Wehrpflicht-Debatte

“Schönrechnerei” bringt Darabos erneut unter Druck

Österreich
27.01.2011 14:25
Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) gerät in der Wehrpflicht-Debatte immer stärker unter Druck. Nach der Kritik an der Absetzung von Generalstabschef Edmund Entacher sorgt nun das "schöngerechnete" Freiwilligen-Modell des Ministers für Wirbel. VP-Klubchef Karlheinz Kopf erklärte am Donnerstag, das Vertrauen der ÖVP in Darabos sei "schwerst erschüttert". Skeptische Stimmen kommen aber auch aus der SPÖ: Für Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller ist die Absetzung Entachers "bedauerlich" - und das Ende der Wehrpflicht "nicht in Stein gemeißelt".

Aktueller Stein des Anstoßes: Darabos hatte am 17. Jänner ein Modell für ein Freiwilligenheer vorgelegt, mit dem die Abschaffung der Wehrpflicht nicht mehr kosten sollte als die dem Bundesheer schon jetzt zur Verfügung stehenden 2,1 Milliarden Euro. Zustande gekommen ist diese Summe aber offenbar erst, nachdem auf Intervention des Ministerbüros die Milizprämie halbiert, die Personalstärke reduziert und die Investitionskosten gesenkt wurden. Ursprünglich hatte der Generalstabschef nämlich deutlich höhere Kosten von 2,6 Milliarden Euro veranschlagt. Noch am 12. Jänner hatte Darabos eine derartige Vorgangsweise öffentlich dementiert: "Ich mache sicherlich keine Feinschliffe in Richtung eines Modells, das ich gerne präferieren würde."

ÖVP: "Manipulation" und "Alarmsignal"
Aufgedeckt wurde die Vorgehensweise des Verteidigungsministers vom Koalitionspartner ÖVP, der von Darabos mittels parlamentarischer Anfrage Aufklärung fordert. Kopf zeigte sich am Donnerstag empört über den Minister. "Unser Vertrauen in den Herrn Verteidigungsminister ist schwerst erschüttert. Er schreckt offenbar nicht davor zurück, Zahlenmaterial und Berechnungen zu manipulieren", kritisierte der VP-Klubchef und deponierte neuerlich den Widerstand der ÖVP gegen die Abschaffung der Wehrpflicht: Dass Darabos schon Berichte schönen müsse, sei "ein Alarmsignal für uns, genau in diese Falle nicht zu gehen".

Darabos verteidigte sein Vorgehen und ließ über seinen Sprecher verlauten, die hohen Kostenschätzungen im Zwischenbericht seien auf Basis "unrealistisch hoch" angesetzter Prämiensysteme entstanden. "Was zählt, ist der Endbericht", hieß es - und dort sei das Darabos-Modell besser bewertet worden als das bestehende System.

Burgstaller: "Nicht in Stein gemeißelt"
Zweifel an der Vorgehensweise des Verteidigungsministers kommen allerdings auch aus der SPÖ. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat die Abberufung von Generalstabschef Entacher durch ihren Parteikollegen Darabos als "sehr bedauerlich" bezeichnet. Entacher sei stets äußerst loyal und kritisch gewesen und haben den Minister immer unterstützt, sagte Burgstaller am Donnerstag. "Es hätte nicht so weit kommen dürfen."

Die Diskussion über die Wehrpflicht müsse so geführt werden, dass die Meinungen aller angehört würden, verlangte Burgstaller. Das Ende der Wehrpflicht sei zudem "nicht in Stein gemeißelt". Seitens der SPÖ gebe es die Grundsatzentscheidung, dass die Wehrpflicht ausgesetzt werden soll, "wenn wir ein besseres System haben". Es gehe um ein Aussetzen mit Beobachtungszeitraum, nicht um eine Abschaffung der Wehrpflicht.

SPÖ-ÖVP-Verhandlungen ab Montag
Indes sollen die Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP über die neue Sicherheitsdoktrin und die Abschaffung der Wehrpflicht trotz aller Meinungsverschiedenheiten kommende Woche starten. Die Koalitionsparteien bestätigten am Donnerstag einen Gesprächstermin am Montagnachmittag. Mit am Tisch sitzen sollen demnach Verteidigungsminister Darabos, Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) und die Regierungskoordinatoren Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) und Innenministerin Maria Fekter (ÖVP).

Verhandelt wird nach Angaben eines Darabos-Sprechers zuerst über die neue Sicherheitsdoktrin. Wann die von der SPÖ gewünschte Abschaffung der Wehrpflicht zur Sprache kommen soll, steht demnach noch nicht fest. Zuletzt hatte Darabos ein Ergebnis bis zum Sommer angestrebt. Auch Kopf will zuerst über die neue Sicherheitsdoktrin sprechen und warnt davor, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Eine Abschaffung der Wehrpflicht schließt er derzeit aus: Es gebe noch kein Alternativmodell, das die nötigen Leistungen zu finanzierbaren Kosten bringen würde.

Opposition erreichte NR-Sondersitzung
Gelegenheit zur seiner Verteidigung wird Darabos bei einer für Freitag kommender Woche von der Opposition beantragten Sondersitzung des Nationalrats haben. Bereits am Donnerstag tritt der Nationale Sicherheitsrat zusammen. Das BZÖ will Darabos bei der Sondersitzung jedenfalls mittels Dringlicher Anfrage in die Mangel nehmen, die FPÖ will wegen des Manipulationsvorwurfs im Verfassungsausschuss eine Ministeranklage beantragen (bräuchte dafür aber die Zustimmung der ÖVP). Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz will mittels Dringlichem Antrag eine möglichst rasche Volksbefragung über die Wehrpflicht fordern, "damit haben wir eine Chance, die Blockade in der Sicherheitspolitik zu lösen".

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