Wegen Indizienlage

Sex-Affäre in Gefängnis: Richter nicht zuständig

Österreich
20.02.2015 11:22
Im Prozess gegen einen Justizwachebeamten (40) der Justizanstalt Wien-Josefstadt, der unter Ausnützung seiner Stellung zwei weibliche Häftlinge sexuell bedrängt und mit einer der beiden im Gefängnis sogar Geschlechtsverkehr gehabt haben soll, hat Einzelrichter Andreas Böhm am Freitag ein Unzuständigkeitsurteil gefällt. Er begründete das mit der Indizienlage: Es gehe nämlich hier nicht bloß um den Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, sondern um den Vorwurf der Vergewaltigung.

Die Erhebungen in dieser Sache kamen im Herbst 2013 über eine Kollegin des Verdächtigen ins Laufen. Die betroffenen Insassinnen hatten sich der Justizwachebeamtin anvertraut. Diese wandte sich schließlich an die Vollzugsdirektion, brachte den Fall zur Anzeige.

"Als Insasse hat man eigentlich keine Wahl"
Eine der beiden Frauen schilderte als Zeugin offen und im Detail, was sie erlebt hatte. Im Sommer 2012 hätte der Beamte ihr den Putzmantel - sie war im Gefängnis als Reinigungskraft tätig - aufgeknöpft, mit ihrer Brust gespielt, ihre Hand an seinen Penis geführt und sie schließlich mit den Schultern nach unten gedrückt, um sich befriedigen zu lassen. Zuvor habe er die Tür des Kammerls, in das er sie hineingezogen habe, abgesperrt.

Auf die Frage, ob sie sich gewehrt habe, meinte die Frau, die insgesamt vier Monate in der JA Josefstadt verbracht hatte, bis sie die Fußfessel genehmigt bekam und damit in den elektronisch überwachten Hausarrest wechseln konnte: "Ich hab' schon versucht stehen zu bleiben, weil ich das nicht wollte." Der Beamte habe aber den Druck auf ihre Schultern verstärkt. Zusätzlich merkte sie noch an: "Als Insasse hat man eigentlich keine Wahl." Sie habe auch ihre Arbeit im Gefängnis nicht verlieren wollen.

Weiteres mögliches Opfer nicht vor Gericht erschienen
Wenige Wochen später - im August 2012 - wurde dieselbe Frau an einem Wochenende aufgefordert, sich die Arbeitskleidung anzuziehen. Der betreffende Beamte habe sie abgeholt und im dritten Stock putzen lassen. Dass weibliche Häftlinge nach Gutdünken des Wachpersonals dazu herangezogen werden, im Männertrakt Herrentoiletten zu säubern, ist in der JA Josefstadt offenbar üblich. Sie habe "gewusst, dass etwas sein wird", beschrieb die Zeugin ihre damalige Gefühlslage. Der Beamte habe sie in einen Aufenthaltsraum beordert, wieder die Tür abgesperrt, sie zu küssen begonnen und aufgefordert, sich ein wenig "locker" zu machen. Dann habe er sie und sich selbst ausgezogen. Auf einem Sofa sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen.

Unsensible Ermittlungsmethoden
Dass in der Sex-Affäre außerdem nicht besonders sensibel ermittelt wurde, belegt die Art und Weise, wie die ehemalige Gefangene zum ersten Mal befragt wurde. Sie wurde nämlich in die JA Josefstadt bestellt und dort - und somit unmittelbar am Ort des mutmaßlichen Verbrechens - vom Leiter der Vollzugsdirektion vernommen. Von den ihr widerfahrenen Übergriffen habe sie damals nichts erzählt, weil sie befürchtete, sie könne die Fußfessel verlieren.

Eine weitere Insassin soll der Wachebeamte seit Dezember 2011 belästigt und gegen ihren Willen betastet und geküsst haben. Mehrfach soll er ihre Hand zu seinem erigierten Geschlechtsteil geführt haben. Im Dezember 2012 soll er diese Gefangene laut Strafantrag am Gesäß angefasst, in ein Putzkammerl befördert und ihr dort einen Zungenkuss gegeben haben. Diese Frau kam ihrer Zeugenladung allerdings nicht nach.

Verdächtigem drohen nun zehn Jahre Haft
Während die Staatsanwaltschaft dem Beamten lediglich den Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses ankreidete, gelangte der Richter nach der zeugenschaftlichen Befragung der betroffenen Frau zu einer anderen Ansicht: "Wenn diese Vorfälle so wie von den Insassinnen beschrieben stattgefunden haben, ist der Tatbestand der Vergewaltigung erfüllt." Im zweiten Fall gehe es dagegen um geschlechtliche Nötigung - auch dieser Straftatbestand müsse vor Schöffen verhandelt werden.

Daher sei es "zwingend" erforderlich, dass ein Schöffensenat die Vorwürfe gegen den 41-Jährigen prüft. Damit geht es für den vom Dienst suspendierten Beamten nun nicht mehr um maximal drei Jahre Haft, das Strafgesetzbuch sieht für Vergewaltigung Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren vor.

"Ich habe nichts gemacht, Herr Rat!"
Der 41-jährige Justizwachebeamte - er hatte im Frauentrakt eigentlich gar nichts zu suchen - dürfte grundsätzlich einen freizügigen Umgang mit weiblichen Häftlingen gepflegt haben. Einer soll er gesagt haben, sie sei "sehr lieb" und "sympathisch". Im Vorbeigehen soll er sie dann abgebusselt haben. Küsse bekam auch eine andere Gefangene, welcher der Beamte versprochen haben soll, sich nach ihrer Entlassung um einen Job für sie zu kümmern. Wiederum eine andere Gefangene dürfte in den Beamten - er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern - regelrecht "verschossen" gewesen sein.

Dennoch gab Michael Vallender, der Verteidiger des Angeklagten an, dass "keiner dieser Vorwürfe" wahr sei. "Im Gefängnis wird viel geredet, und dieses Gerede hat zu diesem Verfahren geführt", meinte der Advokat. Der Angeklagte selbst bestritt ebenfalls vehement seine Schuld: "Ich habe nichts gemacht, Herr Rat!"

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