Bewährungsstrafen

Vier Verurteilungen nach Sturm auf Migrantenverein

Österreich
20.04.2015 14:11
Mit vier Schuldsprüchen ist am Montag im Straflandesgericht der Prozess um die Erstürmung des türkischen Migrantenvereins ATIGF in Wien-Favoriten vom Oktober 2013 zu Ende gegangen. Zwei rechtsradikale Hooligans wurden wegen Hausfriedensbruchs, einer von ihnen zusätzlich wegen Körperverletzung zu zwölf bzw. 14 Monaten auf Bewährung verurteilt. Weitere fünf Fußballfans wurden mangels Beweisen freigesprochen.

Schuldsprüche setzte es zudem für zwei ebenfalls angeklagte KOMintern-Gewerkschafter, die den Eindringlingen, nachdem sie aus dem Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) vertrieben worden waren, nachliefen. Sie sollen laut erstinstanzlichem Urteil einen Mann, der wie die anderen Störenfriede dem mittlerweile offiziell verbotenen Austria-Wien-Fanklub "Unsterblich Wien" angehören soll, attackiert haben. Die Gewerkschafter wurden wegen schwerer Körperverletzung zu jeweils zwölf Monaten bedingt verurteilt. Sämtliche Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.

Für Richter Michael Tolstiuk stand am Ende der im September des Vorjahrs eröffneten Verhandlung fest, dass mehrere Fußballfans am Weg zur Generali Arena, wo ein Match der Austria gegen den Erzrivalen Rapid anstand, den Entschluss fassten, "im EKH vorbeizuschauen, um ein bisschen für Unruhe zu sorgen", wie er in der Urteilsbegründung sagte. Es sei den Hooligans aufs "Aufmischen" angekommen, so Tolstiuk.

Opfer krankenhausreif geschlagen
Als die Männer gegen die Eingangstür traten, fand im ersten Stock ein Frühstück des türkisch-kurdischen Kulturvereins ATIGF, an dem Frauen und Kinder teilnahmen, sowie eine Versammlung der kommunistischen Gewerkschaft KOMintern statt. Einige Aktivisten stellten sich den gewaltbereiten Hooligans in den Weg, ein 52-jähriger Gewerkschafter wurde im Stiegenhaus zusammengeschlagen. Der Mann, der Faustschläge gegen die Stirn und das Jochbein und Tritte gegen die Rippen kassierte, wurde erheblich verletzt. Laut seiner Anwältin leidet der Betroffene seither an Angst- und Durchschlafstörungen, traut sich ohne seinen Hund nicht mehr auf die Straße und ist nicht mehr in der Lage, seinen Beruf auszuüben.

Ein 34-jähriger Hooligan wurde für diese Körperverletzung zu 14 Monaten bedingt verurteilt. Außerdem muss er dem Verletzten eine finanzielle Wiedergutmachung von 3.475 Euro bezahlen. Abgesehen von einem zweiten Austria-Wien-Anhänger, den eine Zeugin anhand markanter Tattoos als einen der Eindringlinge identifizieren konnte, gab es bei den übrigen zur Anklage gebrachten Fußballfans nach Ansicht des Richters keine ausreichenden Beweise, dass sie das EKH gestürmt hatten. Von einer Beteiligung an den inkriminierten Vorgängen sei nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit auszugehen, befand Tolstiuk, weshalb er die fünf Männer, die bestritten, im EKH gewesen zu sein, im Zweifel freisprach. Wie Tolstiuk erklärte, habe "eine größere Zahl bisher nicht ausgeforschter Täter" bei der Erstürmung des EKH mitgemacht.

Gewerkschafter machten "Jagd" auf Hooligans
Den KOMintern-Gewerkschaftern - einem 43-jährigen Philosophen und einem 30 Jahre alten Lastwagenfahrer - billigte der Richter keine Notwehrsituation zu. Diese seien vielmehr mit einem dritten, ebenfalls bisher nicht ausgeforschten Täter den bereits abziehenden Hooligans nachgelaufen, hätten "eine Jagd begonnen" (Tolstiuk), jenen Mann, der zuvor ihren Kollegen im EKH niedergeschlagen hatte, eingeholt und mit einem Besenstiel sowie einer Stange attackiert. Dafür wurden die beiden zu je einem Jahr bedingt sowie einer finanziellen Wiedergutmachung von 1.540 Euro verurteilt.

Die KOMintern-Vertreter erbaten Bedenkzeit. "Sie haben nach einem Überfall aus der rechten Szene der Polizei zu helfen versucht, diese Personen dingfest zu machen. Sie wollten die Täter stellen. Dass sie deswegen hier auf der Anklagebank sitzen, halte ich für einen rechtspolitischen Skandal", gab ihr Verteidiger Harald Karl zu bedenken. Die verurteilten Hooligans akzeptierten nach Rücksprache mit ihrem Rechtsbeistand Philipp Winkler die über sie verhängten Strafen. Die Staatsanwältin gab zu sämtlichen Entscheidungen vorerst keine Erklärung ab.

Beteiligung der Hooligangruppe "Unsterblich"
Die Hooligangruppe "Unsterblich" ist als neonazistisch eingestuft. Der ehemalige Fan-Zusammenschluss war für seine rassistischen und neonazistischen Parolen bekannt. Die Vereinsführung reagierte schließlich mit Haus- und Stadionverboten, im Jänner 2013 wurde der Gruppierung der Status als offizieller Fanklub der Austria aberkannt. Die sieben angeklagten Fußballfans hatten in Abrede gestellt, diesem Klub je angehört zu haben. Einer von ihnen trug allerdings zum Zeitpunkt des inkriminierten Geschehens ein T-Shirt mit der Aufschrift "Unsterblich".

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