Streit um Datenbank

Riesiger Pharmakonzern verklagt Wiener Start-up

Österreich
27.04.2015 21:25
Patientensicherheit oder wirtschaftliche Interessen - was ist wichtiger? Diese Frage stellen sich derzeit die beiden Wiener Jungunternehmer Lukas Zinnagl und Marco Vitula. Denn ihr Start-up Diagnosia - Ärzte können sich damit schnell und einfach über Wechselwirkungen von Medikamenten informieren - wird derzeit vom Pharmariesen Sanofi-Aventis geklagt. Dem Konzern gefällt es nämlich so gar nicht, dass eines seiner Schmerzmittel von Diagnosia mit einem leicht erhöhten Blutungsrisiko in Verbindung gebracht wird.

Das 2011 gegründete Unternehmen Diagnosia entwickelte eine Datenbank, mit deren Hilfe Ärzte Medikamente auf Wechselwirkungen prüfen können. Die Software erfreut sich in vielen Spitälern großer Beliebtheit und wird tagtäglich angewandt. Dass aber nicht jedermann von der Entwicklung des Start-ups hellauf begeistert ist, bekam das Unternehmen Ende des vergangenen Jahres knallhart zu spüren - und zwar in Form einer Klage wegen Rufschädigung. Doch was war passiert?

Uneinigkeit über Klassifizierung
Sanofi-Aventis vertreibt in Österreich das Schmerzmedikament Novalgin, das den Wirkstoff Metamizol enthält. Dieser Wirkstoff ist wegen schwerer Nebenwirkungen umstritten und in vielen Ländern verboten. Fakt ist aber auch, dass bei Experten Uneinigkeit über die Klassifizierung dieses Wirkstoffes herrscht - und das führte nun zu Konflikten zwischen dem Pharmariesen und den Wiener Start-up.

So ordnete Diagnosia Metamizol einer Klassifizierung zu, aus der sich wiederum bestimmte Wechselwirkungen ableiten lassen. Diese Interpretation war Sanofi-Aventis so gar nicht recht. Und das hatte Folgen: Im Oktober 2014 forderte der Pharmariese Diagnosia auf, dies umgehend zu unterlassen. Als es zu keiner außergerichtliche Einigung kam, versuchte Sanofi-Aventis, eine einstweilige Verfügung zu erwirken - und zwar mithilfe eines laut Diagnosia-Experten äußert fragwürdigen Gutachtens.

Umstrittenes Gutachten
"Trotz mehrfacher Untermauerung durch Expertenmeinungen und Studien hat Sanofi-Aventis versucht, Druck auf uns auszuüben, um schnellstmöglich 'unangenehme' Informationen zu entfernen", meint Zinnagl. So stütze Sanofi-Aventis seine Ansicht auf die Expertenmeinung des Gutachters Eckhard Beubler, Professor an der Medizinischen Universität Graz. "Faktum ist, dass er seit Jahren in engem Kontakt mit Snaovi-Aventis steht. Die wissenschaftliche Objektivität des Herrn ist aus diesem Grund infrage zu stellen", so Diagnosia.

Gutachter: "Ich bin nicht käuflich"
Beubler selbst wies die Vorwürfe von Diagnosia, ein einseitiges und unwissenschaftliches Gutachten erstellt zu haben, gegenüber krone.at entschieden zurück: "Wenn Laien sich in solche Sachen einlesen, muss das schiefgehen. Diese Vorwürfe sind eine Bösartigkeit, ich bin kein käuflicher Universitätsprofessor. Ich bin ein Wissenschaftler, der die Dinge beim Namen nennt."

Das Gericht wies die einstweilige Verfügung jedenfalls ab. Im Dezember flatterte dann die Klage ins Haus. Das Verfahren wurde bislang auf unbestimmte Zeit vertagt, kämpfen wollen Vitula und Zinnagl aber jedenfalls bis zum Schluss: "Wir haben das Gefühl, dass Sanofi-Aventis durch sein aggressives Vorgehen versucht, für Ärzte relevante Informationen so weit abzuändern, dass diese für das Präparat Novalgin vorteilhaft erscheinen." Sanofi-Aventis selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Sorge um Zukunft der Patientensicherheit
Sollte Diagnosia tatsächlich verurteilt werden, würde dies wohl nicht nur für das Wiener Start-up hohe Wellen schlagen: "Wir hoffen, dass Pharmaunternehmen in Zukunft ihre mächtige Marktstellung nicht missbrauchen, um zu versuchen, Unternehmen, die sich der Patientensicherheit verschrieben haben, einzuschüchtern, und somit die Weiterentwicklung von derartigen Systemen hemmen."

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