Nach Asyl-"Gewitter"

Neue Fronten quer durch Bund, Länder und Parteien

Österreich
25.06.2015 13:54
Eine "gewittrige Debatte" hat der nächtliche Asylgipfel am Mittwoch laut dem Gastgeber, Kanzler Werner Faymann, gebracht. Von einem reinigenden Gewitter kann jedoch kaum die Rede sein, im Gegenteil: Die Fronten scheinen starrer als zuvor. Die Bezirksquoten sind vom Tisch, wofür vor allem die ÖVP-geführten Länder gesorgt haben. Die Bruchlinien bei der Flüchtlingsunterbringung verlaufen nicht nur zwischen Bund und Ländern, auch die Länder untereinander sind alles andere als einig.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser etwa hielt auch am Tag nach dem gescheiterten Gipfel an seiner Forderung nach Bezirksquoten fest. Er kündigte Gespräche mit Bezirkshauptleuten an, um die Umsetzung voranzutreiben. "Enttäuschend" sei der Gipfel im Bundeskanzleramt verlaufen. "Dass Vorschläge wie die Bezirkssteuerungsgruppe noch am Montag von politischen Partnern unterstützt werden und von denselben zwei Tage später offenbar nach Druck aus den eigenen politischen Reihen abgelehnt werden, wirft kein gutes Licht", so Kaiser.

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter machte hingegen seine Ablehnung einer Regelung auf Bezirksebene erneut deutlich: "Ich habe mich dezidiert gegen Bezirksquoten ausgesprochen, weil sie das Problem lediglich verlagern, aber nicht zu einer Lösung beitragen", sagte Platter am Donnerstag. Bezirksquoten seien ein "unausgereifter Vorschlag" und würden mehr verunsichern als helfen. Die Bundesländer seien "sehr wohl" in der Lage, selbst für eine ausgewogene Verteilung der Kriegsflüchtlinge zu sorgen. Platter forderte Faymann auf, hinsichtlich einer Verteilungsquote auf europäischer Ebene "Druck auf seine Amtskollegen in der EU" zu machen.

Pröll: Faymann-Vorschläge "völlig praxisfern und -untauglich"
Ähnlich äußerte sich Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll, der einer der Wortführer gegen den Quotenvorschlag des Kanzlers gewesen war: Er habe Faymann dringend aufgefordert, mit den Regierungschefs der Nachbarstaaten Gespräche zu führen, sagte Pröll am Donnerstag. Der Asylgipfel sei "vom Kanzler äußerst oberflächlich vorbereitet" gewesen, so der Landeshauptmann ungewohnt scharf. Die Vorschläge seien "völlig praxisfern und -untauglich", die Bezirksquoten hätten ein "gegenseitiges Ausspielen" der Bezirke bedeutet.

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder reagierte auf das Scheitern des Gipfels mit einer Attacke auf den Koalitionspartner: Die ÖVP-Landeshauptleute hätten sich "unsolidarisch, unverständlich und enttäuschend" verhalten. Es sei "politisch und moralisch verwerflich, auf dem Rücken der Ärmsten Politik zu machen", so Schieder. Nun sei Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gefordert, "ihre" Landeshauptleute beim Wort zu nehmen, wenn diese davon sprechen, menschenwürdige und gerecht verteilte Unterkünfte organisieren zu wollen. Es sei ein "politisches Trauerspiel", wenn Landeshauptleute von der ÖVP, die sich Familienpartei nenne, Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Familien geflüchtet seien, einfach vergessen und ignorieren würden.

FPÖ: "Völliger Mangel an Managementkompetenz"
Und die Opposition? FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl nannte den Gipfel ein "Desaster", das Sinnbild des "völligen Mangels an Managementkompetenz und Leadership aufseiten der Bundesregierung" sei. Der Eindruck, dass Spitzenvertreter von SPÖ und ÖVP das Bild eines "unkoordinierten und zerstrittenen Haufens" abgeben würden, habe sich am Mittwoch weiter verstärkt - soweit das überhaupt noch möglich gewesen sei.

Die Grünen fordern einen "Masterplan für die kommenden Monate und das nächste Jahr", sagte Bundessprecherin Eva Glawischnig. Schuldzuweisungen würden kein einziges Quartier schaffen, so die Grünen-Chefin an die Adresse von Rot und Schwarz. Die Bundesregierung solle stattdessen auf die jahrzehntelange Expertise von NGOs wie Rotem Kreuz, Caritas, Diakonie und Volkshilfe, aber auch des UNHCR zurückgreifen.

Die außenpolitische Sprecherin des Team Stronach, Jessi Lintl, sagte, dass es in der Frage der Unterbringung von Flüchtlingen kein politisches Hickhack, sondern endlich sinnvolle und konstruktive Arbeit brauche. Es sei in der Koalition untragbar, "dass der schwarze Landeshauptmann Pröll den roten Kanzler Faymann derart abblitzen lässt".

NEOS: "Da wedelt der Schwanz mit dem Hund"
Von einer "Enttäuschung auf ganzer Linie" sprechen die NEOS. Die "an den Tag gelegte Untätigkeit und die immer wieder eingesetzte Verzögerungstaktik machen einfach sprachlos", so Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak. Der Asylgipfel habe deutlich gezeigt, was in Österreich schieflaufe: "Die Bundesländer sagen, wo es langgeht, und der Herr Bundeskanzler hat keine Durchsetzungskraft. Da wedelt der Schwanz mit dem Hund - und das alles auf dem Rücken der Flüchtlinge."

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