Hausrat "wertlos"?

Wien: Groteskes Urteil nach illegaler Delogierung

Österreich
13.10.2014 17:00
Immer wieder sorgen haarsträubende Praktiken von Hauseigentümern, die sich ihrer Mieter entledigen wollen, für Wirbel: Nun wurde in Wien-Meidling ein Fall von "kalter Delogierung" - wie es Juristen im Fachjargon nennen - bekannt, bei dem zwar der Vermieter für den unrechtmäßigen Rausschmiss unter Eigenregie belangt wurde. Für den bei der Nacht-und-Nebel-Aktion entstandenen Schaden musste er bislang allerdings nicht aufkommen.

Bereits Mitte 2013 hatte sich der Vermieter Zugang zur Wohnung des etwa 50-jährigen Mieters verschafft. Zusammen mit einigen Helfern wurden die Zimmer in Windeseile leer geräumt. Einbaumöbel wurden zerlegt, die Habseligkeiten in Säcke gestopft und alles in den Keller verfrachtet. Sogar den Kühlschrank voller Lebensmittel ereilte dasselbe Schicksal. Als der aus Pakistan stammende Mieter zurückkam, konnte er nicht einmal mehr die Wohnung betreten, denn auch das Türschloss war ausgetauscht worden.

"Natürlich ist es verboten, Mieter einfach ohne Gerichtshilfe eigenmächtig aus der angemieteten Wohnung auszusperren und den gesamten Wohnungsinhalt aus der Wohnung abzutransportieren", weiß Bernhard Brehm, der Anwalt des Mieters. Sofort wurde deshalb eine Besitzstörungsklage einbracht und die Rückgabe der Wohnung an den Mieter verlangt - mit Erfolg. Der Vermieter wurde verurteilt - er solle den Mieter wieder in die Wohnung lassen, hieß es.

Keine Sachbeschädigung, weil Hausrat "wertlos" ist?
Doch damit war die Causa keinesfalls beigelegt, da die Einrichtungsgegenstände, die im Keller gelandet waren, dadurch unbrauchbar gemacht worden waren. Deshalb wurde Strafanzeige eingebracht. Inkriminierter Schaden: 3.000 Euro. Bei der Verhandlung habe der Vermieter laut Brehm argumentiert, dass die Sachen ohnehin "wertlos" gewesen seien und daher keine Sachbeschädigung vorliegen könne.

Dass der Mieter letztlich ohne sein Eigentum bzw. Möbel dastand, die für ihn in jedem Fall einen Gebrauchswert hatten, davon ließ sich die Richterin offenbar nicht beeindrucken und sprach den Vermieter frei. Er kam somit ungestraft davon. Dieses Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, da Brehm umgehend Berufung anmeldete.

Der Wiener Jurist will nun die Öffentlichkeit auf diesen Missstand aufmerksam machen. "Die Praxis der 'kalten Delogierung' greift immer mehr um sich." Dass dann noch die Strafgerichte "bei derartig skrupellosen Methoden Milde walten lassen", sei "äußerst bedenklich". Wenn es Schule mache, niedrigen Mietzins zahlende Mieter einfach ohne Gerichtshilfe aus der Wohnung auszusperren und den gesamten Wohnungsinhalt abzutransportieren, sei "Eigenmacht Tür und Tor geöffnet", warnt Brehm.

Derart drastische Fälle noch "eher die Ausnahme"
Auch bei den Mieterschutzorganisationen ist man immer wieder mit illegalen Delogierungen konfrontiert. "Derartige Fälle" seien aber glücklicherweise "eher die Ausnahme", so Nadia Shah, Mietrechtsexpertin bei der Mietervereinigung Wien. Die unangenehme Lage des Mieters verstehe sie "persönlich gut", allerdings könne auch nicht alles strafrechtlich verfolgt werden. Sachentziehung und Besitzstörung würden in einem solchen Fall aber jedenfalls vorliegen.

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