziges Häusermeer.

Sich mit Tokio anzufreunden, ist nicht einfach, die Größe kann einen überfordern. Tokio ist grell und bunt, dann wieder traditionell (etwa im Viertel Asakusa). Tokio ist einerseits hochmodern und erinnert andererseits mit freihängenden, verwickelten Stromleitungen und schlichten Häusern an die Karibik. Apropos Karibik: Im Juli und August sollte man nicht nach Japan reisen – schon auf unserer Reise Ende Mai, Anfang Juni war es extrem schwül. Tokio ist im Gegensatz zu anderen Großstädten blitzsauber – obwohl es so gut wie keine öffentlichen Müllbehälter gibt (das gilt für alle Städte, die wir besucht haben). Die wurden nach dem Giftgasanschlag der Aum-Sekte auf die Tokioter U-Bahn 1995 aus Sicherheitsgründen abmontiert. Die ordentlichen Japaner nehmen ihren Müll mit heim.

Übersichtlichkeit in Hiroshima und Kyoto
Anders als Tokio sind Hiroshima und Kyoto übersichtlich. Beide Städte wirken in ihren Zentren sehr amerikanisch. Vor allem die jüngeren Japaner orientieren sich sichtlich an der US-amerikanischen Lebensweise, auch in Hiroshima, dem Ort des Atombombenabwurfs durch die Amerikaner am 6. August 1945. Die Menschen und ihre Stadt wurden pulverisiert. Zum Erinnern ist viel Raum, im Friedenspark, vor der Handelskammer, einem der wenigen Gebäude, die nicht völlig zerstört wurden, im Friedensmuseum, im Atombomben-Dom. Es sind bedrückende, verstörende Orte, auch wenn man das Grauen von einst nicht einmal im Ansatz zu erahnen vermag. Aber: Hiroshima ist keine deprimierende Stadt, Hiroshima ist lebendig, pulsierend, fröhlich.

Attribute, die noch mehr für Kyoto gelten. Ein Tipp für Kyoto ist der große Delikatessenmarkt "Nishiki-dori" im Zentrum, der angesichts nicht zu identifizierender Kreationen zu einer regelrechten Speisen-Rätsel-Rallye einlädt. Wer einer Geisha begegnen möchte, der hat im alten Kyoter Stadtteil "Gion" am späten Nachmittag bzw. Abend gute Chancen; auch wenn es immer weniger junge Japanerinnen gibt, die sich die beinharte Ausbildung antun wollen.

Darum ist Japan eine Reise wert
Kaum jemand hat das ferne Japan nicht auf seiner "Dort-will-ich-einmal-hin-Liste" stehen; aber in der Regel nicht ganz oben, weswegen die allermeisten immer nur beinahe nach Japan reisen. Schade! Japan ist allein wegen seiner Andersartigkeit eine Reise wert. Gewiss ist: Man hat jede Menge zu erzählen, wenn man nach Hause kommt. Zum Beispiel von der "Otohime", der "Geräuschprinzessin" in (enorm sauberen) öffentlichen Toiletten. Die "Otohime" spielt, vorzugsweise auf Damentoiletten, sanfte Weisen, ahmt Meeresrauschen oder Vogelgesang nach, je nach Gusto – weil die Japanerin ihre Nachbarin nicht stören will. Man kann auch erzählen, wie japanische Schüler auf einen zugestürmt sind, bloß weil man eine weiße "Langnase" ist, dabei ein fröhliches "Hello, nice to meet you!" schmetternd. Einige Schüler haben mit uns abgeklatscht. Ganz kurz fühlten wir uns wie Berühmtheiten.

Die Frage, ob man Japan allein oder mit einer Gruppe bereisen soll, muss jeder für sich entscheiden. Sehr sicher fühlt man sich jedenfalls, auch wenn man allein flaniert. Aber die Sprachbarriere ist groß. Aus Höflichkeit sprechen manche Japaner nicht Englisch, obwohl sie es in der Schule lernen – sie wollen nicht, dass wir sie nicht verstehen. Aufgrund der Sprachbarriere  und des "Kulturschocks" macht eine Reisegruppe beim ersten Japanbesuch Sinn – praktisch ist's auch, weil man sich um nichts kümmern muss.

Wer wegen Fukushima Sorge hat: Laut TÜV-Rheinland ist unsere Reiseroute ungefährlich (Zertifizierung gilt vorerst bis 1. Jänner 2015)!

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