Wildeste Theorien

Tod von Ex-Botschafter Aliyev: War es doch Mord?

Österreich
27.02.2015 23:01
Mögliche Wende in der Causa Rakhat Aliyev: Wie Ö1 Freitag früh berichtete, könnte es sich bei dem Tod des kasachischen Ex-Botschafters doch nicht um Selbstmord handeln. Laut einem Anwalt des Verstorbenen wurden in dessen Blut bei einer ersten Analyse der Gerichtsmedizin Hinweise auf Barbiturate festgestellt. Diese Substanzklasse ist in Österreich als Medikament fast gänzlich verboten - wodurch es nach Angaben des Juristen praktisch ausgeschlossen sei, dass das Mittel Aliyev etwa von einem Gefängnisarzt verschrieben wurde.

Laut Ö1 wurden im Blut des Toten Hinweise auf Barbiturate festgestellt. Diese wirken bewusstseinsverändernd und können als Schlafmittel oder auch zur Betäubung eingesetzt werden. Das Ergebnis einer genauen toxikologischen und pharmakologischen Untersuchung soll laut Ö1 in einigen Tagen vorliegen. Die Aliyev-Anwälte Stefan Prochaska und Manfred Ainedter sowie auch die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, konnten den Bericht vorerst nicht bestätigen. Prochaska und Ainedter verwiesen auf die laufenden Untersuchungen.

Behörden zweifeln nicht an Selbstmord
Rakhat Aliyev wurde am vergangenen Dienstag erhängt in seiner Einzelzelle in der Justizanstalt Josefstadt in Wien aufgefunden.Für Justiz, Polizei und Staatsanwaltschaft steht eindeutig fest: Der Ex- Botschafter Kasachstans hat in seiner Zelle Selbstmord verübt. Trotzdem wurde die Leiche von der Staatsanwaltschaft Wien vorerst nicht freigegeben, wie der stellvertretende Behördenleiter und Mediensprecher Gerhard Jarosch am Donnerstag mitteilte. Grund dafür ist, dass die Anklagebehörde den Todesfall umfassend untersuchen lassen will.

Üblicherweise wird bei gerichtlichen Obduktionen der Leichnam 24 bis 36 Stunden danach freigegeben. Im Fall Aliyev hatte das vorläufige Obduktionsergebnis vorerst keine Hinweise auf ein Fremdverschulden ergeben. Die Staatsanwaltschaft geht daher von einem Selbstmord aus, der allerdings von den Rechtsvertretern des Ex-Diplomaten angezweifelt wird. Diese forderten daher unter anderem die Überprüfung der bisherigen Obduktionsergebnisse durch einen zweiten, unabhängigen Sachverständigen.

Tagebuchartige Aufzeichnungen gefunden
Die Staatsanwaltschaft bestätigte außerdem, dass in der Zelle Aliyevs tagebuchartige Aufzeichnungen in kyrillischer Schrift gefunden wurden. In diesem Tagebuch soll - so zumindest die Aussage eines Chefinspektors der Polizei - Aliyev ihm im Gefängnis widerfahrene Einschüchterungsversuche festgehalten haben. "Die Aufzeichnungen werden selbstverständlich übersetzt und ausgewertet", sagte Jarosch. Offen ist, ob sich daraus Rückschlüsse gewinnen lassen, die zur eindeutigen Klärung der Todesursache beitragen. Abschiedsbrief hat Aliyev keinen hinterlassen.

Lebensgefährtin eines Mitangeklagten erhebt Vorwürfe
Wenige Tage nach dem Tod des ehemaligen Botschafters hat sich nun die Lebensgefährtin des im Fall zweier ermordeter kasachischer Banker mitangeklagten ehemaligen Geheimdienstchefs von Kasachstan mit einem aufrüttelnden Brief an die Öffentlichkeit gewandt. Die Frau erhebt darin schwere Vorwürfe gegen die "kasachische Seite" und gegen die Justiz. Erst jetzt nach dem Tod Aliyevs würde ihr Lebensgefährte, der ebenfalls in U-Haft sitzt, speziell überwacht. Und auch sie würde jetzt Spezialschutz durch die Polizei genießen.

"Fest in kasachischer Botschaft nach Tod Aliyevs"
Die Frau weiß auch von ihrem Mann, dass "Aliyev die letzte Person auf der Erde wäre, welche einen Selbstmord begangen hätte". "So ein 'Geschenk' hätte er niemals seinen Feinden gemacht, und so eine Trauer würde er niemals seiner Familie antun", so die Lebensgefährtin von Alnur Mussayev.

Noch ein verstörendes Detail verrät die Partnerin über die "kasachische Seite": "Ich teile Ihnen mit, dass am 24.2. in den Räumlichkeiten der kasachischen Botschaft in Österreich eine Feier (ich meine keine Trauerfeier, sondern ein Fest) wegen des Todes von Rakhat Aliyev stattfand."

Pilz: "Wie kann sich ein Betäubter aufhängen?"
Die Affäre um den Tod Aliyevs könnte auch eine politische Dimension erhalten. Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz stellte bereits die rhetorische Frage: "Wie kann sich ein Betäubter aufhängen?" Er fordert nun einen Parlamentsausschuss. Auch das Team Stronach sieht einige Ungereimheiten in dem Fall und hat eine Anfrage an Justizminister Wolfgang Brandstetter zu den Sicherheitsstandards eingebracht. BZÖ-Chef Gerald Grosz sieht das Justizsystem "in den Grundfesten erschüttert" und fordert die sofortige Einrichtung einer Sonderkommission.

Unabhängige Expertengruppe soll Ermittlungen überwachen
Damit Spekulationen ausgeschlossen werden, hat Justizminister Brandstetter eine Expertengruppe gegründet, die die Untersuchungen zum Todesfall begleiten soll. Wie Ministeriumssprecherin Katharina Holzinger am Freitagnachmittag mitteilte, sei der pensionierte Generalprokurator Ernst Eugen Fabrizy mit der Leitung des "Beratungsgremiums" beauftragt, dem "unabhängige und weisungsfreie Experten" angehören sollen. Fabrizy soll nun zwei weitere Experten ins Boot holen. "Selbstverständlich vertraut Minister Brandstetter den Strafverfolgungsbehörden, es geht nur darum, jede Grundlage für Spekulationen auszuschließen", betonte Holzinger.

Aliyevs Anwalt fordert FBI-Einsatz
Um die "besten Experten" für den Fall zu Rate zu ziehen, empfahl Anwalt Ainedter in der "ZiB 2" die Einbeziehung des FBI. Die US-Bundespolizei hatte bereits im Fall Natascha Kampusch die ermittelnden Behörden unterstützt.

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