SP und VP im Clinch

Immer mehr Rätsel um die große Steuerreform

Österreich
20.08.2014 16:37
Mit Rückkehr der Regierungsmitglieder aus dem Urlaub ist auch die Debatte über die große Steuerreform wieder da. Seit dem Wochenende wird in Kanzleramt, Finanzministerium und diversen Expertengruppen heftig verhandelt. Viel weitergekommen ist man dem Vernehmen nach allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Rätsel um die versprochene Steuerentlastung werden immer mehr.

Aus der SPÖ hieß es zuletzt wieder einmal, dass die Steuerreform ein Volumen von vier bis 4,5 Milliarden haben solle. Kernpunkt ist die Senkung der Lohnsteuer für niedrigere Jahreseinkommen ab 11.000 Euro von derzeit 36,5 auf 25 Prozent. Dann sollen Einkommen ab 16.000 Euro mit 33 Prozent folgen. 40 Prozent sollen ab 25.000 Euro und 45 Prozent ab 35.000 Euro fällig sein. Der Spitzensteuersatz von 50 Prozent würde wie bisher ab einem jährlichen Brutto-Einkommen von 60.000 Euro greifen.

Drei, vier, viereinhalb oder sechs Milliarden?
Aber bereits beim Budget-Entgang scheiden sich die Geister. Die einen erklären, der Kostenpunkt läge bei drei Milliarden, andere sprechen von vier bis 4,5 Milliarden. Mehrere Experten haben allerdings vorgerechnet, dass bei einem gut austarierten Modell die Gesamtbelastung etwa sechs Milliarden Euro ausmachen werde.

Unabhängig von diesen erheblichen Differenzen gibt es noch größere Unterschiede bei den Modellen zur Finanzierung der Steuerreform.
In der SPÖ beharrt man auf einer einfachen Rechenweise: Eine Milliarde würde durch mehr Konsum und Wachstum durch die Steuerreform hereinkommen. 1,5 Milliarden verspricht man sich in der Kanzlerpartei durch eine Millionärsabgabe oder durch andere Vermögenssteuern, 1,5 Milliarden sollen durch Sparmaßnahmen etwa in der Verwaltung hereinkommen.

Knackpunkt: Wie viel kommt durch mehr Konsum herein?
Damit ergeben sich allerdings mehrere Widersprüche. Finanzexperten gehen von der Formel aus, dass in wirtschaftlich guten Zeiten rund zehn bis höchstens 15 Prozent des Gesamtvolumens einer Steuerreform durch Konsum und Wachstum wieder hereinkommen können. In Krisenzeiten liegen diese Einnahmen allerdings deutlich darunter.

Auch die Sparmöglichkeiten durch die seit Langem in Aussicht gestellte Verwaltungsreform sind sehr vage. Zudem ist zu erwarten, dass sich eine Verwaltungsreform erst in einigen Jahren als budgetwirksam erweisen könnte.

Umstrittene Alternativen
Die von SPÖ und ÖGB geforderten Vermögenssteuern etwa in Form einer Millionärsabgabe stoßen wiederum auf völlige Ablehnung der ÖVP. Die zuletzt alternativ ins Gespräch gebrachte Erhöhung der Grundsteuer und der Kapitalertragssteuer von 25 auf 30 Prozent gilt in Hinblick auf ihren tatsächlichen Ertrag ebenfalls als sehr umstritten - zumal die Grundsteuer nicht in das Bundesbudget fließt, sondern den Gemeinden zukommt.

Weitgehende Einigkeit herrscht zwischen SPÖ und ÖVP, dass ein Kahlschlag im Bereich des dichten und teilweise völlig unübersichtlichen Systems von Förderungen und Subventionen bis zu 1,5 Milliarden Euro an Ersparnis bringen könnte. Aber auch hier steht man vor schweren Gesprächen mit diversen Interessensvertretern.

Kommentar von Claus Pándi: Pi mal Daumen
Der seltsame Titel zu dieser Kolumne ist nichts anderes als die geheime Regierungsformel zur großen Steuerreform: Pi mal Daumen lautet die mutmaßliche Berechnungsmethode, mit der uns die Koalition seit bald einem Jahr unterhält. Angeblich kommt diese simple Rechentechnik aus dem Militärbereich. Mit ihr wurden im 17. Jahrhundert Reichweite und Schussfeld für die Kanonen berechnet.
Für den einen oder anderen Treffer reichten damals die Längen von Daumen und Arm sowie die Konstante Pi.

Eine ähnlich exakte mathematische Vorgangsweise dient jetzt offenbar auch als Grundlage zur Entlastung der Steuerzahler. Man multipliziert politische Forderungen mit vagen Hoffnungen auf einen Konjunkturaufschwung und dividiert das Ganze durch einen Koalitionskompromiss.

Vielleicht haben Kanzler und Finanzminister sogar Glück und das Kunststück gelingt. Wenn es allerdings nicht klappen sollte, muss die Steuerreform auf Pump finanziert werden. Dann gibt es nicht nur kein Nulldefizit, es droht auch noch das dicke Ende durch exorbitante Strafzahlungen in den EU-Gemeinschaftstopf.

Aber diese düstere Einschätzung muss nicht Wirklichkeit werden. Die derzeitige Verwirrung liegt auch an den eigenartigen Verhandlungen der beiden einander misstrauenden Koalitionsparteien. Im Hintergrund rechnen durchaus echte Experten an einer seriösen Steuerreform. SPÖ und ÖVP müssten sich allerdings auch an die Empfehlungen dieser Fachleute halten.

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