Ein Hochstapler?

Graf als falscher Rechtsanwalt auf NR-Wahllisten

Österreich
08.06.2012 21:21
Seit Bekanntwerden der Stiftungsaffäre um die 90-jährige Gertrud Meschar ist der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf in verschiedenen Berichten wiederholt als Rechtsanwalt bezeichnet worden – dies war der 52-jährige FPÖ-Politiker aber niemals. Das bestätigt auch ein Sprecher Grafs, der hinzufügt, man habe sich bemüht, das richtigzustellen. In diesem Zusammenhang haben "Krone"-Recherchen jetzt allerdings ergeben, dass Graf bereits auf amtlichen Wahlvorschlagslisten bei den Nationalratswahlen 1994 und 1999 als Beruf "Rechtsanwalt" angegeben hatte.

Die Turbulenzen um die Meschar-Stiftung werfen immer mehr Fragen zu Martin Graf auf. Denn in den Berichten ist mehrfach der Eindruck entstanden, der Dritte Nationalratspräsident könnte in seinem Zivilberuf Rechtsanwalt sein. Allerdings war Graf niemals Rechtsanwalt, sondern lediglich Rechtsanwaltsanwärter in den Jahren 1992 bis 2002. Zuvor war Graf (laut Parlaments-Lebenslauf) Geschäftsführer im Gastgewerbe, vier Jahre bei der Bank Austria und von 2003 bis 2006 Geschäftsführer bei den Austrian Research Centers in Seibersdorf.

"Wir haben mehrfach den Versuch unternommen, den Eindruck, dass Dr. Martin Graf Rechtsanwalt sei, richtigzustellen. Martin Graf war nie Rechtsanwalt, er hat eine andere Laufbahn eingeschlagen", sagt jetzt Grafs Sprecher Alexander Höferl. Der Dritte Nationalratspräsident habe sich "niemals – weder auf irgendeinem Wahlvorschlag noch sonst wo – fälschlicherweise als Rechtsanwalt bezeichnet", betont der Sprecher.

1994 und 1999 als Rechtsanwalt auf Parteilisten
In deutlichem Widerspruch dazu steht allerdings die Wahlvorschlagsliste zu den Nationalratswahlen im Jahr 1994 (siehe auch Bild 2). Dort steht bei der Regionalparteiliste Wien Nord unter Liste 3, FPÖ, neben dem Namen "Martin Graf" sowie einer korrekten Geburtsangabe bei Beruf "Rechtsanwalt".

Wie weitere Recherchen ergaben, wurde diese Berufsbezeichnung nicht nur 1994 verwendet. Auch auf der FPÖ-Bundesparteiliste zu den Nationalratswahlen 1999 (Bild 3) steht bei Grafs Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt". Die Listen sind auf der Website des Bundesministeriums für Inneres öffentlich einsehbar.

Wie kam es zur falschen Titulierung?
Robert Stein, der Wahlleiter im Innenministerium, sagte, dass diese Listen von einem sogenannten Zustellungsberechtigten der jeweiligen Partei an die Behörden übermittelt werden. Der Zustellungsberechtigte der FPÖ war in beiden Fällen der ehemalige Bundesgeschäftsführer der FPÖ, Gernot Rumpold. Laut Stein würden sehr genau die Geburtsdaten und andere Angaben überprüft, bei der Berufsbezeichnung werde aber lediglich auf die Plausibilität geachtet.

Wie es nun genau parteiintern gelaufen ist, dass Graf – damals lediglich Rechtsanwaltsanwärter – auf amtlichen FPÖ-Wahlvorschlägen als Rechtsanwalt auftauchen konnte, kann man sich auch in der FPÖ nicht erklären. Kenner halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass Mitarbeiter der FPÖ eine falsche Berufsbezeichnung in Wahlvorschläge eingetragen haben könnten, ohne entsprechende Hinweise erhalten zu haben.

Auch in Parteiaussendungen als Rechtsanwalt tituliert
Auch in Presseaussendungen der FPÖ wurde Graf mehrmals als Rechtsanwalt bezeichnet: 1999 in einer Aussendung mit dem Inhalt, dass Herbert Scheibner zum Wiener Spitzenkandidaten der FPÖ für die Nationalratswahl gewählt worden sei - und sogar noch am 24. Mai dieses Jahres in einem Schreiben zur Stiftungs-Causa mit dem Titel: "FPÖ: Kickl: Richtigstellung der haltlosen Vorwürfe gegen Martin Graf".

Rudas: "Strache soll Parlament von Graf befreien"
Nicht nur in Juristenkreisen ist man jetzt ziemlich empört, dass Ex-Rechtsanwaltsanwärter Graf auf Wahllisten als Anwalt aufscheint. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas forderte von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache erneut den Rückzug Grafs als Dritter Nationalratspräsident. "Nachdem der Burschenschafter Martin Graf offenbar nicht genug Ehrgefühl aufbringt, um selbst zurückzutreten, muss sein Parteichef eingreifen und das österreichische Parlament von der Person Graf befreien", so die Parteimanagerin.

Auch die ÖVP nahm die neuen Vorwürfe gegen Graf zum Anlass für Kritik: "Wie lange schaut FPÖ-Chef Strache noch zu?", fragte ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch in einer Aussendung. Dass Strache "weiterhin keinen Finger rührt, bringt das Fass zum Überlaufen", erklärte er. Mit der Duldung "all dieser Vorkommnisse" schade die FPÖ dem Ansehen der gesamten Politik, dem Nationalrat und dem Ansehen der Funktion des Nationalratspräsidenten, so Rauch.

Soll Martin Graf als Dritter Nationalratspräsident zurücktreten: Stimm ab in der Infobox!

Graf vermutet Fehler bei Listenerstellung
Graf selbst reagierte noch am Freitagabend auf die Causa. Er könne sich nicht erklären, warum er auf den Wahlvorschlägen 1994 und 1999 als Rechtsanwalt ausgewiesen sei. "Offenbar ist irgendwo im Bereich der Erstellung, Übermittlung oder Veröffentlichung der Liste ein Fehler passiert", so Graf.

Er hoffe nun, dass sich die Originaldokumente - die er selbst für die Abgabe seiner Kandidatur unterschrieben hatte - noch beschaffen lassen. Denn aus diesen würde hervorgehen, dass die unkorrekte Eintragung nicht durch ihn erfolgt sei, so Graf. Sein beruflicher Werdegang werde "auf allen von mir verfügbaren Lebensläufen" korrekt wiedergegeben - wie auch auf der Homepage des Parlaments, "auf meiner privaten Webseite und auch im Online-Lexikon Wikipedia".

---------

Kommentar von Claus Pándi: Rechts, aber nicht Anwalt
Nur weil einer politisch weit rechts steht, muss er noch nicht Rechtsanwalt sein – nicht einmal dann, wenn er Rechtswissenschaften studiert hat. Um Anwalt zu werden, sind einige schwere Prüfungen abzulegen. Das sollte gerade Martin Graf wissen. Der ist nicht nur Jurist, sondern hat es mit dem Amt des Dritten Nationalratspräsidenten in eine hohe staatliche Position geschafft.

Umso bemerkenswerter, dass Martin Graf, der über den Rechtsanwaltsanwärter nie hinausgekommen ist, sich bereits auf der amtlichen Nationalratswahl-Liste von 1994 glatt als "Rechtsanwalt" hat bezeichnen lassen.

Graf als falscher Rechtsanwalt im Hohen Haus? Das wirft juristisch einige Fragen auf. Politisch sollten jetzt aber alles beantwortet sein.

Auf Grafs Ausreden kann man gespannt sein. Vermutlich wird irgendeiner Sekretärin die Schuld zugewiesen. Möglicherweise entwickelt Herrn Grafs Burschenschafterlager auch wieder enorme Kräfte in ihrer Spezialdisziplin - den Verschwörungstheorien.

Doch von einem Politiker und Juristen darf erwartet werden, dass er weiß, welchen Beruf er erlernt hat, und er sollte ebenfalls wissen, dass eine Nationalratswahl-Liste des Innenministeriums der Wahrheit zu entsprechen hat.

So aber muss für eine Partei der Anständigen, als die sich die FPÖ gerne bezeichnet, der Vorwurf der Hochstapelei mehr als nur bitter sein.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele