"Schlacht ums Heer"

“Krone”-Serie zur Wehrpflicht: Die Kostenwahrheit

Österreich
06.01.2013 20:26
Auf den ersten Blick ist es klar: Unser derzeitiges Bundesheer mit seinen 22.000 Fast-gratis-Wehrdienern ist die billigere Lösung, über die wir bei der Volksbefragung am 20. Jänner abstimmen können. Anders dürfte es allerdings laut diverser Studien aussehen, wenn man dazu noch die persönlichen Einkommensverluste der Grundwehrdiener sowie die Nachteile für die gesamte Volkswirtschaft mitrechnet. Teil 2 der "Krone"-Serie "Schlacht ums Heer".

Mitarbeiter, die täglich rund um die Uhr zur Verfügung stehen und dafür nur 198,11 Euro als Monatsgeld erhalten, wünscht sich jeder Chef. Das ist auch das Hauptargument der ÖVP für die Beibehaltung der Wehrpflicht, die auf den jährlich rund 22.000 Grundwehrdienern (10.500 pro Sechsmonatsturnus) beruht. Diese "Billig-Soldaten" durch eine Profitruppe zu ersetzen, würde das Heeresbudget von derzeit zwei Milliarden Euro im Jahr sprengen. Kalkulationen aus Finnland sprechen bei einem gleich großen Freiwilligen-Heer von einer Vervierfachung der Kosten.

Das sieht offenbar auch die SPÖ so und schlägt deshalb ein um netto 1.900 auf 31.300 Mann abgespecktes Modell vor: Zahlenmäßig eingespart wird in der Verwaltung sowie bei den Berufssoldaten. Die Grundwehrdiener werden durch freiwillig verpflichtete Zeitsoldaten sowie eine ebenfalls freiwillige Profimiliz ersetzt.

Obwohl beide Parteien noch Nebelgranaten werfen, kristallisieren sich damit zwei Kostenvarianten heraus:

  • Wehrpflicht (laut ÖVP): Dabei bleibt die Ausgabenstruktur etwa gleich wie jetzt. Aktuell kostet das Personal 1,1 Milliarden Euro, 439 Millionen gehen für laufenden Betrieb und Infrastruktur drauf, 54 Millionen für die Miliz. Nur 342 Millionen stehen für neue Ausrüstung zur Verfügung. Zunehmend belastet wird das real schrumpfende Heeresbudget zudem durch die teuren Eurofighter.
  • Berufsheer (SPÖ): Die Kosten wären laut Verteidigungsminister Norbert Darabos etwa gleich hoch. Allerdings in der Struktur langfristig besser, weil weniger (pragmatisiertes) Fixpersonal in der Verwaltung sowie dem Berufssoldatenkorps zu bezahlen wäre. 2017 würden die Personalkosten laut Verteidigungsministerium beim Profi-Modell 59 Prozent der Bundesheer-Mittel binden, bei Beibehaltung der Wehrpflicht wären es schon 68 Prozent.

Vorausgesetzt, die Annahmen stimmen, dann macht der isolierte Vergleich von Freiwilligen-Heer bzw. Wehrpflicht für den Steuerzahler also wenig Unterschied.

15 bis 20 Prozent Zusatzkosten zum offiziellen Budget
Anders sieht es aus, wenn man die "Nebeneffekte" für die betroffenen Jungen sowie die Wirtschaft mit einbezieht. Laut Studie der Hochschule der deutschen Bundeswehr in Hamburg machen solche Zusatzkosten bei Wehrpflichtigen-Heeren 15 bis 20 Prozent aus. Ähnliches rechnete die heimische Arbeitsmarktexpertin Gudrun Biffl schon 2001 für das Wirtschaftsforschungsinstitut aus und erneuerte jüngst im Auftrag des Verteidigungsministers ihre Kalkulation.

Demnach verdient ein Grundwehrdiener in seinen sechs Monaten z.B. gegenüber einem Berufs-Unteroffizier um 7.500 Euro weniger, hat also sofort einen Einkommensnachteil. Weiters wirke die Unterbrechung bzw. der verspätete Einstieg in Ausbildung und Beruf lebenslang nach. Holländische Untersuchungen zeigen, dass Wehrpflichtige auch noch nach zehn Jahren im Schnitt fünf Prozent weniger als Gleichaltrige verdienen, die nicht bei der Armee waren. Pro Person kann das etwa 77.000 Euro ausmachen! Biffl: "Das wirkt wie eine Naturalsteuer, die gerade die Jüngeren mit wenig Einkommen besonders trifft. Diese Kosten müsste man dem Wehrdienst eigentlich dazurechnen."

Verspäteter Einstieg in Job wirkt jahrelang nach
Zweiter Befund: Weil Zehntausende Rekruten nicht in Beruf oder Ausbildung stehen, sondern teilweise ineffizient eingesetzt seien, verliert auch die Volkswirtschaft. Ökonomen meinen, dass unsere Wirtschaftsleistung mit Berufssoldaten um 0,25 Prozent oder gut 300 Millionen Euro höher wäre. Sie wären besser bezahlt, würden Steuern zahlen und zudem Zusatzqualifikationen für einen späteren Job in der Privatwirtschaft erwerben, so die Begründung.

Auch Experten auf der Seite der Wehrpflicht rechnen so, etwa der Linzer Volkswirtschaftsprofessor Friedrich Schneider. Seiner Ansicht nach wird allerdings das Gesamtsystem um 219 Millionen Euro im Jahr teurer, weil ja mit Wegfall der Wehrpflicht auch der Zivildienst durch gut bezahlte freiwillige Sozialdienst-Leistende ersetzt werden müsste.

Zweifellos am teuersten aber kommt ein Heer, das seine Leute schlecht ausbildet und so nur für einen begrenzten Zeitraum einsetzbar ist.

Teil 3: Widerspricht die Wehrpflicht dem Gleichheitsgrundsatz?

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