Nach Finanzskandal

Regierung will Spekulations-Deals einschränken

Österreich
09.12.2012 13:54
Dass eine Referatsleiterin wie in Salzburg 340 Millionen Euro verspekuliert, soll künftig nicht mehr so einfach möglich sein - zumindest haben am Wochenende Vizekanzler Michael Spindelegger und SPÖ-Finanzstaatssekretär Andreas Schieder angekündigt, dass es neue Regeln für die Veranlagung öffentlicher Gelder geben soll. Spindelegger sagte, dass Finanzministerin Maria Fekter nächste Woche Änderungsvorschläge vorlegen werde. Danach soll es Verhandlungen mit den Gebietskörperschaften geben.

Spindelegger selbst will etwa per Bundesgesetz festlegen, auf was erst gar nicht spekuliert werden dürfe. Es gehe um transparente Veranlagungsstrategien und bundesweite Vorgaben, was erlaubt und was nicht erlaubt sei, erklärte der Vizekanzler am Sonntag in der ORF-"Pressestunde".

Keine "völlige Entmachtung" der Länder
Dass die Länder und über die Länder auch die Gemeinden die Bundesfinanzierungsagentur für Geldangelegenheiten in Anspruch nehmen, hält der ÖVP-Chef für einen guten Vorschlag. Was er jedoch nicht wolle, sei eine "völlige Entmachtung" der Länder, also dass diese nicht über ihr Geld verfügen können. Damit befindet sich Spindelegger auf Linie mit dem derzeitigen Vorsitzenden der Landeshauptleute, Tirols Landeschef Günther Platter, der eine zentrale Regelung von Schulden und Finanzgeschäften ablehnt.

Dass die Malversationen in Salzburg so lange unbemerkt blieben, erfordere ein gründliches Durchforsten der Kontrollinstrumente, betonte Spindelegger. Die politische Verantwortung sei zu klären, die Fakten müssten auf den Tisch. Rücktritte wollte der Vizekanzler nicht explizit fordern. Auf die Frage, ob ein Abgang von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller gerechtfertigt wäre, meinte er, das werde man sehen, wenn die Fakten beleuchtet seien.

Schieder für österreichweit einheitliche Kriterien
Bereits zuvor hatte sich SPÖ-Finanzstaatssekretär Schieder für österreichweit einheitliche Kriterien ausgesprochen. Seine Vorstellungen: Kurzfristige Veranlagungen nur als Einlagen bei Banken oder Bundesanleihen, keine kurzfristigen Veranlagungen in Fremdwährungen, keine Veranlagung über Fremdfinanzierungen, derivative Finanzinstrumente nur zur Risikoverminderung sowie Einbeziehung von ethischen Kriterien. Das Vier-Augen-Prinzip solle ein "Mindestprinzip" sein, die "Optimalvariante" wäre für Schieder die Finanzierung über die Bundesfinanzierungsagentur.

Der Staatssekretär hatte sich auch für eine Expertenkommission ausgesprochen, die Änderungsvorschläge macht. Sie soll auch prüfen, ob neben Bund, Ländern und Gemeinden nicht auch andere Bereiche der öffentlichen Hand, zum Beispiel ausgelagerte Gesellschaften für Wohnbau, in die neuen Regelungen einbezogen werden sollen.

Kritik an Darabos in Sachen Eurofighter
In Sachen Eurofighter übte Spindelegger in der "Pressestunde" Kritik an der SPÖ, und zwar konkret an Verteidigungsminister Norbert Darabos, weil dieser den Vertrag nicht offenlege. Spindelegger hatte zuletzt eine Rückabwicklung des Kaufs nicht ausgeschlossen, zunächst müsse aber geklärt werden, ob es wirklich Malversationen gab, bekräftigte er. Einen neuerlichen U-Ausschuss lehnt der ÖVP-Chef ab.

Auch beim Thema Bildung schoss sich Spindelegger auf die Sozialdemokraten ein. Das neue Lehrerdienstrecht komme nicht vom Fleck, weil die SPÖ-Ministerinnen Claudia Schmied und Gabriele Heinisch-Hosek "nicht ordentlich verhandeln". Die beiden "müssen jetzt einmal Gas geben", forderte der VP-Chef.

Warnung vor Ende der Neutralität
Bezüglich der Wehrpflicht-Volksbefragung im Jänner warnte der Vizekanzler einmal mehr vor einem Ende der Neutralität: Wer heute die Wehrpflicht abschaffe, werde morgen nicht umhinkommen, die Neutralität abzuschaffen - der nächste Schritt sei dann ein Militärbündnis.

Auf mögliche Koalitionen nach der Nationalratswahl kommenden Herbst wollte sich Spindelegger nicht einlassen. Eine ÖVP-FPÖ-Stronach-Koalition würde er nicht eingehen, wenn der Preis dafür etwa der Euro-Austritt wäre. Eine Zusammenarbeit mit der SPÖ oder den Grünen wiederum komme für ihn nicht infrage, wenn der Preis dafür Vermögenssteuern wären.

Heinisch-Hosek "wirklich empört"
Bezüglich Spindeleggers Kritik an Schmied und Heinisch-Hosek in Sachen Lehrerdienstrecht zeigte sich Letztere am Sonntag "wirklich empört" und spielte den Ball an den VP-Chef zurück: "Ich orte den Bremsklotz beim Koalitionspartner." Die lange Dauer der Verhandlungen sei demnach auf eine bisher unklare Haltung der ÖVP zur Dienstrechtsreform zurückzuführen. Die Ministerin kritisierte, dass sie zwar bereits im Mai gemeinsam mit Schmied und Fekter einen 26-seitigen Regierungsentwurf für die Reform des Dienst- und Besoldungsrechts an die Gewerkschaft übergeben habe, man sich aber in der ÖVP erst vor Kurzem darauf festgelegt habe, dass es sich bei diesem Vorschlag auch um die Position der Partei handle.

Außerdem habe die Lehrergewerkschaft für die Verhandlungen auf Beamtenebene "nicht die Zeit aufgebracht, die wir uns gewünscht hätten". Wäre es nach ihr und Schmied gegangen, hätte die zweite politische Runde mit der Gewerkschaft bereits im Oktober stattgefunden – das sei aber wiederum am Terminplan der Finanzministerin gescheitert. Mit dieser finde das nächste Treffen zum Thema Lehrerdienstrecht nun am 19. Dezember statt. Heinisch-Hoseks Ziel ist weiterhin, die Reform noch in dieser Legislaturperiode zu beschließen: "Ich will daran glauben, dass sich das ausgeht." Mehr Geld, wie das die Gewerkschaft fordert, werde es aber nicht geben.

"Argumentationsnotstand", "völlig überfordert"
Überhaupt ist Spindeleggers Auftritt bei den politischen Mitbewerbern nicht gut weggekommen. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter etwa befand, die Aussagen des ÖVP-Chefs zur Wehrpflicht-Volksbefragung seien teilweise widersprüchlich gewesen. Kräuter ortete deshalb "argen Argumentationsnotstand".

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wiederum erklärte, Spindelegger sei in allen seinen Ämtern "völlig überfordert". Zum Thema Eurofighter-Skandal seien vom Vizekanzler nur Ausflüchte gekommen. Es sei aber mehr als bezeichnend, dass sich Spindelegger gegen einen Untersuchungsausschuss ausspreche.

Der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Werner Kogler, meinte: Spindeleggers Auftritt sei "völlig unglaubwürdig, geradezu scheinheilig" gewesen, "wenn es etwa ums Thema Aufklärung geht: Die ÖVP bleibt die Oberzudecker-Partei der Republik". Die Verweigerung, jetzt einen Eurofighter-Untersuchungsausschuss einzusetzen, sei umso pikanter, da ja die ÖVP die eigentliche Eurofighter-Partei sei. Ebenso unglaubwürdig sei Spindeleggers Haltung zu einem bundesgesetzlichen Spekulationsverbot für alle öffentlichen Gebietskörperschaften.

Nur "Kraut und Rüben-Aussagen" hörte BZÖ-Chef Josef Bucher. So habe der Vizekanzler beispielsweise keinen einzigen Vorschlag, wie man der Erhöhung der Arbeitslosigkeit entgegensteuern könnte. Und Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar ortete bei der ÖVP nur "Zwang, Schuldenpolitik und Verkrustung".

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