Nach zähem Ringen

Gesundheitsreform: Einigung zum “Wohl der Patienten”

Österreich
11.12.2012 18:33
Nach zwei Jahre dauernden zähen Verhandlungen haben sich Bund, Länder und Sozialversicherung am Dienstag auf die Gesundheitsreform geeinigt. "Die Einigung ist ein historischer Beschluss zum Wohl der Patienten", freute sich Gesundheitsminister Alois Stöger bei der Präsentation. Die Vertragspartner erklärten, damit den Anstieg der Gesundheitskosten dämpfen zu wollen. Sie betonten zugleich, dass weiterhin mehr Geld in das Gesundheitswesen fließen werde und keine Einsparungen vorgenommen würden.

Kern der in knapp achtstündigen Verhandlungen erzielten Vereinbarung ist ein "partnerschaftliches Zielsteuerungsmodell", mit dem Bund, Länder und Sozialversicherungen künftig den Spitalsbereich und die niedergelassenen Ärzte gemeinsam steuern, planen und finanzieren wollen. Nach der Absegnung in Innsbruck bei der außerordentlichen Landeshauptleutekonferenz am 19. Dezember sollen die Vereinbarungen im kommenden Jahr von den Landtagen und vom Nationalrat beschlossen werden, um dann Anfang 2014 in Kraft zu treten.

Geeinigt haben sich die Vertragspartner am Dienstag konkret auf zwei Bund-Länder-Vereinbarungen - eine zur Zielsteuerung und die zweite zur Finanzierung des Gesundheitswesens. Damit soll das Hin-und-her-Schieben von Patienten zwischen den vorwiegend von den Ländern finanzierten Spitälern und den von den Sozialversicherungen finanzierten niedergelassenen Ärzten ein Ende finden.

Sanktionen: Letzte Entscheidung bei Gesundheitsminister
Für den Fall, dass sich Länder und Sozialversicherung nicht auf einen Vertrag einigen können oder den Vertrag nicht einhalten, ist ein Sanktionsmechanismus vorgesehen. Die "Gesundheit Österreich"-Gesellschaft wird mittels Monitoring eine Einhaltung der Vereinbarungen überwachen. Wenn sie eine Vertragsverletzung feststellt, ist die Landesgesundheitskommission am Zug. Wenn dort keine Entscheidung getroffen wird, geht der Fall auf die Bundesebene weiter und am Ende ist eine Entscheidung des Gesundheitsministers sowie in Finanzfragen des Gesundheitsministers im Einvernehmen mit der Finanzministerin vorgesehen.

Zielsteuerungskommission zur Planung
Neu geschaffen werden Zielsteuerungskommissionen auf Bundes- sowie auf Landesebene. In jeder dieser Kommissionen auf Landesebene wird ein Zielsteuerungsvertrag erstellt. Dieser ist quasi ein Arbeitsvertrag und schreibt fest, wo sich in dem Land das Gesundheitssystem hinentwickeln soll und wo welche Leistungen angeboten werden. Daraus soll dann durch eine bessere Koordination und Organisation die angestrebte Kostendämpfung entstehen.

Erhalten bleiben die Bundesgesundheitskommission und die Landes-Gesundheitsplattformen. Darin sind alle Organisationen und damit auch die Ärztekammer wie bisher vertreten.

Laut Verhandlern keine Einsparungen geplant
Alle Verhandler betonten am Dienstagnachmittag bei der Präsentation, dass weiterhin mehr Geld in das Gesundheitswesen fließen werde und keine Einsparungen vorgenommen würden. Ziel ist es demnach, den Kostenanstieg von jährlich 5,2 Prozent bis 2016 auf das angenommene BIP-Wachstum von 3,6 Prozent zu reduzieren. Daraus ergeben sich Ausgabendämpfungen bis 2016 von insgesamt 3,43 Milliarden Euro (Länder 2,058 Milliarden, Sozialversicherung 1,372 Milliarden Euro).

Um in Zukunft vermehrt auf Prävention zu setzen, wird auf Landesebene ein gemeinsamer Gesundheitsförderungsfonds eingerichtet. Dieser wird mit insgesamt 150 Millionen Euro für zehn Jahre dotiert. Über die Mittelverwendung entscheidet die jeweilige Landeszielsteuerungskommission.

Geschaffen wird auch ein österreichweit einheitliches Qualitätssystem. Dieses sieht Messungen der Ergebnisqualität in Spitälern und bei niedergelassenen Ärzten vor. Der Bund macht dafür laufend verbindliche Vorgaben. Ziel der Reform ist es ausdrücklich, die Primärversorgung bei den niedergelassenen Ärzten zu stärken. Ausgewählte Leistungen sollen verstärkt tagesklinisch bzw. ambulant angeboten und der stationäre Bereich in den Spitälern entlastet werden.

Stolz und Erleichterung nach Einigung
Bei der Präsentation ihrer Reform zeigten sich alle sechs Mitglieder der politischen Steuerungsgruppe (Bild) stolz und erleichtert, diese Einigung geschafft zu haben. Gleichzeitig wurde aber auch darauf verwiesen, dass die Umsetzung jetzt in den Zielsteuerungskommissionen erfolgen müsse, wo die konkreten Verträge zu erarbeiten sind. So meinte etwa Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer, dass noch "harte Arbeit" warte, und auch die Obfrau der Wiener Kasse, Ingrid Reischl, geht davon aus, dass noch viel zu tun sein wird. Hauptverbands-Chef Hans Jörg Schelling teilte diese Auffassung, zeigte sich aber doch zuversichtlich.

Ärztekammer will sich Ergebnis anschauen
Die Ärztekammer reagierte indessen äußerst zurückhaltend auf die Einigung. Man müsse sich das Verhandlungsergebnis erst anschauen, so ein Sprecher am Dienstagabend. Die Kammer läuft seit Monaten Sturm gegen die Reform, sie war in die Verhandlungen nicht eingebunden.

Offen bleibt somit vorerst, wie es mit den Protesten der Ärzte weitergeht. Im Raum stehen Ordinationsschließungen am 16. Jänner sowie Kundgebungen, ein Beschluss dafür könnte bei der Ärztekammer-Vollversammlung fallen, die am Donnerstag und Freitag in Wien tagt. Die Mediziner warnen vor einer Zwei-Klassen-Medizin und vor als Kostendämpfungen verschleierten Einsparungen auf Kosten der Patienten. Ihre Kampagne gegen die Reform (siehe Infobox) brachte der Ärztekammer Kritik seitens so gut wie aller politischen Akteure im Gesundheitswesen ein.

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