Gutachter befangen

Meinl will seine 100-Millionen-Euro-Kaution zurück

Österreich
19.09.2009 12:50
Ein Gerichtsurteil hat diese Woche die Abberufung des Gutachters Thomas Havranek wegen Befangenheit im Fall Julius Meinl V. für rechtmäßig erklärt. Jetzt geht die Meinl Bank damit in die Offensive: Nach Auffassung der Privatbank entzieht das OLG-Urteil dem gesamten Verfahren die Grundlage. Das Institut will nun einen Enthaftungsantrag für seinen Eigentümervertreter Julius Meinl V. stellen. Damit wird auch die "Monsterkaution" (Zitat: Meinl Bank) über 100 Millionen Euro plus Zinsen eingefordert, nach der in der Vergangenheit bereits ein Prozessfinanzierer die Hände ausgestreckt hatte.

In dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hatte das Oberlandesgericht in Wien einer erstinstanzlichen Entscheidung Recht gegeben, in der der von der Staatsanwaltschaft bestellte Havranek als befangen erklärt wurde. Das OLG wörtlich: "Die volle Unbefangenheit des Sachverständigen und damit eine unbefangene Gutachtenerstattung ist in Zweifel zu ziehen."

"Wenn das Gutachten jetzt von jeglicher Relevanz entkleidet ist, müsste die Aufhebung der U-Haft eigentlich von Amts wegen erfolgen", sagte Bank-Vorstand Peter Weinzierl am Freitag. "Dennoch werden wir den Antrag stellen." Eine Zurücknahme der U-Haft hätte zur Folge, dass die Kaution mit Zinsen zurückgezahlt werden müsste. Weinzierl bezeichnete die Summe im Mai, als erstmals Kritik am Havranek-Gutachten laut wurde als "weltweit einzigartige Monsterkaution", die Julius Meinl "abgepresst" worden sei. Jeder gerichtlich bestellte Gutachter wisse, "woher das Geld kommt", und neige deshalb sozusagen automatisch zu Gutachten, die die Fortsetzung des Verfahrens begünstigten, so der Bank-Chef.

Prozessfinanzierer wollte Kaution sicherstellen lassen
Der Prozessfinanzierer Advofin hatte im Juni versucht, die "Meinl-Kaution" für Schadenersatzansprüche von Anlegern sicherstellen zu lassen. Der Republik Österreich sollte mittels Einstweiliger Verfügung verboten werden, die gesamte Kautionssumme wieder auszuzahlen. Anleger-Anwalt Ulrich Salburg konnte aber einen Anspruch seiner Mandanten gegen Julius Meinl bescheinigen, noch dass die Kaution aus Meinls Vermögen oder von der Bank bezahlt worden wäre. Meinl-Bank-Sprecher Thomas Huemer gab damals bekannt, die 100-Mio.-Euro-Kaution komme von einem umbekannten Dritten. Wer dies sei, wisse man nicht, "weil es nicht die Bank betrifft".

In Österreich werden Kautionszahlungen übrigens automatisch mit einem niedrigen Zinssatz - laut einem Gerichtssprecher gegenüber krone.at "um die zwei Prozent oder darunter" - angelegt. Wenn der Grund für die Untersuchungshaft weggfällt, sei es jetzt durch Verurteilung, Freispruch, eine Einstellung des Verfahrens oder ähnlichem, wird das Geld zurückbezahlt.

Auch Amtshaftungsklage gegen Republik?
Derzeit läuft eine Feststellungsklage von Meinl gegen Havranek (Streitwert eine Million Euro), in der herausgefunden werden soll, ob das nun verworfene Gutachten Schäden bei Bank und Julius Meinl verursacht habe. Diese Klage könnte zu einem späteren Zeitpunkt zu Schadenersatzprozessen führen. Auch eine Amtshaftungsklage gegen die Republik wegen des Verhaltens der Staatsanwaltschaft wird von Meinl nicht ausgeschlossen.

Havranek war wegen möglicher Befangenheit (u.a. wegen eines Meinl-kritischen Zeitungskommentars vor zwei Jahren) auf Drängen der Bank schon im Juli vorerst abberufen worden. Der Vorwurf der Bank: Das fehlerhafte und "dilettantische" Vorgutachten des Sachverständigen sei eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Verhaftung von Meinl im April 2009 gewesen. Der befangene Sachverständige habe "rechtsstaatlich zweifelhafte Praktiken des Staatsanwalts" ermöglicht, betonte die Bank. Die Verhaftung Meinls sei unrechtmäßig gewesen, die Einvernahmen "tendenziös".

Staatsanwälte ließen Büros auf Wanzen überprüfen
Die Wiener Staatsanwälte haben indes ihre Büros auf Wanzen untersuchen lassen. Es gebe Hinweise, dass Privatdetektive auf Staatsanwälte angesetzt seien, wenngleich dies "nicht unbedingt in unmittelbarem Zusammenhang" mit der Causa Meinl stehen müsse, sagte Gerhard Jarosch, Sprecher der Wiener Staatsanwaltschaft nach entsprechenden Berichten. Die Meinl Bank habe keine privaten Ermittler auf die Staatsanwälte angesetzt und lasse diese auch nicht bespitzeln, gab Bankvorstand Weinzierl am Freitag zu Protokoll. Es sei auch "wenig realistisch" anzunehmen, dass Meinl "Leute ins Graue Haus einschleusen kann, die Büros von Staatsanwälten verwanzen können."

Georg Schima, Zivilrechtsexperte für Meinl, meinte aber, es sei das legitime Recht von jedem, der in ein solches Verfahren verwickelt sei, innerhalb des Gesetzes Auskünfte auch über Gutachter und Staatsanwälte einzuholen. Weinzierl räumte ein, dass von "externen Dritten" im Auftrag der Bank Informationen über Gutachter Havranek gesammelt worden seien.

Die Causa "Meinl European Land"
Auslöser der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind die Vorgänge um die frühere "Meinl European Land", eine in Wien notierte, aber auf Jersey sitzende Immobiliengesellschaft, in der nach massiven Zertifikatsrückkäufen ein Kurssturz erfolgt war. Danach begannen Finanzaufsichtsbehörden, aber auch die Staatsanwaltschaft gegen Julius Meinl und verschiedene Bankvorstände zu ermitteln. Nach Razzien in Büros und der Privatvilla Meinls war dieser Anfang April kurzfristig festgenommen und kurz danach gegen eine Kaution von 100 Millionen Euro auf freien Fuß gesetzt worden.

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