Täter auf der Flucht

Mord am Reiterhof: Das Psychogramm des Rächers

Österreich
13.12.2015 08:06

Mit seiner Freundin träumte Hermann Haase von einem Leben in Reichtum, als Gutsherr. Am 3. Dezember fuhr er von seinem Haus am Attersee nach Leipzig. Und erschoss dort den Besitzer eines Reiterhofs. Warum?

Er ist 1,90 Meter groß, 50 Jahre alt, hat eine sportlich-kräftige Statur und graue Haare. Seine Augen sind hellbraun. Zuletzt war er mit Jeans, dunkler Jacke und gestreiften Turnschuhen bekleidet - so die Personenbeschreibung, mit der weltweit nach dem Oberösterreicher Hermann Haase gefahndet wird. Seit seiner schrecklichen Bluttat in Deutschland, am 3. Dezember.

Eine Hinrichtung mit drei Schüssen
Um etwa 13.35 Uhr fuhr er damals mit seinem schwarzen Audi A8 auf das Gelände eines Reiterhofs im Süden von Leipzig ein, erkundigte sich in der Folge bei einer Angestellten, wo "der Boss" zu finden sei. Antwort: "Im Büro, in seinem Haus." Minuten später klingelte Haase an der Eingangstür des Gutshofs. Als Rocco J. - verheiratet, zweifacher Vater - öffnete, sah er in die Mündung eines Revolvers.

Der 52-Jährige habe noch zu flüchten versucht, berichten Zeugen des Dramas, "aber er hatte keine Chance." Ein Schuss, ein zweiter, ein dritter. Rocco J. brach sterbend zusammen. Danach lief Haase zu seinem Wagen - und gab Gas.

Gegen 15.30 Uhr überreichte er dem Portier der Oberstaatsanwaltschaft Leipzig einen Umschlag. Inhalt: sein Pass, seine Autoschlüssel, ein Zettel mit einer genauen Ortsangabe, wo sein Audi geparkt sei, diverse Dokumente. Und ein Brief. Der erste Satz darin: "Ich gestehe, Rocco J. getötet zu haben..."

Und dann verabschiedete sich der Oberösterreicher freundlich und verließ das Justizgebäude. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Hat er sich nach seinem Verbrechen umgebracht? Ist er auf der Flucht? "Wir wissen es nicht", sagen die Ermittler. Die Hintergründe der Hinrichtung? "Sie sind noch nicht ausrecherchiert."

Hermann Haase: Warum wurde er zum Mörder? Er, dieser Mann, der bis zum 3. Dezember noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, der in seinem Umfeld so lange als "völlig unauffällig" gegolten hatte.

Vom Unternehmer zum Träumer
Was ist seine Lebensgeschichte? Er wuchs mit zwei Schwestern in geordneten Verhältnissen auf. In Buchkirchen bei Wels. Die Eltern: Landwirte. "Ruhig, fleißig, folgsam" sei er als Kind gewesen. Nach der Schule machte er eine Lehre in einem Nachbarbetrieb, verliebte sich in die Tochter des Inhabers, heiratete sie bald.

1992 gründete das Paar, gemeinsam mit der Schwester der Frau, ein eigenes Unternehmen, verkaufte fortan Traktoren. Mit Erfolg. Und auch privat lief alles bestens. Die beiden errichteten neben dem Haus von Haases Eltern ein schmuckes Eigenheim, 1998 kam ihr Wunschkind - ein Sohn - zur Welt.

Und sonst? Was berichten frühere Freunde des Täters noch über ihn? Dass er in seiner Freizeit "manchmal im Dorfwirtshaus ein Bier getrunken und lustig geplaudert" habe. Dass er von Jugend an "ein Pferdenarr" gewesen sei. Und 2010 sei es geschehen: "Bei einem Reiter-Treffen lernte er diese fremde Frau kennen." Die ihn magisch anzog. Für die er bereit war, alles aufzugeben, was ihm bis dahin wichtig gewesen war.

"Neue Freundin hat Hermann verhext"
Er ließ sich scheiden, veräußerte seine Betriebsanteile und mehrere Grundstücke. Brach den Kontakt zu den meisten seiner Bekannten ab. Und zog mit der Frau in das Haus seines verstorbenen Großvaters am Attersee.

"Seine neue Freundin, sie hat Hermann verhext", sagt Haases Vater: "Mein Sohn zweifelte nie am Wahrheitsgehalt der abstrusen Geschichten, die sie von sich gab." Als verarmte Angehörige eines Adelsgeschlechts habe sie sich ausgegeben, von Restitutionsverhandlungen erzählt, den Reiterhof in Leipzig betreffend, genauso wie von einem Rechtsstreit wegen angeblich dubioser Pachtverträge zwischen ihrer Familie und den J.s.

Fest steht bloß: Die Frau, die Hermann Haase so sehr faszinierte, der er sein gesamtes Vermögen überließ, hatte einst auf Rocco J.s Gestüt gearbeitet. Und mit ihm eine intime Beziehung gepflogen.

Immer wieder reiste sie in den vergangenen Jahren nach Deutschland. Um dort Prozesse zu führen? Oder um das Verhältnis mit ihrem Ex-Chef fortzusetzen? Kürzlich berichtete Hermann Haase einem Jugendfreund: "Noch 2015 werde ich auswandern und ein reicher Gutsbesitzer sein." Seine Träume, sie sind letztlich zerplatzt.

Weil seine Freundin eine Klage verloren - oder weil er sie eines Seitensprungs überführt hatte? Warum stieg der Oberösterreicher am Morgen des 3. Dezember in seinen Audi A8, mit dem einzigen Ziel, in Leipzig Rocco J. umzubringen? In dem Brief, den er nach seiner Tat bei den Behörden deponiert hat, soll er Erklärungen für sein entsetzliches Handeln abgegeben haben.

Bis dato wird das Schriftstück unter Verschluss gehalten.

Lesen Sie auch:

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele