Proteste gegen Leitl

“Guter Wirt spart drei Psychiater” – Ärzte erbost

Österreich
25.02.2015 13:27
Österreichs Psychiater und Psychotherapeuten sind derzeit erbost über einen Aschermittwochsager von WKÖ-Präsident Christoph Leitl. "Ein guter Wirt erspart drei Psychiater", hatte er da unter anderem gesagt. Trinken und Rauchen im Wirtshaus seien allerdings kein Ersatz für die Behandlung psychiatrischer Erkrankungen durch den Facharzt, lautet nun der Konter der Standesvertreter.

Der Wirtschaftskammerpräsident hatte in seiner Aschermittwochrede die Gastronomie vor dem von der Regierung geplanten Rauchverbot in Lokalen zu schützen versucht. Es könne nicht sein, dass man die "Wirte sterben" lasse, dafür aber die Psychiater-Ausbildung forciere. Das hat in den Reihen der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie zu einem Aufschrei geführt.

Wütende Proteste der Fachärzte
In einer Stellungnahme der Ärzte und Therapeuten heißt es nun: "Österreich ist ein Staat mit einer im europäischen Vergleich beschämend geringen Anzahl von Psychiatern, mit der Tendenz zum internationalen Schlusslicht zu werden. Beim Alkoholverbrauch - und zwar in allen Altersgruppen - und entsprechend auch bei der Rate der Alkoholkranken zählt Österreich hingegen zu den Spitzenreitern Europas."

Der Präsident der Fachgesellschaft, der Wiener Psychiater Georg Psota, war zuvor mit wütenden Protesten seiner Kollegen konfrontiert gewesen: "Ich habe von Mitgliedern unserer Fachgesellschaft mit unterschiedlichstem Hintergrund Protestschreiben und Anrufe mit dem Inhalt 'Jetzt reicht's' bekommen." Es könne nicht sein, dass man der österreichischen Bevölkerung Gasthäuser statt psychiatrischer Versorgung anbieten wolle.

"Beim Alkoholproblem schaffen wir EM-Quali locker"
Unbestritten ist schon allein das enorme Alkoholproblem, das Österreich hat. "Wir sind immer im Spitzenfeld. Da schaffen wir jede Europameisterschaftsqualifikation locker", so stellte Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Instituts in Kalksburg bei Wien, die Situation dar. "750.000 Menschen sind gefährdet. 360.000 Menschen sind tatsächlich alkoholkrank", sagte Barbara Degn von der Österreichischen Gesellschaft für Familien- und Allgemeinmedizin bei einer Pressekonferenz.

Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Höhere Studien kosten Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit der österreichischen Volkswirtschaft mindesten 470 Millionen Euro pro Jahr. Beim Rauchen sehe es nicht besser aus. 35 Prozent der Österreicher greifen noch immer zum Glimmstängel. Man rechnet mit jährlich mindestens 14.000 Todesopfern durch Folgeerkrankungen. Die österreichischen Jugendlichen sind überhaupt Europa-Spitze beim Rauchen, so die Daten aus internationalen Vergleichsstudien.

"Nicht dem Stammtisch anbiedern"
Die Psychiater und Psychotherapeuten wollen diese Themen nicht bei Spektakeln am Aschermittwoch behandelt sehen: "Wir erwarten von der österreichischen Politik, dass sie die Entwertung von psychisch Kranken, des Faches Psychiatrie und den Fachärztinnen und Fachärzten für Psychiatrie unterlässt, sich ihrer Verantwortung bewusst wird und die Psychiaterausbildung sehr wohl forciert. Wir erwarten von der österreichischen Politik auch in Wahlkampfzeiten, dass sie sich den Stammtischen nicht anbiedert, sondern niveauvolle Politik betreibt und dass die Wirte Österreichs so gefördert werden, dass sie nicht von der Alkoholisierung ihrer Kunden leben müssen."

Psota äußerte sich besonders erstaunt darüber, dass Leitl eine derartige Stellungnahme abgegeben hat: "Er ist auch Obmann der Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft (SVA), die als Krankenkasse natürlich auch Nikotin- und Alkoholabhängige unter ihren Versicherten hat."

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