"Wir verneigen uns"

Regierung gedenkt Weltkriegsende vor 70 Jahren

Österreich
08.05.2015 20:55
Mit einem Festakt im Bundeskanzleramt hat die Regierung Freitagmittag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa gedacht. "Wir verneigen uns heute vor all jenen, die Österreich befreit haben, und vor allen Österreichern, die vom Nationalsozialismus verfolgt wurden", sagte Bundeskanzler Werner Faymann. Der Zeitzeuge und KZ-Überlebender Marko Feingold berichtete über seine Erlebnisse unter der Schreckensherrschaft des Nazionalsozialismus. Am Abend gipfelten die Feierlichkeiten dann im mittlerweile dritten "Fest der Freude" am Heldenplatz.

Am 8. Mai vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa mit der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht. Der 8. Mai sei zugleich ein Ende und ein Anfang, sagte Faymann. Es sei das Ende von Verfolgung, Unterdrückung und Demütigung gewesen, das Ende der Ausbeutung von Millionen Zwangsarbeitern. Mit dem Verfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP sei ein Trennstrich zum Nationalsozialismus gezogen worden. Gleichzeitig war der 8. Mai für Österreich ein Anfang, ein "Tag der Befreiung", und Österreich konnte als demokratische Republik wieder auferstehen.

"Nie zu spät für umfassende Aufarbeitung"
Nach Kriegsende seien viele Konsequenzen gezogen worden, die Auseinandersetzung mit der Geschichte sei aber zum Teil nur zögerlich erfolgt, räumte Faymann ein. Die "unvorstellbaren Opfer" der Juden, Roma und Sinti sowie vieler anderer werde "unsere Generation nie richtig begreifen können", er zeigte sich aber dankbar gegenüber den Zeitzeugen, dass sie ihre Kraft und ihre Erzählungen in die öffentliche Diskussion, auch in den Schulen, einbringen. Es gebe viele engagierte Lehrer. Es sei aber notwendig, auch in Schulen, in denen die Zeitzeugen nicht eingeladen werden, die Diskussion zu führen, so der Kanzler. Für eine "umfassende Aufarbeitung" ist es "nie zu spät", erklärte er.

Gedenkrede von Zeitzeuge Feingold
Mit seiner Erzählung ließ anschließend der Zeitzeuge Marko Feingold die Gäste des Festakts an seinen Erinnerungen teilhaben. Er war in mehreren Konzentrationslagern und wurde schließlich am 11. April 1945 von amerikanischen Truppen aus Buchenwald befreit. Er betonte in seiner Gedenkrede, dass es sich um keine "Selbstbefreiung" gehandelt habe. Im KZ Buchenwald seien 500 Österreicher untergebracht gewesen, so Feingold: "Täglich wurde die Population im Lager kleiner und kleiner." Nach qualvollen Jahren, in denen man morgens nicht gewusst habe, ob man am Abend noch lebt, sei schließlich die Befreiung gekommen. Nun konnte man sich frei bewegen, bekam mehr zu essen: "Wir waren nicht mehr Nummern oder Juden, sondern wir waren wieder Menschen geworden."

EU als Antwort auf "Schreckensherrschaft"
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner stellte in seiner Ansprache fest, dass der 8. Mai jahrzehntelang als ein Tag der Niederlage gegolten habe. "Warum hat es so lange gedauert?", fragte er sich und zitierte den früheren deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: "Sich wahrheitsgemäß zu erinnern, tut oft weh." Je länger man aber die Aufarbeitung nicht wahrnehme, umso mehr verblassten die Erinnerungen und würden schmerzhafte Teile weggelassen, so Mitterlehner. Die "beste Antwort auf die Schreckensherrschaft" und den Zweiten Weltkrieg sei in Europa sicher die Gründung der EU gewesen. Mitterlehner sprach auch den aktuellen Wahlkampf in der Steiermark an, wo die FPÖ gegen den Bau von Moscheen auftrete. Bei Grenzüberschreitungen müsse man sich trauen, diese zu benennen.

Das Bundesheer gedachte mit einer Mahnwache beim Äußeren Burgtor in Wien der Opfer. "Wir feiern heute die Befreiung vom NS-Regime und damit das Ende einer Terrorherrschaft. Dabei ist es aber auch wichtig, nicht auf die Opfer zu vergessen, für die diese Befreiung zu spät gekommen ist", sagte Verteidigungsminister Gerald Klug.

Die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig rief dazu auf, die Werte der Freiheit und der Demokratie mit allen Mitteln zu verteidigen. NEOS-Obmann Matthias Strolz meinte, der 8. Mai, der den Opfern des zweiten Weltkrieges und des NS-Regimes gewidmet sei, "soll für uns alle ein Mahnmal gegen Fremdenhass, Verhetzung und Extremismus sein". FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache war dem Staatsakt ferngeblieben.

"Fest der Freude" am Heldenplatz
Höhepunkt der Feierlichkeiten war dann am Abend das "Fest der Freude". Laut Veranstalter kamen rund 15.000 Besucher zu einem Gratis-Konzert der Wiener Symphoniker, die im Freien Beethovens "Neunte Symphonie" spielten. Zuvor hatten Vertreter der Regierung sowie Bundespräsident Heinz Fischer gesprochen.

Für Empörung sorgte am Freitag ein Hackerangriff auf die Website der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Die Seite wurde in Folge deaktiviert, die Ermittlungen laufen. In der Gedenkstätte finden am Sonntag die traditionellen Befreiungsfeiern statt. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sprach von einem "kranken, kriminellen Angriff".

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