Zwei Jahre Haft

Flüchtlinge in zugeschweißtem Kastenwagen: Urteil

Österreich
06.11.2015 13:32
Wenige Tage nach dem Flüchtlingsdrama auf der A4 Ende August - in einem auf dem Pannenstreifen auf der Ostautobahn abgestellten Lkw wurden 71 Leichen entdeckt - ist in Wien ein Schleppertransport gestoppt worden, der nur mit viel Glück keine Menschenleben kostete. 24 junge Männer wurden in einem zugeschweißten, fast luftdichten Kastenwagen vorgefunden. Der 30 Jahre alte Fahrer aus Rumänien wurde am Freitag - bereits rechtskräftig - zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

"Aus generalpräventiver Sicht kommt eine bedingte Strafnachsicht nicht in Betracht", betonte Richterin Anna Morak. Der bisher unbescholtene Vater von sechs Kindern nahm nach Rücksprache mit Verteidigerin Christa-Maria Scheimpflug die Strafe an.

Suchhund fand getürmten Schlepper in Geräteschupppen
Eine Polizeistreife war in der Nacht auf den 1. September auf der Südosttangente auf den Citroen Jumper mit rumänischen Kennzeichen aufmerksam geworden. Der Kastenwagen wirkte überladen, außerdem war hinten eine auffällige Verriegelung angebracht. Die Beamten entschlossen sich - sensibilisiert durch die vorangegangene Tragödie auf der A4 - zu einer Fahrzeugkontrolle. Sie lotsten den Transporter von der Autobahn und brachten ihn in der Anne-Frank-Gasse in Simmering zum Stehen.

Dort sprang der Fahrer plötzlich aus dem Fahrzeug und lief davon, selbst als eine ihn verfolgende Polizistin einen Warnschuss ins Erdreich abgab, blieb er nicht stehen. Erst ein Suchhund konnte den 30-Jährigen schließlich in einem nahe gelegenen Geräteschuppen ausfindig machen - der Verdächtige wurde festgenommen.

Einige Flüchtlinge bereits bewusstlos
Als die Polizeibeamten den Kastenwagen näher untersuchten, stockte ihnen der Atem. Die Hecktüren war mit einem außen aufgeschweißten Schieberiegel versperrt und zusätzlich mit einem Vorhängeschloss gesichert. Die seitliche Schiebetür hatte man zudem von innen verschweißt, die Fenster waren vergittert und ebenfalls verschweißt. Nach Entfernen des Vorhängeschlosses zählten die Polizisten auf der 3,35 Meter langen, 1,75 Meter breiten und 1,8 Meter hohen Ladefläche 24 junge Männer.

Einige der Afghanen im Alter zwischen 16 und 20 Jahren waren zu diesem Zeitpunkt infolge des Sauerstoffmangels bereits bewusstlos zusammengebrochen. Die anderen wirkten infolge der längeren Fahrt, die sie in völliger Dunkelheit und auf engstem Raum zubringen mussten, völlig verängstigt, als sie befreit wurden.

Fahrer: "Wurde mehr oder weniger gezwungen, das zu tun"
Der 30-jährige Fahrer behauptete nun vor Gericht, man habe ihm einen Job in Frankreich versprochen. Er sei "mehr oder weniger gezwungen worden, das zu tun". Ein Bekannter habe ihm aufgetragen, den Kleintransporter nach Frankreich zu bringen. Ihm sei gesagt worden, im hinteren Bereich befänden sich vier oder fünf Arbeiter, die er mit nach Frankreich nehmen müsse. Es handle sich dabei um "Burschen, die trinken und Drogen nehmen". Er solle sie nicht weiter beachten. Daran habe er sich gehalten, gab der Angeklagte zu Protokoll. Dass der Wagen schwer beladen war, erklärte er damit, er habe geglaubt, auch Baumaterial und Zement zu transportieren.

Die 24 jungen Afghanen haben mittlerweile Österreich wieder verlassen. Die meisten von ihnen wollten nach Deutschland. Zwei von ihnen wurden dort im Rechtshilfeweg als Zeugen vernommen. Die beiden Burschen - 19 und 20 Jahre alt - hatten für ihre Flucht aus Afghanistan jeweils über 10.000 US-Dollar bezahlt - einer von ihnen war als Armeeangehöriger von den Taliban bedroht worden. Über den Iran gelangten sie in die Türkei, wo ihnen Räuber ihr letztes Geld und weitere Habseligkeiten abnahmen. In Ungarn angelangt, landeten sie in einem Flüchtlingsheim, ehe sie - so ihre Aussagen - von der Polizei aufgegriffen und ausgesetzt wurden. Per Handy gelang es den Afghanen, wieder in Kontakt mit ihren Schleppern zu kommen, die sie schließlich mit anderen Flüchtlingen in den Citroen Jumper einluden.

Während der Fahrt hätten etliche Männer das Bewusstsein verloren, während sich andere erbrachen, berichteten die beiden Zeugen. "Ich bin zu 100 Prozent davon ausgegangen, dass ich da nicht mehr lebend rauskomme", gab der 19-Jährige zu Protokoll.

Chance auf Ergreifung von Komplizen nicht schlecht
Dem Wiener Landeskriminalamt ist die Identität von zumindest zwei weiteren an der Straftat beteiligten Tätern mittlerweile bekannt. Die Chancen, dass auch sie zur Verantwortung gezogen werden können, stehen offenbar nicht schlecht, wie am Rand der Verhandlung in Erfahrung zu bringen war.

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