Sanierungspapier

ÖGB und AK: Bauern und Unternehmer zur Kasse bitten

Österreich
20.01.2012 17:13
ÖGB und Arbeiterkammer wollen das Budget zu einem guten Teil über die Steuerseite in den Griff bekommen. Ihr am Freitag in Wien erarbeitetes Sanierungspapier sieht in diesem Bereich Maßnahmen vor, die bis 2017 bis zu 5,4 Milliarden einbringen könnten. Zur Kasse bitten wollen die Arbeitnehmer-Vertreter vor allem Unternehmer und Bauern. Einschnitte für die eigene Klientel etwa bei den Pensionen werden hingegen vehement abgelehnt. Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung blasen bereits zur Gegenoffensive und sprechen von "einseitig geführtem Klassenkampf".

Von Gewerkschaft und Arbeiterkammer wird argumentiert, dass der Anstieg der Staatsschulden eine direkte Folge der von Banken und Finanzmärkten ausgelösten Wirtschaftskrise sei. Das Verursacher- und das Leistungsfähigkeitsprinzip würden daher nahelegen, die Arbeitnehmer nicht weiter zu belasten, sondern die Profiteure der Gewinne vor der Krise substanziell an der Sanierung zu beteiligen.

Sparpotenzial von 10,5 Milliarden Euro
Alle Vorschläge der Arbeitnehmer-Vertreter zusammengenommen, würden ihren Rechnungen zufolge heuer 1,2 Milliarden bringen, bis 2017 wären zwischen 7,7 und 10,5 Milliarden zu holen. Einen guten Teil der Einsparungen - nämlich rund 5,4 Milliarden Euro - könne man über steuerliche Maßnahmen lukrieren und das ohne Erhöhung von Massensteuern, etwa der Mehrwertsteuer. Vorstellen kann man sich lediglich eine Anpassung bei der Mineralölsteuer, gleichzeitig spricht man sich aber gegen eine undifferenzierte Anhebung aus.

Vorgeschlagen werden indes eine Vermögenssteuer, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, die Streichung steuerlicher Privilegien von Privatstiftungen, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 50 auf 55 Prozent für Einkommen, die über jenem des Bundeskanzlers liegen, sowie eine Einschränkung der Gruppenbesteuerung, das Ende der Spekulationsfrist bei Immobilien, eine Erhöhung der Lkw-Maut und eine Reform der Grundsteuer.

Steuerliche Pauschalierung von Bauern soll fallen
Wenig freuen dürfte Bauern zudem das Verlangen nach einer Aufgabe der steuerlichen Pauschalierung in der Landwirtschaft, von der nach Geschmack von ÖGB und AK nur noch Kleinstbetriebe profitieren dürften. Ebenfalls gegen die Bauern zielt die Forderung, die Rückvergütung der Mineralölsteuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge abzuschaffen.

Auch für die Unternehmer haben Gewerkschaft und Kammer einiges zum Ärgern dabei. So sollten die Dienstgeber künftig zusätzlich einen Euro pro Überstunde zahlen, wobei je 50 Cent an Arbeitslosen- und Krankenversicherung fließen sollten. Ferner sollte die Beitragsbefreiung für ältere Arbeitnehmer auslaufen und sollten die Arbeitgeber die erste Woche das Arbeitslosengeld für gekündigte Dienstnehmer zahlen. Bei der Wirtschaftsförderung sehen ÖGB und AK ein Einsparungsvolumen von 100 Millionen.

Kürzungen bei Pensionen strikt abgelehnt
Einsparungen im Pensionsbereich wollen die Arbeitnehmer nicht etwa über höhere Abschläge oder ein Vorziehen der Angleichung des Frauenpensionsalters erzielen - beides wird explizit abgelehnt -, sondern indem Selbstständige und Besserverdienende zur Kasse gebeten werden. Vorgeschlagen wird eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage um 300 Euro sowie eine Erhöhung der Beitragssätze für Bauern und Selbstständige um 0,5 Prozentpunkte. Ausdrücklich unterstützt wird das Sozialpartner-Papier vom vergangenen Herbst, das die Invaliditätspension vor allem über die Rehab-Schiene bremsen soll.

Im Gesundheitswesen sieht man durch eine effizientere Gestaltung des Systems ein Kostendämpfungspotenzial von 900 Millionen, das ist exakt die Hälfte von dem, was sich die ÖVP in diesem Bereich verspricht. Bei der Familienförderung setzt man auf das jüngst von AK und Industriellenvereinigung präsentierte Modell mit einer Zusammenführung der Geld- und Steuerleistungen.

Weitere Vorstellungen von Arbeiterkammer und Gewerkschaft: Die Infrastrukturprojekte der ÖBB sollten zeitlich modifiziert werden, eine Personalreduktion im öffentlichen Dienst wird ebenso abgelehnt wie Einmaleffekte durch Privatisierungen, und es brauche wirkungsvollere Modelle zur Bekämpfung von Steuerbetrug. Unter anderem sollte ein Abkommen mit der Schweiz angestrebt werden, hätten doch Österreicher dort bis zu 17 Milliarden auf Bankkonten geparkt, die dem heimischen Fiskus entgingen.

IV und Wirtschaftsbund gegen "einseitigen Klassenkampf"
Bereits vor der Präsentation des ÖGB-AK-Vorschlags sind am Freitag Wirtschaftsbund und Industriellenvereinigung in die Gegenoffensive gegangen. Die beiden Unternehmerverbände betonten einmal mehr, dass die Haushaltskonsolidierung rein ausgabenseitig erfolgen solle. Der von der Arbeiterkammer "einseitig geführte Klassenkampf" sei unverständlich und würde den Wirtschaftsstandort schädigen, gaben sich IV-Generalsekretär Christoph Neumayer und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner kampfbereit.

Neumayer erklärte, es brauche keinesfalls neue Steuern. Gleichzeitig verwies er darauf, dass auch die IV sehr wohl für Investitionen sei - etwa in den Bereichen Bildung und Forschung. Dafür sei es aber notwendig, die Schulden zu reduzieren. Auch der Wirtschaftsbund will dafür sorgen, dass es zu keinen neuen Steuern kommen werde, beteuerte Haubner.

Laut Wirtschaftsbund ist der Sanierungsbedarf in Österreich im Europa-Vergleich gar nicht so groß, dafür aber sei man bei der Abgabenquote Spitzenreiter. Die Sanierung dürfe und könne daher rein ausgabenseitig erfolgen. In Richtung AK und ÖGB sagte Haubner, es sei kein Weg, zu allen Reformen Nein zu sagen. Ohne Strukturreformen werde es bergab gehen.

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