Wer folgt nach?

Spindelegger-Rücktritt: Schockstarre in der ÖVP

Österreich
26.08.2014 19:17
"Es gibt bei uns wohl keine rasche Entscheidung", hieß es am Dienstagnachmittag nach dem plötzlichen Rücktritt Michael Spindeleggers (siehe ausführliche Berichterstattung in der Infobox) aus ÖVP-Kreisen. Die derzeit führungslose Volkspartei befindet sich in einer Schockstarre. Dennoch deutet vieles auf Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner als Nachfolger hin, allein schon, weil die Alternativen fehlen.

Am deutlichsten für Mitterlehner sprach sich am Dienstagabend vor der möglicherweise entscheidenden Parteivorstandssitzung der ÖVP-Bauernbund aus: Obmann Jakob Auer sagte, er gehe "mit einem Gefühl der Erwartung einer Entscheidung" in die Sitzung, bei der man Mitterlehner unterstützen werde.

Khol: "Kompliziertes Wesen" ÖVP
Andere Parteigranden zeigten sich beim Eintreffen in der Parteizentrale zurückhaltend. Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf glaubte zum Beispiel "eher nicht" an eine Entscheidung schon am Dienstag. Ähnlich äußerte sich Seniorenbundobmann Andreas Khol: "Die ÖVP ist ein kompliziertes Wesen. Innerhalb von zehn Stunden einen Obmann zu finden, halte ich für sehr schwierig."

Angesagt hatten sich die meisten Parteigranden, einige mussten extra aus dem Ausland anreisen. Entschuldigen ließ sich allerdings Niederösterreichs noch im Urlaub befindlicher mächtiger Landeschef Erwin Pröll. Dessen engere Landsfrau, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, nahm sich vor der Sitzung selbst aus dem Spiel um die Spindelegger-Nachfolge: "Ich stehe nicht zur Verfügung."

Burgenlands Landesparteichef Franz Steindl wollte zwar keine Namen nennen, ließ aber durchblicken, dass die Obmannfrage noch am Dienstag geklärt werde: "Ich glaube, es werden heute Entscheidungen getroffen." Ähnlich der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer: Er erklärte, die Gespräche seien "weit gediehen", allerdings sei er dafür, sich noch Zeit zu lassen.

Vizekanzler und Finanzminister trennen?
Abwartend zeigte sich Wirtschaftsbund-Obmann Christoph Leitl, der zuerst intern diskutieren will. Er plädierte aber klar für die personelle Trennung von Vizekanzler und Finanzminister: "Ich habe es dreimal (bei Wilhelm Molterer, Josef Pröll und Spindelegger, Anm.) für einen Blödsinn gehalten, und dreimal bin ich bestätigt worden. Ein viertes Mal sollten wir es nicht machen."

Die ÖVP hat es jedenfalls mit einer Mammutaufgabe zu tun - schließlich hat man mit Spindelegger nicht nur den Vizekanzler, sondern auch den Finanzminister und Bundesparteiobmann verloren. Nun wird wohl das "Ministerkarussell" gedreht - selbst von einer "ganz großen Rochade" ist die Rede. Nach Informationen der "Krone" fest im Sattel ihrer aktuellen Funktionen sitzen dabei Andrä Rupprechter (Landwirtschaft) und Sophie Karmasin (Familie). Am Sessel von Mikl-Leitner dürfte ebenfalls nicht zu rütteln sein.

Mitterlehner Parteichef, Lopatka Finanzminister?
Topfavorit auf den Parteichef-Posten ist wohl tatsächlich Mitterlehner - der Vize-ÖVP-Chef hat auch interimsmäßig die Parteileitung übernommen. Mitterlehner, der sich am Abend für eine "zeitnahe Entscheidung" der Personalfragen aussprach, könnte trotz Skepsis innerhalb der Partei neuer Obmann und Vizekanzler werden. Er solle aber, ganz nach dem Wunsch Leitls, nicht ins Finanzministerium wechseln, heißt es - damit er nicht ähnlich zerrieben werde wie Spindelegger.

Für die Nachbesetzung im Finanzministerium wird ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka gehandelt, der schon Staatssekretär in diesem Ressort war. Allerdings ist auch eine "Lösung von außen" möglich: Als weiterer heißer Kandidat gilt Hans Jörg Schelling, Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger.

Vor allem aus Wien soll im Hinblick auf die Landtagswahlen 2015 der Ruf nach dem jungen Aufsteiger Sebastian Kurz (27) kommen. Der populäre Außenminister würde der Partei wohl wieder Aufwind verschaffen - an Experimenten mit einem "Jugendlichen" könne sich die ÖVP allerdings auch schwer die Finger verbrennen, heißt es. Zudem will man Kurz wohl noch nicht "verheizen".

Spindelegger "extrem sauer und menschlich enttäuscht"
Auch über die "wahren Hintergründe" von Spindeleggers Rücktritt wird innerhalb der Volkspartei heftig diskutiert - so soll der nunmehr ehemalige Vizkanzler menschlich schwer enttäuscht von seinen Parteikollegen und "extrem sauer" sein. Eine private Ausnahmesituation habe man ausgenutzt, um ihn zu stürzen - Spindelegger hatte kürzlich seinen 95-jährigen Vater beerdigt.

Zudem berichten Quellen von einer geplanten "Kampfabstimmung" der Parteigremien, vor der Spindelegger nun schlicht "geflüchtet" sei, weil er sie wohl verloren hätte. Der Druck der ÖVP-Westachse um Tirols Landeshauptmann Günther Platter in Richtung Steuerreform sei zu groß geworden.

Zangerl als "Sargnagel"
Den Rest, so heißt es, habe Spindelegger aber der von der ÖVP gestellte AK-Präsident Tirols, Erwin Zangerl, gegeben, der ganz offen Spindeleggers Rücktritt verlangt hatte. Dazu ein VP-Insider: "Da sagt ein Würschtel aus Tirol, der Spindelegger soll sich schleichen - wenn es einmal so weit gekommen ist, dann darf man sich nicht wundern, wenn einer alles hinschmeißt."

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele