"Krone"-Interview

Wie soll es mit der Hypo weitergehen, Herr Wolf?

Österreich
13.04.2014 19:08
Noch dieses Jahr soll das Sorgenkind Hypo in die ÖIAG übergehen, wo Siegfried Wolf (56) "Vize" ist. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der Spitzenmanager über die Perspektiven für Österreichs "Bad Bank" und seine Beziehung zu Wladimir Putin.

Sein Firmensitz am Wiener Schillerplatz trägt den unaufdringlichen Namen "Basic Element Management GmbH". Böden aus grauem Marmor, riesige schwarze Teppiche mit japanischen Blütenornamenten, dazwischen Jagdtrophäen über einem offenen Kamin. Zum barocken Schreibtisch hat Sigi Wolf ein grellbuntes Porträt der Moskauer Maria-Verkündigungs-Kathedrale gehängt, für die Wand gegenüber malte der niederösterreichische Künstler Voka im gleichen Stil die Wiener Karlskirche. In diesem Spannungsfeld spielt sich Wolfs Geschäftsleben ab.

"Ich verbringe sicher 240 Tage im Jahr in Russland", erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende von Oleg Deripaskas "Russian Machines" - die Bauholding des russischen Oligarchen hat einen Großteil der Olympiastadt Sotchi gebaut. In Österreich sitzt Wolf in der ÖIAG, bei der es noch dieses Jahr zu umfangreichen Veränderungen kommen soll, und in zahlreichen anderen Aufsichtsräten. Im "Krone"-Interview spricht der mächtige Manager bedächtig, fast leise, und immer wieder klingt die steirische Sprachmelodie durch.

"Krone": Herr Wolf, bisher haben mehr als 138.000 Menschen die Petition für einen Hypo-Untersuchungsausschuss unterschrieben. Sie auch?
Siegfried Wolf: Nein, ich nicht.

"Krone": Warum nicht?
Wolf: Weil ich denke, dass sich das Thema nicht für Polemik und politisches Kleingeld eignet. Auch wenn ein Herr Pilz sagt, er ist eh nicht dabei. Schauen wir uns doch die letzten Untersuchungsausschüsse an. Was ist denn da zutage getreten, außer dass sich einige Neurotiker profilieren konnten? Da bin ich eher auf Seiten von Finanzminister Michael Spindelegger, der Fakten fordert.

"Krone": Der letzte Untersuchungsausschuss wurde vorzeitig beendet, da können nicht viel Fakten herauskommen...
Wolf: Na gut, ich bin da zu wenig involviert. Aber wir haben in Österreich eine Gerichtsbarkeit. Wenn es Verdachtsmomente gibt, haben wir die Staatsanwaltschaft, die sollte sich auch einmischen, wenn es darum geht, politische Immunitäten aufzuheben. Ich würde also so einen Fall eher Leuten überlassen, die dieses Geschäft auch wirklich verstehen.

"Krone": Spindelegger hat seine Expertenkommission unter der Leitung der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss letzte Woche vorgestellt: Entspricht dieses Gremium Ihren Erwartungen?
Wolf: Das ist sicher eine gute Sache. Darauf kann man aufbauen.

"Krone": Ist die "Anstaltslösung" der Regierung, Stichwort "Bad Bank", denn insgesamt eine gute Lösung?
Wolf: Ich denke ja. Denn worum geht es bei der Hypo eigentlich? Es geht darum, den Schaden für die Republik möglichst gering zu halten, Land und Bund so gut wie möglich aus der Verpflichtung zu nehmen und den Österreichern letztlich die steuerschonendste Lösung anzubieten.

"Krone": Unterschätzen Sie da nicht den Zorn der Bevölkerung? Wie können 17,8 Milliarden Euro das Steuerschonendste sein?
Wolf: Ich verstehe den Zorn. Aber gerade deshalb muss jetzt schnell etwas passieren. Der Schaden ist eigentlich dadurch herbeigeführt worden, dass man seit 2005 nichts entschieden hat. Deshalb verstehe ich, dass es der Bevölkerung reicht. Einmal heißt es, wir brauchen als Übergangslösung 600 Millionen, dann sind es schon 900, dann schon 1,5 Milliarden. Jedem, der einen Haushalt führt, leuchtet es ein, dass man die Kosten nicht einfach verdreifachen kann. Da frage ich mich schon, wie kann so etwas sein.

"Krone": Als "Vize" der ÖIAG, in die die "Bad Bank" jetzt wandern soll, müssten Sie sich mit dem Debakel auseinandersetzen.
Wolf: Im Moment sind die Finanzproblemkinder woanders geparkt, nämlich in der FIMBAG. Das hat mit Peter Mitterbauer und mir relativ wenig zu tun.

"Krone": Stimmt das Gerücht, dass Sie aus der ÖIAG ausscheiden werden?
Wolf: Jedes Mandat ist zeitlich begrenzt, meines läuft 2015 ab. Wenn es zu einer Gesetzesänderung kommt, dann wird das wohl auch mit neuen Entscheidungen über die Besetzung des Aufsichtsrats einhergehen. Mit diesen Entscheidungen muss man leben. Nur soviel: Mit dem Eigentum der Österreicherinnen und Österreicher muss man sorgsam umgehen, deshalb sind meine Entscheidungen jedenfalls wirtschaftlich überlegt und nicht politisch motiviert.

"Krone": Die Politik will wieder mehr Einfluss auf die ÖIAG nehmen. Können Sie das nicht verstehen?
Wolf: Wenn das der Wunsch der Regierung ist, dass sie politisch Einfluss nehmen will, dann ist es so... Ich finde, man sollte ganz einfach die Faktenlage sprechen lassen. Als seinerzeit die Selbsterneuerung des Aufsichtsrates beschlossen wurde, ging es ja um das Gegenteil, um die Entziehung des politischen Einflusses. Die ÖIAG war hoch verschuldet, heute ist sie vollkommen schuldenfrei. Wir haben zwei Milliarden Euro Dividende an den Staat abführen können. Das ist die Faktenlage.

"Krone": Was sagen Sie zum Vorwurf, Sie hätten sich die ÖIAG als eine Art Privatverein gehalten, und Ihre Freunde da reingesetzt?
Wolf: Das ist wohl die Nachwuchshoffnung der ÖVP, die das ausstreut. Ich meine den Herrn Claus Raidl. Das ist nichts als Polemik und hilft uns nicht weiter. Es kostet mich nur einen müden Lacher.

"Krone": Bestreiten Sie auch, dass der Aufsichtsrat etwas Magna-lastig war?
Wolf: Kompletter Blödsinn. Wir haben die besten und hellsten Köpfe gewinnen können und ich finde es eigentlich schäbig von manchen Herrschaften, Aufsichtsräte, die sich dieser Verantwortung gestellt und sich erfolgreich für den österreichischen Staat eingesetzt haben, so zu desavouieren.

"Krone": Es heißt, Sie würden den Finanzminister in Sachen Hypo beraten. Stimmt das?
Wolf: Ich führe mit vielen Leuten Gesprächen, weil ich mir Sorgen mache. Wenn der Bundespräsident sagt, das sei die größte fiskalpolitische Katastrophe, die es in Österreich je gegeben habe, dann denke ich hat er Recht.

"Krone": Wie soll es mit der Hypo weitergehen?
Wolf: Ich denke, die Anstaltslösung muss auf jeden Fall unter privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten abgehandelt werden. Denn ein Privatinvestor setzt sein eigenes Kapital ein, übernimmt damit selbst Verantwortung und handelt nicht nur unter Absicherung und Haftung des Staates.

"Krone": Kennen Sie vielleicht ein paar reiche Russen, die so verrückt wären, bei der Hypo einzusteigen?
Wolf: Damit habe ich mich nicht auseinandergesetzt. Wenn man die Faktenlage nicht ganz genau kennt, tut man sich schwer, jemandem so ein Geschäft zu empfehlen. Ich weiß nur eines: Wenn die an und für sich gute Anstaltslösung in Geiselhaft von Berufsdemonstranten und Berufskritikern genommen wird, dann wird es nicht funktionieren.

"Krone": Herr Wolf, Sie arbeiten seit 2011 für Oleg Deripaska und sollen sehr enge Kontakte zu Wladimir Putin haben. Halten Sie nach der Krim-Abspaltung und ähnlichen Tendenzen in der Ostukraine weiterhin zu ihm?
Wolf: Auch hier geht es nicht darum, zu wem ich halte, sondern um die Faktenlage. Wenn man sich die Aussagen der Frau Timoschenko zu Gemüte führt, dann müsste man eigentlich klar sehen, wer hier mehr den Aggressor spielt. Ich war erschrocken und verwundert zugleich, mit welcher Respektlosigkeit da Menschen einander begegnen.

"Krone": Sind Sie mit Putin befreundet?
Wolf: Mit Herrn Putin befreundet zu sein ist ein Privileg, das sehr wenige Menschen genießen. Ich gehöre sicherlich nicht dazu. Es gibt zwischen uns einen großen Respekt, wir haben jahrelang Lösungsansätze für Russland diskutiert und auch viele Dinge sehr erfolgreich umgesetzt.

"Krone": Aber auf der Krim hat Putin internationales Völkerrecht verletzt. Korrekt?

"Krone": Aber Putin trägt auch nicht gerade zur Deeskalierung der Lage bei...
Wolf: Ich kann diese Ansicht nicht teilen. Man muss Russland auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen, nicht immer nur Forderungen stellen. Bei Olympia hat man Russland zuerst investieren lassen und dann ging die Diskussion los: Soll man überhaupt hinfahren? Ich finde das nicht in Ordnung. Auch hier fehlt mir wieder der Respekt.

"Krone": Sie waren 15 Jahre lang für Frank Stronach tätig. Tut es Ihnen Leid, dass seine politische Karriere so kläglich geendet hat?
Wolf: Frank hatte viele Ansätze, die nicht verkehrt waren. Er hat sich nur oft schwer getan, sich auszudrücken. Dieser Mann hat Österreich sehr früh verlassen, seine ganze Erfolgsgeschichte hat sich in einer andern Sprache, in einer anderen Kultur, in einem andern System abgespielt. Da ist vieles anders rübergekommen und vor allem interpretiert worden, als er es gemeint hat. Diese Tatsache hat mir schon sehr zu denken gegeben. Auch hier hat mir zum Teil der Respekt gefehlt.

"Krone": Allerdings auch von Frank Stronachs Seite... Verdient in Ihren Augen jeder Mensch Respekt?
Wolf: Jeder. Das ist das Grundthema des Menschseins. Auch als Manager muss ich mich in meine Mitarbeiter hineinfühlen, hineindenken, ihnen Respekt entgegenbringen. Dann werden sie sich einbringen und dem Management viel zurückgeben.

"Krone": Von wie vielen Mitarbeitern sprechen Sie?
Wolf: Um die 200.000. Wenn nicht jeder gleich wichtig ist - vom Portier bis hinauf zur Spitze muss ich jedem "Grüß Gott" oder "Danke" sagen können - dann verliere ich die Bodenhaftung. Und wer die Bodenhaftung verliert, der begibt sich auf Glatteis.

"Krone": Sie zählen zu den mächtigsten Managern Europas: Was treibt Siegfried Wolf in seinem Innersten an?
Wolf: Vielleicht dieser Grundsatz: Du kannst die Erfolgsleiter nicht hinaufklettern, wenn deine Hände in der Hosentasche sind. Das heißt, man muss auch Dinge angreifen, sie wirklich wollen, mit einer ordentlichen Portion Ehrgeiz und dem Gefühl: "Das kann ich schaffen".

"Krone": Damit sind Sie so weit gekommen?
Wolf: Jedenfalls hatte ich keinerlei Karriereplanung. Ich wusste von meinen Eltern aber sehr genau, was Recht und Unrecht ist, dass man hart arbeiten muss und dass Neid und Missgunst nach der Sonne der größte Spender von negativer Energie sind. Diese Energie habe ich gemieden. Ich habe mich immer an Leuten orientiert, die was besser gemacht haben, und mir gedacht: Wow! Das müsste ich eigentlich auch zusammenbringen.

"Krone": Heute gelten Sie als meistverdienender Manager des Landes.
Wolf: Man muss ja nicht alles glauben. - Lacht.

"Krone": Wie viel Geld tragen Sie im Moment bei sich?
Wolf: Zieht eine braune Brieftasche aus dem Sakko und schaut nach. - Doch 310 Euro.

"Krone": Wie viele Kreditkarten?
Wolf: Nur eine, die ist dafür gedeckt.

"Krone": Platin?
Wolf: Nein, denn die Farbe der Kreditkarte ist mir nicht wichtig. Man sollte beim Kunden keine Unterscheidungen machen.

"Krone": Geben Sie einem Bettler da unten am Schillerplatz Geld?
Wolf: Ich habe es ganz gerne, wenn ich weiß, was mit dem Geld geschieht. Das meine ich jetzt nicht diskriminierend, aber ich gebe lieber einer Bergbauernfamilie Geld, wo ich weiß, bei denen brennt es im Moment, als einem Bettler, der vielleicht für eine übergeordnete Organisation arbeitet.

"Krone": Sprechen Sie eigentlich mittlerweile schon Russisch?
Wolf: Ja, aber bei weitem nicht so gut, wie ich mir das vorgestellt habe. Das Problem ist: In Russland wollen alle Leute mit mir Englisch sprechen. Aber meine Arbeit in Russland ist auch kein Sprachkurs.

"Krone": Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Wolf: Am Bauernhof in Niederösterreich oder auf meiner Farm in Afrika. Leider Gottes steht sie in Zimbabwe. Ich baue dort ein bisschen Tabak an. Das wäre eine schöne Sache. Dann mache ich das, was ich mir schon als Kind gewünscht habe. Ich wollte eigentlich immer Landwirt sein.

Zur Person
Geboren am 31. Oktober 1967 als zweites von sieben Kindern einer Bauernfamilie in Merkendorf, Oststeiermark. Nach einer Lehre als Werkzeugmacher macht er die HTL-Abendmatura und arbeitet bei den Vereinigten Wiener Metallwerken, danach bei der Munitionsfabrik Hirtenberger. Von 1994 bis 2010 ist der Steirer für den Autozuliefer-Konzern Magna tätig, ab 2005 folgt er Frank Stronach als Chief Executive Officer der Magna International nach. Im November 2010 wechselt er zu Oleg Deripaskas "Russian Machines", wo er Aufsichtsratsvorsitzender ist. Privat ist Wolf seit 27 Jahren mit Andrea verheiratet und hat zwei Kinder (Julia ist 21, Stefanie 26 Jahre alt).

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