Zocker-Skandal

Prüfer in Sbg: “Kritik zu Geschäften wurde gelöscht”

Österreich
22.12.2012 11:46
Allein schon die Zahlen lassen Normalbürger schwindelig werden: 340 Millionen soll Salzburg an der Börse verspielt haben, 400 Millionen Euro (von insgesamt 1,05 von der Bundesfinanzierungsagentur geborgten Milliarden Euro) werden noch gesucht. Doch jetzt stellt der Rechnungshof aus Wien das Land bis zurück ins Jahr 2001 auf den Kopf. Salzburgs Chef-Kontrollor Manfred Müller (rechts im Bild) leitet die Untersuchung und hat bereits die ersten Anhaltspunkte für die gefälschten Protokolle an den Rechnungshof gefunden.

"Krone": Herr Dr. Müller, Sie sind Chef des Landesrechnungshofs. Wie weit arbeiten Sie bei der Aufklärung der Spekulationsaffäre mit?
Manfred Müller: Ich leite das Team, das zur Klärung eingesetzt wurde – mit Vertretern der vier Landtagsparteien, Finanzchef Brenner, Finanzhofrat Paulus und vier Prüfern vom Rechnungshof in Wien.

"Krone": Dort ist Präsident Josef Moser wohl nicht sehr gut zu sprechen auf Salzburg, oder?
Müller: Moser ist erzürnt, weil ihm vom Land für die letzte Prüfung offenbar falsche Unterlagen vorgelegt wurden – für die Spekulationen gab es deswegen Lob, obwohl sie in Wirklichkeit im Minus lagen. Und dieser Bericht kam ausgerechnet am Tag, als das 340-Millionen-Desaster aufflog.

"Krone": War das die einzige Unstimmigkeit mit Salzburg?
Müller: Nein, wir bekamen auch mehrmals zu hören, dass die Empfehlungen vom Rechnungshof über die Festspiele zu wenig beachtet wurden.

"Krone": Zurück zur aktuellen Affäre. Da ging es auch um 19 manipulierte Protokolle?
Müller: Ja, das waren die Meldungen an den Finanzbeirat und die Prüfer in Frankfurt, wo das Risiko der Spekulationen berechnet wurde.

"Krone": Was stimmte da nicht?
Müller: Nach Frankfurt wurden nicht alle Geschäfte gemeldet – damit stimmte die Risikoschätzung nicht. Und in den Protokollen des Finanzbeirats gab es Kritik an den Geschäften – die stand aber nicht in den Unterlagen, die der Rechnungshof erhielt.

"Krone": Die Kritik wurde aus den Protokollen gelöscht?
Müller: Offenbar. Und zwar wenige Tage, bevor die Prüfer bei der vorigen Prüfung hier in Salzburg eintrafen. In den Computern hat man bereits die Originale gefunden – die sind schon ausgedruckt.

"Krone": Wenn Salzburgs Finanzen zurück bis 2001 durchleuchtet werden – haben Sie heuer Zeit für Weihnachten?
Müller: Kaum. Das wird viel Arbeit. Bis 16. Jänner machen wir den Bericht für den Landtag, der Rechnungshof legt seinen Zwischenbericht Ende März vor.

Wo sind die Gelder für den Wohnbau?
Für großes Kopfschütteln sorgt derzeit auch die Suche nach jenen 400 Millionen Euro, die sich das Land Salzburg von der Bundesfinanzierungsagentur in Wien für den Wohnbau ausgeborgt hatte, die aber offensichtlich zu Spekulationsgeschäften zweckentfremdet wurden. Derzeit weiß niemand, wo dieses Geld ist. "Einfach nicht zu glauben", meinte nicht nur der Salzburger freiheitliche Klubchef, Andreas Schöppl. "Und die Summe übertrifft alle Vorstellungen", so der Freiheitliche weiter.

"Allein schon die Tatsache, dass angeblich niemand weiß, wo diese 400 Millionen Euro hingekommen sein sollen, ist ein Armutszeugnis für das Land", meint der blaue Klubchef und schüttelt ungläubig den Kopf. Was ihn besonders empört: "Das ist fast genau so viel Geld, wie die Stadt in einem gesamten Jahr zur Verfügung hat." Das bedeutet: Die verschollene Summe ist nur unwesentlich größer als die Beträge, die Salzburg für sämtliche Gehälter der Beamten, für die Seniorenheime und Kindergärten, Winterdienst, Straßen- und Kanalbauten und für sämtliche Investitionen ausgibt.

Grüne wollen "Aufräumer" ebenfalls kontrollieren
Nicht nur die verspekulierten bzw. verschwundenen Gelder regen auf. Auch die Aufklärung scheint für einige nicht entsprechend abzulaufen. Die Grünen wittern eine Unvereinbarkeit der früheren Tätigkeit von Harald K. bei der Deutschen Bank, im Zuge derer er ebenfalls Geschäfte mit dem Land machte, und seiner jetzigen Arbeit als "Aufräumer". Daher fordert Grünen-Landtagsabgeordnete Astrid Rössler eine Kontrolle für K.

Haftungsfrage: Land könnte auf Schadenersatz verzichten
Nach den riesigen Verlusten beim Zocken mit Steuergeld taucht derzeit auch immer wieder die Frage auf, wer haftet – und in welcher Höhe? Das regelt das "Organhaftungs-Verzichts- und -Übernahmegesetz". Dort heißt es: Das Land kann auf Schadenersatz von Organen (Politiker und Beamte) verzichten, wenn das wegen eines Missverhältnisses "der Höhe der Ersatzleistung" zu den wirtschaftlichen Verhältnissen "unbillig" wäre – wenn der Schadenersatz mehr als zwei Monatsgehälter beträgt. Das müsste der Landtag bestätigen. "Von uns gäbe es für so einen Verzicht sicher keine Zustimmung", kündigt FP-Klubchef Karl Schnell an.

Polizei bewacht derzeit den Salzburger Landtag
Um die Sicherheit besorgt ist man im Salzburger Landtag. Der Grund: In den Tagen nach Auffliegen der "Zocker-Affäre" berichteten SP und VP besorgt, "dass immer wieder amtsfremde Personen in die Büros und Sitzungsräume der Landtagsklubs eintreten". So ist es in einer E-Mail von Landtags-Mitarbeiter Wolfgang Kirtag zu lesen.

Die anderen Parteien hatten diese Sicherheitsprobleme nicht: Die Büros der Grünen unter dem Dach sind nur schwer zugänglich, der Salzburger FP-Klub ist nach Diebstählen nur mit eigenem Schlüssel bzw. nach Klingeln zu betreten. Nachdem die Politiker im Landtag diese Sorgen auch in der Präsidialkonferenz erläutert hatten, ließ wurde der Chiemseehof deutlich stärker abgesichert. Bei der Landtagssitzung in der Vorwoche wurden Polizisten am Tor postiert, die ein Auge auf alle Besucher hatten und so verhinderten, dass unerwünschte Gäste in die Büros gelangen konnten.

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