"Akt der Notwehr"

Pröll verfügt Aufnahmestopp für Traiskirchen

Österreich
29.07.2014 14:11
In der Asyl-Erstaufnahmestelle Traiskirchen gilt ab Mittwoch ein Aufnahmestopp. Wie Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll am Dienstag erklärte, habe er der Bezirkshauptmannschaft Baden den Auftrag erteilt, einen entsprechenden Bescheid zuzustellen. Ziel der Maßnahme sei es, keine weiteren Asylwerber aufzunehmen und die Belegung in Traiskirchen zu senken. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will nun rasch einen Notfallplan erstellen lassen.

"Wir haben eine dramatische Situation", sagte Mikl-Leitner im Gespräch mit Journalisten. In Traiskirchen könne mit knapp 1.400 Personen keine "menschliche und humane Betreuung mehr garantiert werden".

Die Ministerin machte einmal mehr Druck auf Verteidigungsminister Gerald Klug, leer stehende Kasernen zur Verfügung zu stellen. Sie hoffe, dass Bundeskanzler Werner Faymann auf Klug einwirken werde. Auch die Bundesländer müssten noch größere Kraftanstrengungen leisten, sagte Mikl-Leitner. Sie werde nun alle Optionen prüfen, um Notquartiere "so schnell wie möglich auf die Beine zu stellen". Und dafür etwa auch mit der Kirche, Caritas und Diakonie sprechen. Für die Reaktion Niederösterreichs, einen Aufnahmestopp zu verhängen, zeigte sie "Verständnis".

Pröll spricht von "Akt der Notwehr"
Niederösterreichs Landeshauptmann Pröll hatte zuvor den Aufnahmestopp in Traiskirchen als "Akt der Notwehr", für den es menschliche und sicherheitstechnische Beweggründe gäbe, bezeichnet. Der nun gesetzte Schritt komme auch "nicht überfallsartig". Der Landeshauptmann erinnerte daran, bereits am 25. Juni angekündigt zu haben, einen Aufnahmestopp ins Auge zu fassen. Seither habe sich die Situation in Traiskirchen nicht nur nicht gebessert, sondern im Gegenteil "zusätzlich verschärft".

Die Erstaufnahmestelle Traiskirchen sei für 480 Menschen konzipiert worden, erklärte Pröll. Derzeit würden jedoch rund dreimal so viele Asylwerber in dem Zentrum leben. Unter den Bewohnern seien etwa 40 Prozent Syrer, die aufgrund der Kriegssituation in ihrer Heimat geflüchtet sind. Sie seien zum Teil schwer traumatisiert. Ihre Unterbringung in Traiskirchen unter den gegebenen Umständen sei "menschenunwürdig" und "unzumutbar". Nicht zuletzt wollte Pröll mit dieser Maßnahme aber auch die Bevölkerung der Stadt entlasten, die zwar "seit Jahrzehnten mit der Situation" lebe, "aber selten in einem derartigen Extrem".

Was sicherheitstechnische Gründe angehe, sagte der Landeshauptmann, es sei "weder dem Bürgermeister, noch der Behörde, noch mir zumutbar, für eine allfällige Katastrophensituation die Verantwortung zu tragen" - etwa wenn Feuer ausbreche. Den Aufnahmestopp zu verordnen, sei daher "notwendig" gewesen.

Kritik an Minister Klug bekräftigt
Pröll bekräftigte auch seine Kritik an Klug, der Mikl-Leitner angeboten hatte, Kasernen als Unterkünfte für Flüchtlinge kaufen zu können. "Das ist eine Form des Umgangs in der Bundesregierung, den ich nicht verstehen will und kann", sagte der Landeschef. Pröll sieht in diesem Zusammenhang auch "die Koordinierungsfunktion des Bundeskanzlers gefragt". Er selbst würde in der niederösterreichischen Landesregierung "so eine Umgangsform nicht dulden". Nicht zuletzt merkte Pröll an, dass er Solidarität in der Asylfrage verlange - zwischen dem Bund, den Ländern, Gemeinden und kirchlichen Stellen. Es handle sich um eine "Aufgabe der gesamten Republik".

Bürgermeister begrüßt Vorstoß
Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler begrüßte indes die "Sofortmaßnahme" des Landeshauptmannes, einen Aufnahmestopp im Flüchtlingslager zu setzen. Es freue ihn, dass er als Stadtchef in den vergangenen Monaten "in der Diskussion um den Umgang mit Flüchtlingen in der Republik grundsätzlich etwas in Gang gebracht habe" und Pröll "bezüglich der unhaltbaren Zustände im Massenlager Traiskirchen aktiv geworden ist".

"Wichtig ist es jetzt, eine radikale Neuordnung der Flüchtlingspolitik umzusetzen", so Babler. Diese müsse auf ein neues Aufteilungs- und Betreuungsgesetz aufbauen, das u.a. eine maximale Größe von 150 Asylwerbern in einer Kommune vorsehe. Bürgermeister müssten überdies Rechtssicherheit haben, dass Vereinbarungen nicht über eine Hintertür "permanent gebrochen" würden. Auch eine Erhöhung der Gelder für die Flüchtlingsbetreuung sei demnach unbedingt notwendig.

Faymann sieht Bundesländer gefordert
Faymann sieht im Asyl-Streit hingegen vor allem die säumigen Bundesländer gefordert. Zwar räumte er auf die Kritik von Pröll hin ein, als Regierungschef selbst "immer" gefordert zu sein - wenn sich sechs Bundesländer aber nicht an die vereinbarten Quoten halten, unterstütze er Innenministerin Mikl-Leitner. Faymann zeigte im Ö1-"Mittagsjournal" auch Verständnis für den Traiskirchener Bürgermeister.

Strache zeigt "absolutes Verständnis"
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zeigte "absolutes Verständnis" für den Aufnahmestopp in Traiskirchen. Gleichzeitig kritisierte er bei einer Pressekonferenz aber die Asylpolitik der Regierung und forderte, dass eine Asylberechtigung schon an den EU-Außengrenzen geprüft werden solle. Auch er habe Traiskirchen besucht und eine Überfüllung festgestellt, erklärte Strache. Es hätten teilweise katastrophale Zustände geherrscht, wiewohl die Menschen dort von den Beamten gut versorgt würden.

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