"Weiter wachsam"

Kinderschutzpaket bringt schärfere Sanktionen

Österreich
06.12.2011 14:14
Für Gewalttaten und Missbrauch an Kindern drohen künftig strengere Sanktionen, "Grooming" und das Betrachten von Kinderpornografie werden ebenso strafbar wie Zwangsehen und Genitalverstümmelung im Ausland. Das bringt das Kinderschutzpaket, das am Dienstag im Nationalrat beschlossen wurde. Alle fünf Parteien stimmten zu - FPÖ, BZÖ und Grüne forderten allerdings darüber hinausgehende Maßnahmen. Justizministerin Beatrix Karl sicherte zu, "weiter wachsam" zu sein.

Die Debatte verlief allerdings über lange Strecken nicht ganz so harmonisch - wie dies bei der Frage, ob bzw. welche Strafen oder Maßnahmen gegen Straftaten angemessen sind, häufiger der Fall ist. Noch heftiger wurde die Debatte aber, als FPÖ und BZÖ die Gelegenheit nutzten, ihre Kritik an den Ermittlungen in der Causa Kampusch vorzutragen. SP-Justizsprecher Hannes Jarolim kritisierte dies als Versuch, "aus einem grauenhaften Fall abzucashen". Die Sache werde ohnehin im Unterausschuss des Innenausschusses untersucht.

Karl: "Strafrecht allein reicht nicht aus"
Alle waren sich einig, dass Kinder als schwächste Mitglieder der Gesellschaft besonders schutzbedürftig sind. Die Geister schieden sich allerdings in der Frage, wie dieser Schutz erreicht wird. Karl räumte ein, dass "das Strafrecht alleine nicht ausreicht", aber es gelte, mit der Strafrechtsnovelle das Signal zu senden, "dass unsere Gesellschaft Gewalt und Missbrauch an Kindern nicht akzeptiert".

Mit Mindeststrafen für alle Straftaten werde klargestellt, dass "bei Gewalt gegen Kinder einfach keine Toleranzgrenze" bestehe. Der Befürchtung, dass auch der "Klaps auf den Hintern" mit zwei Jahren Freiheitsstrafe geahndet wird, trat Karl entgegen: Den Richtern bleibe im Einzelfall weiter die Möglichkeit einer Einstellung, Diversion oder außerordentlichen Milderung.

Zivilcourage besonders wichtig
Außerdem wurde per Ausschussfeststellung klargemacht, dass zum Beispiel Eltern, denen "einmal die Hand ausgeht", nicht ins Gefängnis gehen müssen, berichtete SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Auch er ist der Meinung, dass das Strafrecht allein keinen effizienten Schutz bietet. Wichtig seien der Ausbau der Kinderschutzzentren - und Zivilcourage. Angesichts der hohen Dunkelziffer von 90 Prozent formulierte er die "Botschaft an die Bevölkerung", bei allen Verdachtsfällen Jugend- und Kinderschutzeinrichtungen zu verständigen.

Die FPÖ unterstützt das Gesetz, weil es Verschärfungen bringt - aber sie hat viele weitere Forderungen. FP-Chef Heinz-Christian Strache nannte unter anderem eine unbedingte Anzeigepflicht für alle Personen, die beruflich mit Kindern zu tun haben, die chemische Kastration bei schwerem sexuellem Missbrauch, den Entfall der Verjährung, ein Verbot der vorzeitigen Entlassung und ein Berufsverbot im Kinderbereich. Wie notwendig das wäre, würden auch die "Skandale in den Kinderheimen im roten Wien" zeigen, meinte er.

ÖVP verweist auf lange Verjährungsfrist
ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer verwies darauf, dass die Verjährungsfrist bei Missbrauch ohnehin erst mit dem 28. Lebensjahr des Opfers zu laufen beginnt und bei schweren Fällen bis zum 48. Lebensjahr dauere. Ein Tätigkeitsverbot für Sexualtätern in bestimmten Berufen gebe es bereits. Und gegen eine Anzeigepflicht spreche, dass sich in diesen meist in der Familie angesiedelten Fällen dann wohl noch weniger Betroffene an die Kinderschutzeinrichtungen wenden würden - und eine vorschnelle Anzeige auch die Aufklärung erschweren könnte.

BZÖ-Sicherheitssprecher Peter Westenthaler hält schärfere Strafen für sehr sinnvoll - nicht nur wegen der Prävention, sondern weil "der einzige wirksame Schutz vor Kinderschändern ist, wenn sie hinter Schloss und Riegel sitzen". Der nun gesetzte Schritt sei aber "zu wenig". Die Orangen verlangen unter anderem auch die Anzeigepflicht und die Streichung der Verjährungsfristen sowie "lebenslänglich" für das Quälen Unmündiger mit Todesfolge.

Grüne befürchten "Opfer unterschiedlicher Klasse"
Die Grünen halten die Erhöhung der Strafrahmen für "problematisch": Denn man schaffe "Opfer unterschiedlicher Klasse", wenn die Vergewaltigung einer erwachsenen Frau weniger streng bestraft wird als bei Kindern, betonte Justizsprecher Albert Steinhauser. Zudem seien höhere Strafen nur ein "Placebo", sie würden "keinen einzigen Täter abhalten". Wichtig sei Prävention - und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Täter, erwischt zu werden. Denn bei Gewalt an Kindern liege die Dunkelziffer bei 90 Prozent.

EU-Bürger können Haft in Heimatland absitzen
Einstimmig abgesegnet wurde am Dienstag zudem eine Vorgabe der Europäischen Union: EU-Bürger können ihre Haftstrafen künftig in ihrem Heimatland absitzen. Als Grundsatz gilt, dass der Strafvollzug fortan in jenem Staat vorgenommen werden soll, der am ehesten geeignet erscheint, der Resozialisierung des Verurteilten zu dienen.

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